Über den Nord-Teil der Ruta Cuarenta nach San Pedro de Atacama

Nach der Rückkehr von der Osterinsel bleiben wir noch ein paar Tage bei Benita und André in Santiago. Gemeinsam besuchen wir das Fruchtanbaugebiet in der Nähe von Curico südlich von Santiago. Wir haben dort Gelegenheit, ein Obstverpackungswerk zu besichtigen und sind erstaunt, welche außerordentlich hohen Ansprüche beispielsweise an Größe, Form, Aussehen und Gewicht jedes einzelnen Apfels gestellt werden. Auch die verarbeiteten Mengen sind beeindruckend. Allein am Tag unseres Besuchs gehen 16 Lastzüge vollbeladen mit Äpfeln raus zu Kunden in aller Welt. In einer bereits abgeernteten riesigen Obstplantage mit Anbau von Äpfeln, Birnen, Kiwis, Blaubeeren, Walnüssen, etc. dürfen wir Restäpfel und Restkiwis ernten, die wir zum Teil noch vor Ort genießen und zum Teil als Proviant auf unsere weitere Reise mitnehmen. Ich bin überzeugt, man hätte noch tonnenweise Restobst aus der Plantage herausholen können. Für die Akkordarbeiter lohnt sich das aber offenbar nicht.

Hildegard und André bei der Ernte von Restobst
Hildegard und André bei der Ernte von Restobst

Nach unserem sehr herzlichen Abschied von Benita und André, bei denen wir uns außerordentlich wohl gefühlt haben, fahren wir weiter Richtung Mendoza in Argentinien. Dazu müssen wir über einen 3.200 m-Pass. So hoch waren wir mit Leoni noch nie. Sie muss sich kräftig anstrengen, schafft den steilen Anstieg aber letztlich problemlos.

Auf dem Weg über die Anden von Santiago nach Mendoza
Auf dem Weg über die Anden von Santiago nach Mendoza

Schon weit auf argentinischem Gebiet sind chilenischer und argentinischer Zoll in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht. Je zwei Beamte beider Länder sitzen nebeneinander, zuerst zwei für das Abstempeln der Pässe für Aus- und Einreise, dann zwei weitere für die Autodokumente.
Unser wichtigstes Thema im Großraum Mendoza ist das Auffüllen unserer Gasflaschen. In Chile ist das seit einigen Jahren aus Sicherheitsgründen verboten, und wir sind entsprechend mit mehreren Versuchen stets gescheitert. Wir fahren zu dem im Panamericana-Forum angegebenen Gas-Verkäufer in Luján de Cuyo gute 10 km südlich von Mendoza, von dem wir auch die GPS-Koordinaten haben (de Faveri, Av. San Martín 446, S33⁰02.232, W68⁰52.769), und sind völlig verblüfft, dass das Geschäft mitten in der Stadt und nicht wie erwartet aus Sicherheitsgründen in einem Industriegebiet liegt. Wir kommen um 12.45 Uhr an, aber da ist gerade Mittagspause, und die dauert geschlagene vier Stunden, von 12.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Als die landesübliche Siesta endlich vorbei ist, bekommen wir unsere beiden Gasflaschen problemlos und unbürokratisch gefüllt. Wir sind sehr erleichtert. Das Gas sollte jetzt bis Ende des Jahres reichen.
Es dämmert schon, als wir zum angestrebten Campingplatz in den Weinfeldern südlich der Stadt herausfahren. Plötzlich schreit Hildegard: „Da kommen wir nicht durch.“ Und tatsächlich, eine massive Überleitung von Rohren, Kabeln, etc. ist höchstens 2,50 m hoch und hätte uns die Kabine glatt weggerissen, wenn wir dagegen gefahren wären. Was im Dunkeln durchaus hätte passieren können. Natürlich gab es auf der Straße keinerlei Vorwarnung. Wir kehren um und fahren auf einem langen Umweg zu unserem Ziel.
Mendoza ist das größte und wichtigste Weinanbaugebiet von Argentinien. Die ganze Gegend ist außerordentlich trocken und der Weinanbau nur mit massiver Bewässerung möglich. Wir verbringen zwei Nächte auf dem Campingplatz im Parque San Martín, dem mit 350 Pesos pro Nacht mit Abstand teuersten unserer bisherigen Reise. Von dort aus erkunden wir Mendoza zu Fuß. Es ist Sonntag, und die ganze Stadtbevölkerung ist in dem riesigen Park unterwegs, der unmittelbar an die Stadt angrenzt. Auch das Zentrum selbst ist erstaunlich grün. Praktisch jede Straße ist eine Allee, auf beiden Seiten mit dicken Platanen bepflanzt.
Unser nächstes Ziel ist das auf unserer deutschen Argentinien-Karte dick eingezeichnete Museo Arqueologico de la Laja beim Dorf Laja nördlich der Provinzhauptstadt San Juan. Wir fahren auf der uns von Patagonien her schon gut bekannten Ruta Cuarenta (RN40) nach Norden, biegen nach rechts zum Dorf Laja ab und machen uns auf die Suche nach dem Museum. Irgendwann stehen wir auf einer Piste an einem Kalksteinbruch. Ein Museum finden wir nicht. Passanten aus einem angehaltenen Auto wissen ganz offensichtlich Bescheid und zeigen uns den Weg: 1 km zurückfahren! Aber auch da ist nichts. Wir schütteln den Kopf. Hildegard glaubt schließlich, das Museum ist die Gegend!
Wir verbringen eine ruhige Nacht unmittelbar vor dem erwähnten Steinbruch. Am nächsten Morgen fragen wir uns in der Nähe durch, wo denn nun das Museum ist. Verblüffendes Ergebnis: Gar nicht hier, sondern im Zentrum der Provinzhauptstadt San Juan, ca. 20 km entfernt. Wir entscheiden uns, das Museum Museum sein zu lassen und auf einen Besuch zu verzichten. Immer wieder sind wir auf unserer Reise erstaunt darüber, wie viele falsche Informationen wir von allen möglichen Leuten vorgesetzt bekommen, bis hin zu offiziellen Touristeninformationen.
Wir fahren auf der Cuarenta zügig nach Norden und biegen schließlich nach rechts ab auf eine nagelneue Straße, die es auf unserer Argentinienkarte noch gar nicht gibt (aber in unserem Navigationssystem OsmAnd), zum Parque Provincial Ischigualasto oder auch Valle de la Luna (Mondtal). Die Straße wurde mit Riesenaufwand in die Felsen gebaut. Für offenbar praktisch Null Verkehr, denn wir sind völlig allein unterwegs. Die Landschaft ist absolut grandios.

Saurier-Nachbildung am Eingang zum Parque Provincial Ischigualasto
Saurier-Nachbildung am Eingang zum Parque Provincial Ischigualasto

Der Ischigualasto-Park ist zum Einen bekannt für seine bizarre Landschaft und zum Anderen als wichtige Ausgrabungsstätte aus der Trias-Zeit. Der älteste bekannte Raubsaurier der Welt kommt u.a. von hier. In einem eindrucksvollen Museum neben dem Besucherzentrum sind Funde und Saurier-Replicas ausgestellt. Eine Besonderheit des Parks ist, dass man ihn nur auf einer von einem Parkranger geführten Konvoi-Tour besuchen darf. Wir starten um 15 Uhr. Mit uns sind weitere 10 Autos von der Partie. An einem halben Dutzend Punkten wird Halt gemacht und – leider nur in exzellentem Spanisch – das Umfeld erklärt. Die Landschaft ist absolut eindrucksvoll. Nur schade, dass wir nicht alleine unterwegs sein dürfen. Nach 3 ½ Stunden sind wir zurück.

Im Parque Provincial Ischigualasto
Im Parque Provincial Ischigualasto

Für 22 Uhr haben wir uns für eine weitere geführte Tour angemeldet, die nur bei Vollmond durchgeführt wird. Als wir um 21.55 Uhr vom Campingplatz hinter dem Visitor Center kommend vorfahren, ist jedoch niemand mehr da. Der Konvoi ist schon im Gelände, und uns Camper hat man schlicht vergessen. Vom Ambulanz-Fahrzeug werden wir zur schon weit entfernten Gruppe gebracht. Der Vollmond ist sehr hell und die Gruppe mit etwa 25 Fahrzeugen leider ziemlich groß. Es gibt jede Menge Erläuterungen, die mehr oder weniger sinnvoll beim Big Bang anfangen. Mit viel Esoterik, Yoga, Meditation, Pachamama, guter und schlechter Energie, etc. Es ist nicht besonders gut auszuhalten. Immerhin ist die Landschaft toll. Wir fahren ohne Licht, machen ausgedehnte Querfeldein-Wanderungen und sehen auch Gelände, wo wir am Tag nicht hingekommen sind, z.B. sehr große Steinkugeln in beträchtlicher Anzahl und extrem schlanke Pilzstrukturen aus Stein. Blöderweise steht Leoni einmal ziemlich schräg, wobei uns viel Wasser ausläuft. Das ist eine unangenehme Eigenschaft von Leoni, die uns immer wieder ärgert. Wenn die Wassertanks ganz voll sind und Leoni schräg steht, läuft zunächst Wasser aus dem unteren Tank aus. Und wenn das Wasser nicht durch Rütteln am Fahrzeug oder durch Fahrbewegungen gestoppt wird, fließt ständig Wasser vom oberen in den unteren Tank nach, und irgendwann sind die Tanks halb leer. Kurz nach 1 Uhr in der Früh sind wir bei erfrischenden 11 Grad zurück am Visitor Center und froh, dass die Mondschein-Tour vorbei ist.

Canyon de Talampaya im Parque Nacional Talampaya
Canyon de Talampaya im Parque Nacional Talampaya

Auch den unmittelbar benachbarten Parque Nacional Talampaya darf man nicht individuell besuchen. Sogar die Benutzung des eigenen Fahrzeugs ist hier verboten. Der Besuch ist nur möglich mit einem geländegängigen, zum Bus umgebauten Lastwagen. Wir kaufen die entsprechenden Tickets und starten um 14.30 Uhr gemeinsam mit etwa 20 anderen Touristen. Unterwegs machen wir Halt an vier Stationen, wo man auf Holzstegen zu den Sehenswürdigkeiten gehen kann. Das wäre nicht weiter schlimm, denn der Talampaya-Canyon bietet neben spektakulärer Landschaft auch Felsgravuren und etliche andere Besonderheiten. Aber es sind auch andere Busse unterwegs, und zwar ziemlich viele. Und die fahren alle die gleichen vier Stationen an. Nach unserem Gefühl nicht etwa zeitlich versetzt, was sehr sinnvoll wäre, sondern möglichst so, dass immer alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind. Wir sind trotz der grandiosen Landschaft froh, als wir nach drei Stunden zurück sind.
Auf der Weiterfahrt nach Norden geraten wir in Pagancillo wieder einmal in eine Polizeikontrolle. Ich frage den Polizisten nach dem Zustand des weiteren Streckenverlaufs und erfahre, dass die Ruta Cuarenta zwischen Villa Union und Chilecito durch einen Bergrutsch verschüttet und unpassierbar ist. An der Tankstelle einen Kilometer weiter wird mir das bestätigt. Das bedeutet für uns einen Riesen-Umweg. Wir müssen zurück nach Süden und dann in weitem Bogen nach Chilecito. Aber was bleibt uns anderes übrig?
Chilecito verfügt über eine der wichtigsten technischen Sehenswürdigkeiten Argentiniens. Um das Gestein aus der auf 4.400 m Höhe gelegenen Kupfer-Mine La Mejicana ins Tal zu bringen, wo es verarbeitet werden konnte, wurde mit deutscher Technik eine Drahtseilbahn gebaut. Diese wurde 1903 in Betrieb genommen, ist allerdings inzwischen längst wieder stillgelegt. Die Bahnstrecke ist 34 km lang und überwindet einen Höhenunterschied von 3.300 m. 450 Loren waren im Einsatz, die jeweils 250 kg transportieren konnten. Nach vier Stunden kam das Material unten an. Ein irres, absolut eindrucksvolles Projekt.

Talstation der Cable Carril in Chilecito
Talstation der Cable Carril in Chilecito

Wir fahren das Museo Cable Carril an, das unmittelbar neben der Talstation liegt. Diese ist genau wie Pfeiler der Bahn und Drahtseile noch vorhanden und trotz Rost in vergleichsweise gutem Erhaltungszustand. Im Museum gibt es noch einiges mehr zu bewundern, incl. der von einer Leipziger Firma mitgelieferten deutschen Stücklisten der Anlage. Wir fahren kilometerlang an der imposanten Seilbahn entlang den Berg hoch und übernachten am Wegrand in der Nähe der ersten Bergstation, der Estacion 2.
Bei der Weiterfahrt auf der RN40 Richtung Norden bewegen sich die Tagestemperaturen zwischen 30 und 37 Grad. Für Winter ist das nicht schlecht. Wir besuchen einen der äußersten Vorposten des Inka-Imperiums, die Ruinen von El Shincal, und einen Tag später die noch wesentlich imposanteren Ruinen von Quilmes. Deren Bewohner konnten sich den Inkas erfolgreich widersetzen, und auch die Spanier brauchten 130 Jahre, um sie endgültig zu besiegen. 1665 wurden die verbliebenen Indios auf einen Fußmarsch nach Buenos Aires gezwungen. Wer den Marsch überlebte, starb dort an Krankheiten. Nur der Name lebt fort. Ein Stadtteil von Buenos Aires trägt heute den Namen Quilmes – und das populärste in Argentinien gebraute Bier. Das in einem steilen Hang, strategisch äußerst günstig platzierte Gelände von Quilmes ist heute komplett mit großen Kakteen (Cardones) überwachsen. Wir klettern am späten Nachmittag zwei Stunden lang durch die Ruinen und sind fasziniert von den immer neuen Perspektiven, die die Ruinen, die Kakteen und die unter uns liegende Landschaft bieten.

Ruinen von Quilmes
Ruinen von Quilmes

Das Gebiet um Cafayate ist nach Mendoza das zweitwichtigste Weinanbaugebiet Argentiniens. Auch hier ist massive Bewässerung nötig. Die Gegend ist an sich wüstenartig und völlig trocken, und die riesigen Wein- und auch Ölbaumfelder sind ein sehr überraschender Anblick. Auf dem Campingplatz treffen wir andere Overlander, Deutsche, Schweizer und Holländer. Das ist uns lange nicht passiert. Von deren Erfahrungen – und Ersatzteilen – können wir kräftig profitieren. Wir lernen zum Beispiel, dass eine Standard-Webasto-Heizung (und eine solche haben wir zum Wassererwärmen) oberhalb 2.200 m kaputt geht. Auf dem Weg von Santiago nach Mendoza hatten wir auf 2.500 m übernachtet und am nächsten Morgen geduscht. Dabei versulzte dann offenbar der Diesel im Verbrennungssystem. Nach mehreren Tagen mit Problemen und kalten Duschen funktioniert die Anlage inzwischen aber wieder. Offenbar haben wir noch einmal Glück gehabt, müssen aber zukünftig aufpassen. Ein uns freundlicherweise geschenkter perfekt passender Dichtungsring hilft uns, unsere defekte Dachluke in der Dusche wieder zu reparieren.
Cafayate ist eine sehr nette Kleinstadt, wo wir uns ausgesprochen wohl fühlen. Das Kolonial-Flair und die wunderschöne Plaza verleiten uns, länger als geplant zu verweilen und abends vor einer Weinschänke ausgiebig den sehr fruchtigen Torrontés, den lokalen Weißwein, zu genießen.

Auf der Ruta Cuarenta im Valle Calchaquíes nördlich von Cafayate
Auf der Ruta Cuarenta im Valle Calchaquíes nördlich von Cafayate

Nördlich von Cafayate im Valle Calchaquíes wird die Ruta Cuarenta wie in alten Zeiten wieder zur Piste. Diese ist zum Teil in exzellenter Verfassung und hat zum Teil grausliches Wellblech. In schönem Wechsel. Es wird nie langweilig. Auch weil die Landschaft sehr malerisch, zuweilen geradezu bizarr ist. Wir machen ungewohnt viele Fotostops. Immer wieder liegen kleine Ortschaften am Wegesrand, die jeweils über eine alte mit Kaktusholz ausgestaltete Kolonialkirche verfügen. Diese Kirchen sind regelmäßig einen Halt wert.

Kolonialkirche von Molinos
Kolonialkirche von Molinos
Mittagspause in der Hotel-Hacienda von Molinos
Mittagspause in der Hotel-Hacienda von Molinos

Am besten gefällt uns Molinos. Dies ist ein sehr nettes Dörfchen (s. Übersichtsbild über diesem Beitrag) mit toller alter Kirche und direkt gegenüber einer prächtigen zu einem Hotel umgestalteten Hacienda mit phantastischem Innenhof, wo wir ein ausgezeichnetes Mittagessen genießen.
Auf der Weiterfahrt nach Salta sind wir hinter Cachi plötzlich wieder auf Asfalt. Wir durchqueren den sehr hoch gelegenen Parque Nacional Los Cardones. Hier gibt es etliche Miradore (Aussichtspunkte) mit sorgfältig angelegten Rundwegen und Erklärungstafeln. Alles steht voller Kakteen, es ist sehr schön und eindrucksvoll. Irgendwann steht eine kleine Herde Vicuñas am Straßenrand. Ich halte sie zuerst für Guanacos, aber diese Kameliden hier sind kleiner und zierlicher, müssen also wohl Vicuñas sein. In den folgenden Tagen treffen wir immer wieder auf sie.

Im Parque Nacional Los Cardones
Im Parque Nacional Los Cardones

Am Piedra de Molino (einem liegen gelassenen Mühlstein), der östlichen Parkgrenze, sind wir 3.400 m hoch. Ein neuer Höhen-Rekord. Wenn man im kleinstmöglichen Gang fährt, ohne groß zu beschleunigen, lässt sich trotz dieser Höhe das unschöne und unangenehme Rußen aus dem Auspuff verringern. Vielleicht muss ich trotzdem demnächst mal die Einstellung fürs Diesel-Luft-Gemisch verändern.
Ab dem Piedra de Molino geht es in Serpentinen steil bergab. Bald sind wir wieder eine Zeitlang auf Schotterpiste, die aber immer gut zu befahren ist. Sobald wir 1.500 Höhenmeter unterschritten haben, fahren wir plötzlich völlig unerwartet durch dichten, grünen Wald. Und anschließend in der Ebene vor Salta durch fruchtbare landwirtschaftliche Flächen, wie wir sie seit Chile nicht mehr gesehen haben.
Salta, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, trägt den Beinamen La Linda, die Schöne. Und tatsächlich hat Salta eine sehr schöne Innenstadt mit viel Kolonialarchitektur. Ein besonderes Highlight für uns ist der Besuch des Museo de Arqueología de Alta Montaña (MAAN). Hier beeindruckt uns vor allem die Mumie des „Lightning Girl“. Ein 6jähriges Mädchen wurde vor Jahrhunderten von den Inkas den Göttern geopfert und auf dem Vulkan Llullaillaco, 6.739 m, in 6.700 m Höhe, also unmittelbar unter dem Gipfel, beigesetzt. 1999 wurde es mit zwei weiteren geopferten Kindern gefunden. Es handelt sich beim Llullaillaco um die höchstgelegene archäologische Fundstelle der Welt.
In der Toyota- Werkstatt von Salta wollen wir die Gelegenheit nutzen, die Klimaanlage in der Fahrerkabine reparieren zu lassen, bekommen aber mitgeteilt, dass das Steuergerät defekt und in Argentinien nicht erhältlich ist. Das müssen wir uns dann wohl demnächst in Deutschland besorgen.

Pucará von Tilcara
Pucará von Tilcara

Auf der Weiterfahrt in die malerische Quebrada de Humahuaca, einen tiefen Einschnitt in die Anden-Hochebene, haben wir mit der RN9 eine interessante Straße erwischt, die sich in Serpentinen durch die Berge schlängelt, die erstaunlicherweise komplett von dichtem grünen Urwald bewachsen sind. In Tilcara auf bereits 2.450 m Höhe sind wir überrascht über die in Teilen hervorragend restaurierte Pucará, ein auf einem Hügel in strategischer Position angelegtes Wehrdorf, das einen tollen Einblick in das Leben der Indios vor und während der Inkazeit ermöglicht. Der dichte Kakteenbewuchs sorgt darüber hinaus für sehr schöne Fotomotive.
Etwas weiter nördlich ist der Tropico de Capricornio erreicht, der Wendekreis des Steinbocks. Erstmals seit dem paraguayischen Chaco und erstmals in diesem Jahr sind wir wieder in den Tropen.
In Humahuaca ein paar Kilometer weiter nördlich, nun auf bereits 2.950 m Höhe, ist es am nächsten Morgen draußen -4,4 Grad warm bzw. kalt. Und das ausgerechnet in unserer ersten Tropennacht dieses Jahres. Das komplette Abwassersystem von Leoni ist eingefroren. Wir bekommen das Spülwasser zum Beispiel nicht mehr aus der Spüle raus. Es fließt maximal bis zur Dusche und kommt dort wieder hoch. Sehr unschön. Aber mit Hilfe von Salz, heißem Wasser und der Morgensonne, die draußen die Temperaturen schnell wieder ansteigen lässt, bekommen wir das Ganze wieder in den Griff.
Beim einem Tankstop schütten wir Anti-Congelante in die Dieseltanks, damit der Diesel bei den zu erwartenden niedrigen Temperaturen der nächsten Tage nicht versulzt und die Filter verstopft.

Fiesta in Purmamarca
Fiesta in Purmamarca
Gruppenbild von Fiesta-Teilnehmern in Purmamarca
Gruppenbild von Fiesta-Teilnehmern in Purmamarca

Nur ein paar Minuten nach dem Tankstopp, in Purmamarca, auf 2.200 m, stolpern wir buchstäblich über eine Riesen-Fiesta auf der Plaza vor der Kirche. Es wird aufgespielt und getanzt, mit allen Teilnehmern in vornehmer Tracht. Die Herren in typischer Gaucho-Kluft, die Damen in farbenfrohen Kleidern. Es sind mehrere Kamerateams anwesend, eins sogar mit einer Drohne, die von oben filmt, aber erstaunlicherweise praktisch keine Touristen. Das Fotografieren macht richtig Spaß. Im Grunde ist es immer dasselbe. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
Hinter Purmamarca geht es steil den Berg hoch. In endlos erscheinenden Serpentinen ist die Straße in den Berg gesprengt. Zeitweise geht es nur noch im 1. Gang vorwärts. Leoni stöhnt und qualmt. Ab und zu ruckelt sie auch, was mich etwas nervös macht, weil ich nicht weiß, wie das wohl später in noch größeren Höhen sein wird. Unterwegs stellen wir bei einem Halt fest, dass das Heizen der Kabine mit Motorabwärme offenbar nicht mehr funktioniert. Das System macht prrrrrr, prrrrrr, und das zugehörige Lämpchen flackert im Takt. Das hört sich nicht gut an und sieht auch nicht gut aus. Wir stellen das System ab. Ein neues Mysterium. Vielleicht lässt sich die Motorabwärme in großen Höhen auch nicht nutzen, weil der Wärmetauscher aus irgendeinem Grund nicht mitmacht. Trotz aller Problemchen sind wir irgendwann auf dem Tageshöchstwert von 4.170 m. Mehrmals sehen wir Vicuñas neben und auf der Straße. Eindrucksvoll ist auch ein großer Salzsee, Salinas Grandes, den wir auf einem Damm überqueren. Hier wird Salz industriell abgebaut und mit Lastwagen abtransportiert.

Vicuñas
Vicuñas
Salzgewinnung Salinas Grandes
Salzgewinnung Salinas Grandes

In Susques, immerhin noch auf 3.650 m, fahren wir das Hotel mit Tankstelle an und beschließen zu bleiben. Am nächsten Morgen sind wir positiv überrascht, dass es nicht gefroren hat. Draußen herrschen erstaunliche +3.4 Grad.
Nach dem Frühstück geht es weiter Richtung Paso de Jama, zur chilenischen Grenze. Der Anstieg ist im Gegensatz zum Vortag ganz sacht, und Leoni hat überhaupt keine Probleme. Schwarze Rauchwolken gibt es nur, wenn ich stark beschleunige bzw. in zu hohem Gang fahre. Auch das Ruckeln kommt praktisch nicht mehr vor. Dabei überschreiten wir heute erstmals die 4.400 m-Marke. Wieder sehen wir Vicuñas und einmal auch drei Ñandus, was uns auf der Höhe von über 4.000 m besonders überrascht. Es sind die ersten Ñandus seit dem argentinischen Süd-Patagonien.

Argentinisch-chilenische Grenze am Paso de Jama auf 4.320 m
Argentinisch-chilenische Grenze am Paso de Jama auf 4.320 m
Altiplano auf chilenischer Seite
Altiplano auf chilenischer Seite

An der Grenzstation auf argentinischer Seite erleben wir eine Überraschung. Argentinier und Chilenen fertigen gemeinsam in einem Gebäude ab. Das Ganze geht zügig vonstatten, obwohl die Kabine von Leoni sowohl von Argentiniern als auch von Chilenen intensiv kontrolliert wird. Wir fahren weiter durch herrliche Landschaft, immer mehr oder weniger auf 4.200 m Höhe. An einem Salzsee, der Laguna Negra, entschließen wir uns, am Straßenrand zu übernachten. Tagsüber hatten wir um die 10 Grad, doch in der Nacht wird es dann richtig kalt. Wir hoffen, dass nichts kaputt friert. Sorgen machen wir uns vor allem um die Wasserpumpe. Immerhin sind Hildegard und ich inzwischen ganz gut an die dünne Luft angepasst. Wir hatten ja die Höhe unserer Übernachtungsplätze in den letzten Tagen bewusst schrittweise gesteigert. Jeden Tag 500 bis 700 m höher.
Am Morgen ist es draußen -8,5 Grad und drinnen ganze +2,4 Grad „warm“. Wir heizen die Kabine mit der Gasflamme und dem elektrischen Fön etwas auf und hoffen, dass alles heil geblieben ist.

Toller, aber kalter Übernachtungsplatz an der Laguna Negra auf 4.250 m
Toller, aber kalter Übernachtungsplatz an der Laguna Negra auf 4.250 m

Bei der Weiterfahrt geht es zunächst beständig aufwärts, und Leoni spuckt im Wechsel weiße und schwarze Auspuffwolken. Aber wir kommen voran. Bald sind wir auf dem bisher höchsten Punkt unserer Reise, auf 4827 m. Aber danach geht es keineswegs wieder kräftig runter. Wir bleiben stundenlang auf 4600 bis 4800 m. Direkt am Vulkan Licancabur, der die Grenze zwischen Bolivien und Chile markiert, sind wir immer noch 4.700 m hoch und sehen unter uns die Senke mit dem Salar de Atacama sowie die Oase San Pedro de Atacama. Rechts können wir ein Stück nach Bolivien hineinschauen und erkennen schon die Laguna Blanca, eines unserer nächsten Ziele. Dann geht es mehr als 2.000 m runter nach San Pedro de Atacama auf nur noch 2.438 m. Die Straße ist ziemlich steil, doch ohne Serpentinen, quasi Diretissima. In regelmäßigen Abständen sind nach rechts Schotterpisten für Notfälle bei Bremsversagen angelegt. Wir checken auf einem zentrumsnahen Campingplatz ein und freuen uns auf die nächsten Abenteuer.

Ein Kommentar

  1. Bernd said:

    Hallo Leoni-Team,
    ich hatte mir fest vorgenommen, meinen nächsten Kommentar zu Eurem Reisetagebuch sachlich zu halten. Doch dann kam mir auf dem Globetrotter Jahresfest am Wochenende zu Ohren, dass 99,9 % der „Hildegard und Franz opp joeck Tagebuch-Leserschaft“ die ausführlichen Berichte von Franz nur wegen meiner Kommentare, oder eben abends als „Einschlaflektüre“ konsumiert. Dieses Rating will ich mir natürlich erhalten, und schließlich will auch ich nach 2 – 3 Zeilen „Hildegard und Franz on Tour“, in den wohlverdienten Schlaf übergehen können.
    So, nun zu diesem Reise-Kapitel:
    -Wir Stuttgarter Globetrotter haben beschlossen, für Euch zu sammeln, und ein Care-Paket nach Südamerika zu schicken. Es ist uns ein Anliegen, dass Ihr nie wieder in abgeernteten Plantagen Restobst pflücken, und Leoni mit mehreren Zentnern Obst belasten müsst.
    Nach Euren ersten Berichten dachte ich: Der Weinkeller im Leoni ist leer, jetzt müssen sie Rest-Trauben keltern. Dazu mein Globetrotter-Know-How-Survival Tipp lieber Franz: Die Supermärkte in Südamerika haben so viel Wein in Flaschen, die können ihn sogar verkaufen.
    -Weshalb soll Leoni 3200 m Höhe nicht schaffen? Da ward Ihr beide ja schon zu Fuß höher. Oder leidet Leoni etwa an einem Hirn-Lungenödem? Dann gib einfach 2 – 3 Diamox® mit in den Tank, das hilft. Ohne dem ganzen Rest-Obst im Gepäck hättet Ihr gar nicht bemerkt, dass sich Leoni anstrengen muss.
    -„Massive Überleitung von Rohren, Kabeln nicht gesehen!“
    Lieber Franz, das war jetzt schon das dritte „Beinahe-Ende“ von Leoni. Nimm ne Pulle Wein aus dem doppelten Leoni-Boden, setz Dich auf den Beifahrersitz und lass Hildegard fahren. Dann schafft’s Leoni auch auf den Ojos del Salado.
    Übrigens weiß ich jetzt auch, weshalb in Chile das Nachfüllen von Gasflaschen verboten wurde: ………. die wussten, dass Du kommst.
    So, genug gelästert. Ich hoffe, das genügt, um Deine Leser ein paar Minuten wach zu halten.
    Nehmt mich einfach nicht ernst und genießt weiterhin Eure Reise mit Leoni.
    Gruß
    Bernd
    P.S.: Grüße auch an Leoni. Er soll sich in der Atacama vorsehen, da seine Besatzung mit halbvollen Wassertanks in die Wüste fährt.

    22. Juni 2015
    Reply

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