Ruta Cuarenta und Carretera Austral

Unser erstes Ziel nach Hildegards Rückkehr aus Deutschland ist der chilenische Parque Nacional Torres del Paine. Hier wollen wir die mehrtägige Wanderung nachholen, die wir beim ersten Besuch wegen unserer Reifenpanne nicht durchführen konnten. Wir fahren also zügig von Rio Gallegos aus zum uns schon bekannten Grenzübergang bei Cerro Castillo. Kurz vor der Grenze essen wir vorbereitete Butterbrote und den Rest unseres Obstes. Bei der anschließenden Einreise nach Chile büßen wir dann unsere noch nicht geöffnete, verschweißte Salami ein, und zwar weil sie aus argentinischer und nicht aus chilenischer Produktion ist. Na gut. In einem kleinen Geschäftchen hundert Meter weiter kaufen wir halt neue chilenische Salami.
Die folgende Nacht verbringen wir schon im Nationalpark auf dem Campingplatz an der Laguna Azul, den uns ein Schweizer vor ein paar Wochen als den schönsten ihm bekannten Campingplatz Südamerikas empfohlen hatte. Und der Platz gefällt uns wirklich sehr gut. Der Blick über den See, die Laguna Azul, geht direkt auf die Torres del Paine (die Türme) und ist wirklich atemraubend. Am Abend färbt sich der Himmel blutrot und bringt die Torres wundervoll zur Geltung.

Die Torres del Paine beim Sonnenuntergang
Die Torres del Paine beim Sonnenuntergang
Aussicht vom Mirador Condor auf die Cuernos del Paine
Aussicht vom Mirador Condor auf die Cuernos del Paine

Unsere erste Wanderung führt uns bei herrlichem Sonnenschein hoch zum Mirador Condor. Von dort haben wir eine wunderschöne Aussicht auf die Cuernos del Paine (die Hörner). Doch unser eigentliches Ziel ist ja die mehrtägige Wanderung im sogenannten „W“, bei der praktisch alle interessanten Aussichtspunkte angelaufen werden. Da wir kein Zelt dabei haben, sind wir auf Refugios (Hütten) angewiesen. Im Besucherzentrum des Parks hatte man uns gesagt, dass dafür so spät in der Saison (Ende März) keinerlei Vorreservierungen mehr nötig sind. Wir haben unsere Rucksäcke für die Wanderung schon gepackt, da geht Hildegard noch einmal ins Internet und kommt mit der Nachricht zurück, dass eines der von uns benötigten Refugios seit einer Woche geschlossen ist. Außerdem sagt der Wetterbericht für die nächsten Tage Dauerregen voraus. Wir entscheiden uns, die geplante Wanderung abzublasen und packen unsere Rucksäcke wieder aus.
Zurück in Argentinien nehmen wir wieder die Ruta Cuarenta (oder auch Ruta Nacional 40 oder RN40) unter die Räder. Diese legendäre Straße beginnt am Cabo Virgenes, ca. 100 km südlich von Rio Gallegos, direkt an der chilenischen Grenze, und führt über 5.216 km immer am Ostabhang der Anden entlang bis zur bolivianischen Grenze bei La Quiaca. Den südlichen Teil bin ich bei meiner ersten Patagonien-Reise vor gut 23 Jahren schon einmal gefahren. Damals war die Ruta Cuarenta ausschließlich Piste. Dies ist mittlerweile deutlich anders. Weite Teile sind inzwischen asphaltiert. Dazwischen gibt es aber immer wieder lange Baustellen oder eben den guten alten Pistenzustand. Bei Gobernador Gregores wurde die Ruta Cuarenta sogar eigens verlegt und asphaltiert, um diese kleine, aber wichtige Provinzstadt einzubinden. Wir fahren in diesem Bereich auf der deutlich kürzeren alten Strecke, die uns in ihrer Ursprünglichkeit und Einsamkeit stark beeindruckt. Nur ab und zu sehen wir ein paar Guanakos, Pferde oder Schafe, und zweimal läuft ein Gürteltier vor uns über die Piste. Als wir wieder auf die geteerte neue RN40 treffen, machen wir mit dieser einen scharfen Knick nach Westen und fahren damit exakt gegen den Wind. Außerdem nähern wir uns jetzt wieder den Anden, und es geht permanent leicht bergauf. Mehr als 55 km/h sind für längere Zeit nicht mehr aus Leoni herauszuholen.

Pferde am Rande der Ruta Cuarenta
Pferde am Rande der Ruta Cuarenta

Mit dem Wind ist das ohnehin so eine Sache. Auf einer völlig unauffälligen Asphaltstrecke tut es eines Tages einen ziemlichen Schlag, und das Steuer wird mir fast aus der Hand gerissen. Ich vermute einen Reifenschaden, halte an und sehe nach den Rädern. Doch da ist alles in Ordnung. Es war somit nur ein Windstoß, aber ein wirklich mehr als nur kräftiger.
An einer Estancia, die mit einem Schild um Touristen wirbt, halten wir an und beschließen, hier zu übernachten. Aber wir finden keine Menschenseele. Nur etliche Hunde, Katzen und Hühner streunen herum. Wir verbringen eine ungestörte Nacht und fragen uns, wie die Haustiere ohne Betreuung hier wohl überleben können.

Schlucht des Rio Pinturas oberhalb der Cueva de las Manos
Schlucht des Rio Pinturas oberhalb der Cueva de las Manos
Cueva de las Manos, die Höhle der Hände
Cueva de las Manos, die Höhle der Hände

Einen weiteren wunderschönen Übernachtungsplatz finden wir oberhalb der herrlich mit Bäumen bestandenen Schlucht, in der sich das Weltkulturerbe Cueva de las Manos, die Höhle der Hände, befindet. Der tagsüber sehr starke Wind ist am Abend plötzlich weg, und es ist unglaublich still. Und einsam sowieso. Am nächsten Morgen geht´s mit Guide Fernanda runter zur Höhle. Die jahrtausendealten Malereien sind überraschenderweise gar nicht auf die eigentliche Höhle konzentriert, sondern befinden sich entlang der Felsen davor und dahinter. Insgesamt ist das Ganze sehr eindrucksvoll, wenn auch nicht ganz so überwältigend wie beispielsweise die Felszeichnungen in der Sahara, in Algerien, Libyen oder im Tschad.
Bei der Weiterfahrt nehmen wir eine Abkürzung, die uns auf unserem Weg Richtung Norden viele Kilometer ersparen soll. Fernanda hatte uns gewarnt, dass die Piste nur mit 4×4 befahrbar ist. Wir glauben das nicht so richtig, und es gibt auch keinerlei Hinweisschild. Aber Fernanda hatte Recht. Es geht steil zu einem Fluss hinunter, und ich bin nicht sicher, ob wir ohne Allrad überhaupt wieder in eine der beiden Richtungen aus dem Flusstal heraus gekommen wären. Halbmetertiefe Bodenwellen machen das Ganze ziemlich spannend. Aber letzten Endes ist das Ganze für Leoni unproblematisch. Leoni kann immer viel mehr als man so denkt.
Bei Los Antiguos / Chile Chico überqueren wir erneut die Grenze. Es ist für mich auf dieser Reise der vierte Grenzübertritt von Argentinien nach Chile. Und jedes Mal gibt es neue Überraschungen. Dieses Mal ist der chilenische Zoll im Streik. Die Grenze ist nur stundenweise geöffnet. Unser Zeitfenster ist 12 – 13 Uhr. Nach zweistündiger Wartezeit geht es los. Erstmals und überraschenderweise müssen wir bei einer Einreise nach Chile selbst ein Formular für Leoni ausfüllen, das u.a. auch die Motornummer verlangt, die im Kfz-Schein nicht enthalten ist. Aber wir sind gut vorbereitet und haben das Schriftstück schnell zur Zufriedenheit des Zöllners fertiggestellt. Bei der letzten Einreise nach Chile hatte der Grenzer noch alle Daten von Leoni im Computer und druckte damit ohne Rückfragen das erforderliche Formular aus. Die abschließende Lebensmittelkontrolle ist bei uns dieses Mal trotz des großen Andrangs an der Grenze besonders intensiv. Alle Schränke werden durchsucht, aber beanstandet wird nichts. Schon kurz nach 12.30 Uhr sind wir durch, also rechtzeitig, bevor um 13 Uhr die Grenze wieder dicht gemacht wird.
Eine gut befahrbare Piste führt von Chile Chico aus gute 50 km nach Süden zur Reserva Nacional Jeinimeni, immer dicht an der argentinischen Grenze entlang. Woher der komische Name des Parks kommt, ist einigermaßen unklar. Vermutet wird, dass es eine indianische Verballhornung des spanischen Namens Jimenez ist. Der Weg führt durch absolut herrliche Landschaft, die mal an Neuseeland, mal an Tibet und mal an Alaska erinnert. Nur ab und zu findet sich eine ärmliche Estancia am Wegrand.

Jeinimeni-See in der gleichnamigen Reserva Nacional
Jeinimeni-See in der gleichnamigen Reserva Nacional

Am Eingang zum Park empfängt uns der Guardaparque César und knöpft uns für Eintritt und zwei Nächte Camping 24.000 Pesos ab. Das entspricht immerhin etwa 34 Euro. Wir fahren vom Parkeingang ein paar hundert Meter weiter auf den Campingplatz. Die jeweils nummerierten Plätze mit Hütte im Wald sind uns zu eng und vor allem zu dunkel. Für unsere Solarpanels brauchen wir schließlich Licht. Wir stellen uns daher auf eine Wiese an den See und haben große Sorge, dass uns César von hier wieder verscheucht. Als er später seine Runde macht, spricht er uns auch prompt auf unsere Platzwahl an – und erlässt uns die Hälfte der bezahlten 24.000 Pesos, da wir ja keinen nummerierten Stellplatz und keine Hütte mit Feuerholz belegen. Wir lachen uns halb kaputt. Nach einiger Zeit erscheint er erneut und bringt uns 11.000 Pesos zurück. Er hatte keine 12.000 mehr und entschuldigt sich tausend Mal dafür. Es ist wirklich lustig. In der beginnenden Dämmerung läuft dann ein Fuchs an unserem Fenster vorbei und benutzt wie selbstverständlich die Holzbrücke, um auf die andere Seite des Flusses zu gelangen.
Das Wetter in Jeinimeni ist tagsüber schön und in der Nacht schön kalt. Morgens sind an den Fenstern Eisblumen. So kalt war es bisher mit Leoni noch nicht. Auf einer Wanderung am Ufer des Jeinimeni-Sees entlang finden wir zugefrorene Wasserpfützen und später dann im Berghang sehr merkwürdige Eiskristalle. Diese sind mehrere Zentimeter hoch und wie ein Nagelbrett angeordnet.
Der Rückweg nach Chile Chico führt an einem teilweise zugefrorenen See vorbei, in dem ein paar Flamingos stehen. Ein irgendwie erstaunlicher Anblick. Die von uns angefahrene Tankstelle hat kein Wasser und schickt uns zu den Bomberos, also zur Feuerwehr. Da wir diese aber auf Grund der etwas vagen Ortsbeschreibung nicht finden können, marschiere ich ohne langes Zögern in die Polizeistation rein. Die Polizei weiß natürlich, wo die Bomberos zu finden sind, hat aber auch selbst einen Wasserhahn direkt vor der Tür. Und so befüllen wir dieses Mal unsere Tanks mit Polizei-Wasser. Der diensthabende Carabinero steht während der gesamten zeitaufwendigen Wassereinfüllaktion dabei. Ich spiele den Entertainer für ihn und strapaziere mein Spanisch aufs Äußerste.

Übernachtungsplatz am Straßenrand oberhalb des Lago General Carrera
Übernachtungsplatz am Straßenrand oberhalb des Lago General Carrera

Die Strecke am Südufer des Lago General Carrera entlang Richtung Carretera Austral ist rau, aber wunderschön. Und das Wetter ist es auch. Es gibt atemberaubende Serpentinen im Berg mit immer neuen tollen Panoramablicken. Irgendwann finden wir unseren Übernachtungsplatz am Wegesrand, holen die Campingstühle raus und genießen den Ausblick und die Sonne. Drinnen haben wir, als die Sonne hinter den Bergen verschwindet und wir uns ins Innere von Leoni zurückziehen, erstaunliche 27 Grad. Wir haben nämlich den ganzen Tag die Abwärme des Motors in die Kabine geblasen. Frieren müssen wir diesen Abend also nicht.
Am südlichsten Punkt des Sees bei Puerto El Maitén treffen wir auf die Carretera Austral, der wir bis zu ihrem Anfang in Puerto Montt folgen wollen. Diese berühmte 1.240 km lange Straße wurde in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf Befehl von Diktator Pinochet von der Armee vorwiegend aus militärischen Gründen angelegt. Der Bau war ein echter Kraftakt. Schließlich musste nicht nur eine Schneise durch den unwegsamen und fast undurchdringlichen Regenwald geschlagen werden, sondern es waren auch unzählige Flüsse zu überwinden. Dies geschah zunächst häufig mit Fähren und später zunehmend durch Brücken.
Kurz vor Puerto Rio Tranquilo verführt uns ein Schild mit der Aufschrift „Capillas de Marmól“ und „Camping“, eine Piste hinunter zum Ufer zu fahren. Und diese Piste hat es wirklich in sich, was zunächst so überhaupt nicht erkennbar ist. Sie wird nach einiger Zeit steil, und zwar sehr steil. Natürlich ohne Wendemöglichkeit. Und genau diese Horror-Strecke müssen wir später auch wieder hinauf!! Unser Ziel, die Capillas de Marmól, die Marmorkapellen, sind bizarr ausgewaschene Höhlen und Überhänge und eine bekannte Touristenattraktion, die man laut Reiseführer keinesfalls verpassen darf. Mit einem kleinen offenen Ausflugsboot fahren wir direkt in die Capillas hinein, eine durchaus eindrucksvolle Angelegenheit. Leider ist es stark bewölkt, so dass das richtige Fotolicht fehlt.
Direkt neben der Bootsanlegestelle übernachten wir. Wegen der anstehenden steilen Rückfahrt hoch zur Carretera Austral schlafe ich allerdings etwas unruhig. Am nächsten Morgen machen wir uns dann im ersten Gang und mit der kleinsten Allrad-Untersetzung an den Aufstieg. Es klappt problemlos. Auf Leoni ist Verlass. Oben angekommen sind wir ziemlich erleichtert.

Typischer chilenisch-patagonischer Friedhof
Typischer chilenisch-patagonischer Friedhof

In Puerto Rio Tranquilo zweigt eine Piste nach Westen ins Valle Exploradores ab. Gleich zu Beginn treffen wir auf eine der typischen chilenisch-patagonischen Begräbnisstätten. Über allen Gräbern sind individuelle Holzhäuschen gebaut. Das Wetter hat sich deutlich verschlechtert und dem südchilenischen Standard angenähert: Dauerregen. Bei km 44 erreichen wir unser Tagesziel, das Campo Alacaluf. Hier wohnen seit 14 Jahren Thomas und Kathrin, zwei deutsche Auswanderer. Sie haben hier mitten im Regenwald ein Hostal, eine Herberge für durchreisende Touristen aufgebaut. Allerdings ist Thomas bei unserer Ankunft allein zu Haus. Seine Frau ist mit der vierjährigen Tochter Daniela für ein paar Tage in Coyhaique. Die gute Stube ist sehr heimelig, leicht bajuwarisch angehaucht mit einem großen Herd in der Mitte. Das uns aufgetischte Abendessen ist sehr deutsch und sehr gut: Rinderbraten mit Kartoffeln und Soße plus Möhrengemüse und Salatteller.

Im Campo Alacaluf: Hausherr Thomas stößt mit Hildegard mit einem Glas Wein an
Im Campo Alacaluf: Hausherr Thomas stößt mit Hildegard mit einem Glas Wein an

Thomas und Kathrin haben einen Rundweg durch den Urwald angelegt, der zum Teil wie ein verwunschener Märchenwald wirkt. Thomas führt uns engagiert und sehr kenntnisreich, begleitet von seinen sechs Hunden. Danach besichtigen wir noch die Wasserturbine hoch oben im Wald, wo der Strom für das Hostal erzeugt wird.
Die Qualität der Carretera Austral bei unserer Weiterfahrt nach Coyhaique ist sehr unterschiedlich. Zunächst ist sie sehr gut, doch dann kommen längere ziemlich furchtbare Stücke mit sehr unangenehmem Wellblech. Ab Villa Cerro Castillo schweben wir über eine nagelneue Betonpiste. Die Sonne scheint, und der Südbuchenwald an den Berghängen erstrahlt in den schönsten Indian-Summer-Farben. Plötzlich steht ein großer männlicher Huemul am Straßenrand. Es ist erst das zweite Mal, dass wir einen Huemul zu Gesicht bekommen. Zwei Nationalpark-Ranger helfen ihm quasi über die Straße. Ich komme so zu schönen und gleichzeitig seltenen Fotos. Denn diese südamerikanische Hirschart ist vom Aussterben bedroht und nur äußerst selten anzutreffen.

Indian Summer in Süd-Chile
Indian Summer in Süd-Chile
Huemul, vom Aussterben bedrohte Hirschart
Huemul, vom Aussterben bedrohte Hirschart

In Coyhaique steht zum zweiten Mal auf unserer Reise nach Asunción, Paraguay, ein Öl- und Filterwechsel nebst Abschmieren an. In einem sogenannten Lubricentro bekommen wir noch am gleichen Tag einen Termin. Ich hätte gerne Motoröl 10W40, und aus einem 10W40-Plastikbehälter wird dann auch Öl in den Motor eingefüllt. Später bemerke ich allerdings, dass das Öl aus einem Fass mit 15W40 stammt. Ein passender Luftfilter für Leoni ist nicht verfügbar und kann auch nicht besorgt werden, so dass ich einen aus den eigenen Beständen opfern muss. Weiterhin muss ich den Monteur darauf hinweisen, dass nicht nur der Dieselfilter, sondern auch der Diesel-Vorfilter ausgetauscht werden muss. Den hatte er glatt übersehen. Und zu guter Letzt teilt man mir noch mit, dass man das Abschmieren leider gar nicht durchführen kann. Stattdessen bekomme ich eine Adresse, wo das Abschmieren angeblich durchgeführt werden kann. Diese Information erweist sich als falsch, und wir werden weitergeschickt. Beim nächsten Versuch klappt das Abschmieren dann, die Schmierstellen an der Aufhängung der Blattfedern werden aber vergessen und erst auf meine Aufforderung hin in Angriff genommen. Einer der Schmiernippel im Frontbereich nimmt keine Schmiere an. Zur Behebung dieses Problems werden wir zu einem Mecánico ein paar Straßen weiter geschickt, den wir zunächst nicht finden können. Der baut den Schmiernippel aus, bringt das Ganze wieder in Ordnung, schmiert die vorher defekte Stelle ordnungsgemäß ab und will für seine Bemühungen dann noch nicht mal ein Entgelt. Das Abenteuer Wartung von Leoni ging dieses Mal im Gegensatz zu Asunción zwar über etliche Stationen, konnte aber letztlich innerhalb weniger Stunden erfolgreich abgeschlossen werden.

Denkwürdiges Schild am Rand der Carretera Austral
Denkwürdiges Schild am Rand der Carretera Austral

Bei der Weiterfahrt auf der Carretera Austral in Richtung Norden treffe ich auf einen alten Bekannten. Es handelt sich um ein denkwürdiges Straßenschild, auf dem die Entfernungen zu den weit im Norden gelegenen chilenischen Städten angezeigt werden: u.a. Santiago 1639 km, Arica 3704 km. Hier wird einem die gigantische Nord-Süd-Ausdehnung des Landes extrem bewusst. Genau dieses Schild hatte ich auch schon bei meiner ersten Reise auf der Carretera Austral vor gut 23 Jahren bewundert und fotografiert. Inzwischen hat der Zahn der Zeit erkennbar am Schild genagt. Außerdem steht es nicht mehr wie damals am Rand einer abenteuerlichen Schotterpiste, sondern an einer inzwischen sauber asphaltierten Teilstrecke der Carretera Austral. Was im Vergleich zu damals gleich geblieben ist, ist das Wetter. Regen. Südchilenischer Standard.

Im Parque Nacional Queulat
Im Parque Nacional Queulat

Nördlich von Puerto Cisnes im Bereich des landschaftlich stark beeindruckenden Parque Nacional Queulat ist die Carretera Austral eine einzige Baustelle. Aus der vergleichsweise schmalen Schotterpiste wird eine breite Asphaltstraße gemacht. Wir müssen über eine Stunde warten, weil Sprengarbeiten im Gange sind. Im Stau ergeben sich allerdings interessante Gespräche mit anderen Reisenden, so dass uns die Zeit nicht allzu lang wird. Der außerordentlich schön gelegene Campingplatz im Nationalpark, den ich noch von meiner ersten Reise her kenne, ist ärgerlicherweise geschlossen, weil sich die Parkranger genau wie die Zöllner im Streik befinden. Immerhin lässt man uns am nächsten Tag in den Park hinein und auf den Wanderweg zum Ventisquero Colgante, dem Hängenden Gletscher. Das Wetter ist ausnahmsweise ganz hervorragend, und wir genießen den Weg durch den dichten Regenwald hinauf zum Mirador sowie die tolle Aussicht, die wir von dort auf den Gletscher haben, in vollen Zügen.
Foto Ventisquero Colgante  Ventisquero Colgante, der Hängende Gletscher, das Wahrzeichen des Parque Nacional Queulat
Foto Hildegard im Wald  Auf dem Rückweg vom Mirador Ventisquero Colgante
Puyuhuapi liegt am Nordende eines weit ins Land hineinreichenden Meeresarms. Der Ort wurde 1935 von vier Sudetendeutschen gegründet und wirkt wie ein Wildwest-Dorf. Obwohl es überall Hostals gibt und Puyuhuapi außer von der Lachszucht weitgehend vom Tourismus lebt, haben praktisch alle Restaurants geschlossen. Nur mit Mühe finden wir ein geöffnetes Lokal. Beim Bezahlen sorgen die Rechenkünste der Südamerikaner bei uns immer wieder für Erheiterung. So auch hier. Das Essen kostet 10.000 Pesos pro Person, die Flasche Wein 11.000 Pesos. Auf der fein säuberlich ausgedruckten Rechnung steht: 2 x 10.000 + 11.000 = 21.000 Pesos, plus 10% Bedienung in Höhe von 2.100 Pesos. Es ist wirklich schwer zu glauben. Wir weisen auf den Fehler hin, zahlen den richtigen Betrag und verabschieden uns.

Kirche in Puyuhuapi
Kirche in Puyuhuapi
Termas del Ventisquero in der Nähe von Puyuhuapi
Termas del Ventisquero in der Nähe von Puyuhuapi

In den Termas del Ventisquero 7 km südlich von Puyuhuapi verleben wir einen herrlich geruhsamen Nachmittag. Wir haben drei kleine und einen großen Pool fast für uns alleine. Nur ein chilenisches Pärchen ist außer uns anwesend. Das Meer reicht bis unmittelbar an die Pools heran, und jagende Delfine nähern sich uns bis auf etwa 10 m. Die meiste Zeit ist es bewölkt, zeitweise regnet es, und nur ganz am Ende kommt mal kurz die Sonne raus.

Baustelle auf der Carretera Austral nördlich von Puyuhuapi
Baustelle auf der Carretera Austral nördlich von Puyuhuapi

Nördlich von Puyuhuapi wühlen wir uns gleich wieder durch eine riesige Baustelle, wo über viele Wochen hinweg nur vormittags Fahrzeuge durchgelassen werden. Irgendwann ist auch diese Baustelle überstanden, und urplötzlich fahren wir auf bestem Asphalt. Kurz darauf kommt wieder Piste, dann wieder Asphalt. Dies wiederholt sich mehrfach und ist immer wieder überraschend. Die Logik hinter diesem abschnittsweisen Straßenbau bleibt uns verborgen.
In El Amarillo erreichen wir das Südende des Parque Pumalin (Ort, wo der Puma wohnt). Dieser Park ist eine Besonderheit. Er gehört dem Amerikaner Douglas Tompkins und ist mit knapp 3.000 km2 der größte private Park der Welt. Tompkins gründete u.a. die Outdoor-Firma The North Face und war Miteigentümer der Modefirma Esprit. 1990 verkaufte er seine Anteile und begann, in Süd-Chile zusammenhängende Urwaldgebiete aufzukaufen. In mancherlei Beziehung ist Pumalin vorbildhaft. Es gibt eine tolle Infrastruktur mit Wanderwegen und Campingplätzen im Park. Andererseits finden wir zum Beispiel auf genau diesen Campingplätzen mit Rollrasen ausgelegte Wegränder, was wir dann doch übertrieben finden. Der Zufahrtsbereich am Südende erinnert mehr an einen Golfplatz als an einen Naturpark. Und die sehr einheitlich gestalteten Hinweisschilder, die wir überall am Straßenrand finden, sind sehr edel in dunklem Holz ausgeführt und geschnitzt, aber im Vorbeifahren kaum lesbar. „Form follows function“ wurde hier nicht ausreichend berücksichtigt. Dass der in ausländischem Besitz befindliche Park manchen Chilenen ein Dorn im Auge ist, war uns schon in Coyhaique klar geworden. Hier sahen wir ein Plakat mit der Aufschrift „Patagonia sin Tompkins“ (Patagonien ohne Tompkins).
Wir übernachten zwei Mal im Parque Pumalin. Bei leider extrem schlechtem Wetter, vor allem in der ersten Nacht. Es regnet ununterbrochen. Und zwar nicht ein bisschen, sondern kräftig. Das ständige, monotone Rauschen des Regens auf Leoni ist für uns ein völlig neues Erlebnis. Am Morgen ziehen wir erstmals auf unserer Reise unsere Stiefel an und behalten diese auch den ganzen Tag an den Füßen, was sich als sehr weise Entscheidung herausstellt. Es steht praktisch alles unter Wasser, egal wo wir hinkommen. Sogar auf einer kleinen Wanderung, die wir trotz des Regens antreten, müssen wir umkehren, weil der Wanderweg so hoch überflutet ist, dass auch unsere Stiefel nicht mehr ausreichen.

Riesige Nalca-Pflanzen im Parque Pumalin
Riesige Nalca-Pflanzen im Parque Pumalin

Im Parque Pumalin sind die Nalca-Pflanzen noch größer als wir sie weiter südlich am Straßenrand und im Wald gesehen haben. Diese Rhabarber-Art ist essbar, hat regenschirmgroße Blätter und wird locker bis 3 m hoch. Hildegard steigt trotz des strömenden Regens aus dem Auto aus, damit ein fotografischer Größenvergleich möglich wird.
Auch als wir im Ort Chaitén ankommen, regnet es in Strömen. Daher sehen wir nicht sehr viel von den extremen Verwüstungen, die der Ausbruch des Vulkans Chaitén im Mai 2008 angerichtet hat. Bei Naviera Austral buchen wir für den nächsten Tag zwei notwendige Fährpassagen von Caleta Gonzalo nach Hornopirén. Die Carretera Austral ist Richtung Norden nämlich an zwei Stellen unterbrochen. Hier geht es nur noch per Fähre weiter. Das uns in der Schifffahrtsagentur vorgeschlagene Restaurant ziert ein großes Abierto-Schild, ist aber geschlossen (abierto = geöffnet). Dieses Phänomen erleben wir häufig, bei Restaurants, Campingplätzen, Thermen, bei eigentlich allem. Die Saison ist vorbei, die Schilder bleiben.

Durch Ausbruch des Vulkans Chaitén 2008 zerstörter Wald
Durch Ausbruch des Vulkans Chaitén 2008 zerstörter Wald

Wir fahren direkt am Vulkan Chaitén vorbei und bekommen dabei eine Vorstellung von den Naturgewalten, die beim Ausbruch 2008 entfesselt wurden. Der Wald ist in großem Umkreis um den Vulkan herum vernichtet und bietet einen trostlosen Anblick. Den nach dem Ausbruch neu angelegten, sicher sehr interessanten Wanderweg hinauf zum Kraterrand verkneifen wir uns. Der aufmerksame Leser ahnt warum: Es regnet wie aus Eimern.
Gegen 18.30 h fahren wir in Hornopirén von der zweiten Fähre herunter. 12 km weiter ist direkt an der Straße die Therme, die wir als Übernachtungsplatz vorgesehen haben und wo wir am nächsten Morgen baden wollen. Als wir ankommen, stellen wir fest, dass sie geschlossen ist. Wir fahren weiter und finden kurz vor dem Dunkelwerden einen geschickten Übernachtungsplatz auf einer Baustelle zwischen Straße und Fluss, direkt neben einem verlassenen Bagger.
Der Ladezustand der Akkus in der Kabine steht am nächsten Morgen auf 88 Ah. Bei 295 Ah sind die Akkus voll, ab 130 Ah kommen wir in den kritischen Bereich. Eine energetisch so prekäre Situation haben wir bisher noch nie gehabt. Doch das ist nicht das einzige Problem. Die Schrankrollos lassen sich kaum noch bewegen, das Wasser läuft die Wände hinunter. Alles in der Kabine ist nass. Es muss sich ganz schnell etwas ändern. Wir brauchen dringend Energie. Entweder von der Sonne oder aus der Steckdose.

Ergebnislose Suche nach Ursache des Scheinwerfer-Defekts
Ergebnislose Suche nach Ursache des Scheinwerfer-Defekts

Nach dem Frühstück bauen wir den linken Scheinwerfer aus. Dieser hat aus irgendeinem Grunde nur noch ganz schwaches Licht. Aber auch das Austauschen des Birnchens bringt keine Verbesserung. Die alte Glühbirne, die seit Paraguay eingebaut ist, ist völlig in Ordnung. Ob dieses Problem auch mit der Feuchtigkeit zusammenhängt? Wir bauen alles wieder zusammen und fahren ohne Erfolgserlebnis weiter.
In Puerto Varas am Lago Llanquihue, bereits mitten im deutschen Siedlungsgebiet in Süd-Chile, finden wir einen großen, tollen, offenen und absolut leeren Campingplatz direkt am Strand. Dieser hat Wasser und Elektrizität an jedem Stellplatz. Luxus pur also. Und auch der Regen hat aufgehört. Wir hängen Leoni erstmals überhaupt über das mitgebrachte Kabel und einen passenden Adapter ans Stromnetz. Sofort ziehen die Akkus über 40 A und laden und laden. Wir sind erst mal wieder gerettet.
Die Scheinwerfer-Geschichte hat ebenfalls ein Happy end. Der Bosch-Service Neumann in Puerto Varas findet ein abgerissenes und lose im Motorraum baumelndes Massekabel als Ursache. Die Reparatur ist kostenlos, als ich auf meine fast 30 Jahre Bosch-Zugehörigkeit hinweise.

4 Comments

  1. Bernd said:

    Hallo Vulkanflüchtlinge,
    solltet Ihr nicht die Ascheblitze bei Nacht fotografieren?
    Na ja, da unten im Süden ist es ja auch schön und vielleicht bricht ja ein großes Gletscherteil ins Wasser und bildet eine Flutwelle.
    Jedenfalls wollte ich Euch mitteilen, dass das Abschmieren und häufiger Filterwechsel überbewertet wird. Einheimische fahren oft 500.000 km ohne jemals einen Filter zu wechseln. Viel wichtiger ist allzeit sauberer Treibstoff.
    Weiterhin viel Spaß und Schmierfett in Südamerika
    senden Elsbeth und Bernd aus dem sonnigen Lissabon.

    28. April 2015
    Reply
  2. Bernd said:

    noch was:
    Vorsicht beim Duschen. In dem Polizei-Wasser ist evtl. CS-Reizstoff oder Pfeffer. Zum kochen könnt Ihr es aber bedenkenlos nutzen.
    Gruß Bernd

    28. April 2015
    Reply
  3. Frank said:

    Hallo Ihr Zwei,

    durch Zufall bin ich auf eure tolle Reiseseite gestoßen. Auch wir möchten später mal eine Fahrt entlang der Panamericana machen und stöbern daher auf den Webseiten aktuell Reisender.
    Was mir beim Lesen dann noch aufgefallen ist, haben wir uns nicht zufälligerweise oben auf dem Aussichtspunkt Mirador Condor im Torres del Paine Nationalpark getroffen und uns kurz unterhalten? Wir waren am 27./28.03.2015 Dort oben und das könnte mit eurer Reisezeit passen.
    Das wäre ja ein lustiger Zufall.

    So oder so wünsche ich Euch noch eine ereignisreiche Fahrt bis nach Alaska. Ich werde Eure Reise auf alle Fälle weiter verfolgen.

    15. Februar 2016
    Reply
    • Franz said:

      Ja, das wird wohl stimmen. Wir haben uns am Vormittag des 27.3.15 am Mirador Condor getroffen. Die Welt ist klein. 🙂

      20. Februar 2016
      Reply

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