Auf dem Weg zum Nordkap

Eine Reise mit Camper Leoni zum Nordkap hatte ich bereits für 2020 geplant und auch weitgehend vorbereitet. So hatte ich mir beispielsweise damals schon das autopass-Paket besorgt, über das mautpflichtige Tunnel und Brücken in Norwegen per Sensor hinter der Windschutzscheibe erfasst und später per Rechnung abgerechnet werden. Doch Corona machte mir ebenso wie vielen anderen Reisewilligen einen Strich durch die Rechnung. Und auch 2021 wurde aus der Nordkap-Reise nichts. Norwegen hatte erst Mitte Juli wieder die Grenze für Touristen geöffnet, und das war zum einen vorher kaum absehbar und mir außerdem für eine ausgiebige Nordland-Reise deutlich zu spät im Jahr.

Doch 2022 ist es soweit. Ich bin inzwischen vierfach geimpft, bisher von Corona verschont geblieben und hoffe, dass dies während meiner Nordkap-Reise auch so bleibt. Am 13. Juni geht es von Renningen aus los. Nach zwei Zwischenstopps in Deutschland, zuerst bei einem Freund im Münsterland und dann bei der Familie meines Sohnes Karl in der Nähe von Hamburg, geht es weiter nach Dänemark, wo ich an der Marina von Egå nördlich von Århus übernachte, und von Hirthals schließlich mit der Fähre nach Kristiansand in Norwegen. Gebucht hatte ich die Überfahrt vorher nicht, bekomme aber am Hafeneingang der Color Line problemlos ein Ticket und bin schon knappe anderthalb Stunden später mit dem Schiff in Richtung Norwegen unterwegs.

Marina von Egå
Im Hafen von Hirthals

Bei der Abfahrt in Dänemark herrscht noch eitel Sonnenschein, bei der Ankunft in Norwegen gute drei Stunden später dann allerdings nicht mehr. Es regnet, und zwar zeitweise wie aus Eimern. Ich verzichte daher aufs Weiterfahren und bleibe die erste Nacht auf dem etwas sterilen Stellplatz in Kristiansand. Gezahlt wird mit Karte. Ich gebe das Kennzeichen LEONI60 ein, und die Gebühr von 230 Norwegischen Kronen (NOK), was beim aktuellen Kurs von 10:1 fast exakt 23 Euro entspricht, wird abgebucht. Die Papier-Quittung mit Nennung des Kennzeichens kommt als Nachweis hinter die Windschutzscheibe.

Bei der Gelegenheit kann ich gleich anmerken, dass in Norwegen praktisch alles mit Karte bezahlt wird. Dies wird bei jedem noch so kleinen Kauf praktisch immer vorausgesetzt. Norwegisches Bargeld wird manchmal sogar überhaupt nicht akzeptiert, auch in Restaurants, was ich durchaus bemerkenswert finde. Der Versuch, Bargeld, Euro oder Dollar, in Norwegische Kronen zu tauschen, ist sogar ein echtes Abenteuer mit sehr ungewissem Ausgang. Oder richtiger formuliert: Mit dem eigentlich immer gleichen Ausgang: Es gelingt nämlich nicht. Klassisches Beispiel: In Ålesund, einer mittelgroßen Hafenstadt, wo in der Saison fast täglich Kreuzfahrtschiffe mit tausenden Touristen anlegen, gehe ich zu einer Bank mit der offenbar als sehr ungewöhnlich angesehenen Absicht, Bargeld zu tauschen. Der Banker schaut mich erstaunt an und verweist mich an die vorhandenen Geldautomaten oder ATMs. Ich bleibe hartnäckig und will lieber mein mitgebrachtes Bargeld einsetzen. Der Banker schickt mich daraufhin ganz ernsthaft ein paar Häuser weiter in einen Souvenirladen. Vielleicht würden die ja … Ähnliches ist mir bisher nur in Argentinien begegnet. Dort wurde ich bei zweieinhalb Jahrzehnte auseinanderliegenden Reisen zum Geldwechseln von den Banken jeweils in Farmacias, sprich Apotheken, geschickt, was übrigens immer erstaunlich gut funktionierte.

In Ålesund bekomme ich ein paar Minuten nach dem Bankbesuch bei der Tourist Information zum Thema Geldwechsel folgende zwei Aussagen: Erstens ist dies die absolute Standardfrage. Das werden sie hier jeden Tag von Touristen gefragt. Und zweitens gibt es in Ålesund keinerlei Möglichkeit, Geld zu wechseln. Der Idee, diese Situation zu ändern, z.B. durch ein entsprechendes Angebot in der Tourist Information, hat sich offenbar bisher noch niemand allzu konkret angenommen.

Die typischen weißen Holzhäuser Süd-Norwegens, hier in Flekkefjord
Nicht alle Holzhäuser in Süd-Norwegen sind weiß, wie dieses Foto aus Mandal beweist.

Zurück zum Thema Bezahlung von Park- oder auch Übernachtungsgebühren an entsprechenden Automaten. Hier erlebe ich in den ersten Tagen in Norwegen immer neue Überraschungen. Bei fast jedem Parkvorgang ist das Verfahren anders. Erst nach einigen Tagen kommen die ersten Wiederholungen. Beim ersten Parkvorgang nach der Übernachtung in Kristiansand werde ich aufgefordert, das Kennzeichen am Parkautomat einzugeben. Sofort wird mir bestätigt, dass ein Fahrzeug mit diesem Kennzeichen tatsächlich auf den Parkplatz gefahren ist. Vor dem Wegfahren muss ich erneut am Parkautomat das Kennzeichen eingeben, der fällige Betrag wird angezeigt und mit Karte bezahlt. Ein anderes Mal muss ich erst unmittelbar vor dem Verlassen des Parkplatzes zum Parkautomaten und stelle fest, dass LEONI60 auf dem Parkplatz nicht registriert ist, wohl aber LEON160. Um weitere Komplikationen zu vermeiden, akzeptiere ich notgedrungen mein neues Kennzeichen. Nächstes Beispiel: Ich muss nach der Ankunft einen Zettel mit einem QR-Code am Parkautomaten holen und diesen hinter die Windschutzscheibe legen. Die ersten zwei Stunden sind allerdings umsonst. Weil ich schnell genug wieder weg bin, muss ich in diesem konkreten Fall ausnahmsweise nichts bezahlen.

Am spannendsten von den mir begegnenden Fällen ist für mich der Parkautomat in Mandal, vor dem sich bereits ein ganzer Pulk von nicht durchblickenden deutschen Touristen gebildet hat. Meine Eurocard erzeugt bei dem Gerät keinerlei Reaktion. Erst die Visa Card akzeptiert er und wirft einen Zettel mit QR Code aus, der wie üblich hinter die Windschutzscheibe gehört. Vor dem Wegfahren muss ich dann erneut meine Visa Card in den Automaten einspeisen. Das Gerät erkennt diese wieder, berechnet die Parkgebühren und bucht diese ab.

Natürlich kommt auch der Fall vor, dass man eine fest vorgegebene Zeit bucht, die man gleich bezahlt. Und wahrscheinlich gibt es noch etliche weitere Varianten, über die ich bisher noch nicht gestolpert bin. Irgendwie gewöhnt man sich an die beachtliche Vielfalt der Verfahren. Und irgendwie bekommt man es immer hin.

Von Kristiansand aus fahre ich an der Südküste Norwegens entlang in Richtung Stavanger. Diese ist sehr abwechslungsreich und hat landschaftlich sehr viel zu bieten. Hochalpines Gelände, das mich an Yosemite erinnert, wechselt sich ab mit flachem, landwirtschaftlich genutztem Gebiet. Dazwischen wunderschöne, stark gegliederte Küstenabschnitte und vereinzelt sogar Sandstrände. Und die kleinen Städtchen mit den für Süd-Norwegen typischen weiß angestrichenen Holzhäusern versprühen einen ganz besonderen Charme.

Küste am Südkap, dem südlichsten Punkt Festland-Norwegens
Lindesnes Fyr, der Leuchtturm von Lindesnes

Die erste Übernachtung lege ich am südlichsten Punkt Festland-Norwegens ein, am Lindesnes Fyr, dem Leuchtturm von Lindesnes. In seinem naturbelassenen Umfeld sind eine ganze Reihe Wanderwege angelegt, die ich ausgiebig nutze. Das Gelände ist ziemlich unwegsam, und ich bemühe mich aufzupassen, dass ich mir nicht durch eine Unvorsichtigkeit den Fuß verstauche oder gar breche – wie letztes Jahr in den ukrainischen Waldkarpaten geschehen.

Das Südkap von Norwegen habe ich also immerhin schon mal geschafft, fehlt nur noch das wesentlich bekanntere Nordkap. Das ist allerdings noch einige tausend Straßenkilometer entfernt.

Ein Stück weiter, südlich der Kleinstadt Egersund, finde ich einen wunderschönen Übernachtungsplatz direkt am Meer. Und hier stelle ich mit Erschrecken fest, dass die SOG-Toilettenabsaugung in Leonis Kabine nicht richtig funktioniert. Mal funktioniert sie noch ein bisschen, mal gar nicht mehr. Ich lese das Manual durch, baue den ziemlich verdreckten Filter aus, für den ich leider keinen Ersatz dabeihabe, wasche ihn aus, trockne ihn in der Sonne und baue ihn wieder ein. Und siehe da, es funktioniert. Am nächsten Morgen zunächst auch noch, doch eine Stunde später dann gar nicht mehr. Nun ist eine nicht funktionierende Toilettenabsaugung keine Katastrophe und schon gar kein Show Stopper, aber eine spürbare Einschränkung des Komforts schon.

Im Internet finde ich in Stavanger den Wohnmobil-Verleiher SOLA BOBIL und beschließe, dort mein Glück zu versuchen. Es handelt sich, wie ich vor Ort feststelle, um eine beträchtlich große Firma, mit Ausstellungsräumen, einem Verkaufsshop und einer Werkstatt. Und draußen vor der Tür stehen dutzende Womos, die auf ihre Vermietung warten. Der Verkaufsshop hat erfreulicherweise genau zwei Original-SOG-Filter vorrätig, die ich beide erwerbe. Auf ein technisches Gespräch zur möglichen tatsächlichen Fehlerursache will sich der Verkäufer aber nicht einlassen. Denn das ist der Filter allein sicher nicht. Er holt lieber einen Spezialisten aus der Werkstatt. Dieser kennt erfreulicherweise das SOG-System und sieht sich die Situation bei Leoni konkret an. Er baut das komplette System aus und ermittelt zügig die Ursache des Problems. Das Lüfterrad ist blockiert, der kleine Motor möglicherweise auch. Und zwar durch eine Vielzahl kleiner brauner Käfer und deren Überreste und Ausscheidungen. Ob wir diese in Patagonien, Kolumbien, Australien oder sonstwo an Bord genommen und seither als Haustiere mitgeführt haben, bleibt ungeklärt, ist aber letztlich auch egal.

Ebenfalls ungeklärt ist zunächst auch, wie es mit einem Ersatz für die defekte SOG-Anlage aussieht. Auf meine entsprechende Frage hin zuckt der junge Mann mit den Schultern, verschwindet im Gebäude und kommt nach ein paar Minuten mit einer noch originalverpackten SOG-Absaugungsanlage zurück. Ich fühle mich wie vom Glück geküsst. Innerhalb von ein paar Minuten ist das Ganze verbaut – und funktioniert tadellos. Das Problem ist gelöst.

Stellplatz am Meer südlich von Egersund
Schnelle und unbürokratische Hilfe bei SOLA BOBIL in Stavanger

Ein anderes leidiges Thema, an dem auch in Norwegen für alle Autotouristen kein Weg vorbeiführt, betrifft das Tanken. Sprit war in Norwegen noch nie billig, und durch den Ukraine-Krieg ist die Situation nicht besser geworden. Die Dieselpreise, die ich in den ersten Wochen zu sehen bekomme, liegen zwischen 23,69 NOK und 28,04 NOK pro Liter, was ja etwa 2,37 Euro bis 2,80 Euro entspricht. Das ist zum einen viel Geld, und zum anderen ist die Preisspanne mit einem Unterschied von ca. 43 Eurocent sehr beträchtlich.

Bei meinem ersten Tankvorgang in Norwegen wenige Kilometer vor Flekkefjord tanke ich für 24,59 NOK, um kurz darauf festzustellen, dass der Diesel am Ortseingang vielleicht zwei oder drei Kilometer weiter 28,04 NOK kostet. Das sind umgerechnet ca. 34 Eurocent mehr. „Meine“ Tankstelle hat zugegebenermaßen allerdings die Besonderheit, dass sie ohne Personal auskommt. Das Verfahren funktioniert so: Kreditkarte einführen und dann PIN eingeben, Zapfpistole entnehmen und tanken. Bei 1.500 NOK schaltet das System ab. Also erneut Kreditkarte einführen und PIN eingeben, Zapfpistole erneut entnehmen und volltanken. Wenn man Glück hat, bekommt man eine Papier-Quittung. Dieses Mal ist das auch so. Später bei einem anderen Mal bekomme ich zum Thema Quittung „Funktion nicht verfügbar“ angezeigt und kann nur hoffen, dass richtig abgerechnet wird.

Extrem hoher Dieselpreis in Flekkefjord: 28,04 NOK, ca. 2,80 Euro pro Liter

Auf dem Weg zum Preikestolen (Predigtstuhl), einer weithin bekannten natürlichen Aussichtsplattform oberhalb des Lysefjords, die auf drei Seiten 600 m tief praktisch senkrecht zum Fjord hin abfällt, schickt mich das Navigationssystem von Stavanger aus durch einen endlos langen Tunnel, der unter einem Meeresarm hindurchführt. Und hier stoße ich zum ersten Mal auf das Thema autopass. Auf einem Schild steht etwas von 420 NOK Benutzungsgebühr für Fahrzeuge > 3,5 t, zu denen Leoni leider zählt. Das sind satte 42 Euro. In den nächsten Wochen werde ich noch häufiger mit ähnlichen Schildern Bekanntschaft machen. Da liegen die Werte aber mit gewissen Ausnahmen eher zwischen 5 und 10 Euro. Nur bei den Fähren bleibt zunächst immer alles vage, d.h. ohne Nennung konkreter Kosten. Ich bin gespannt, ob und wie die Abrechnung im Einzelnen funktioniert. Ein akustisches Signal von meinem an der Windschutzscheibe befestigten autopass-Sensor höre ich übrigens entgegen meiner Erwartung nie.

Bei meiner Ankunft auf dem Campingplatz von Preikestolen regnet es, doch im Informationszentrum gibt man Entwarnung. Der Wetterbericht sagt nämlich für den nächsten Vormittag Sonne voraus. Erst mittags soll Bewölkung aufziehen und abends dann Regen kommen. Das würde ja passen.

Das Problem: Am nächsten Morgen regnet es. Zwar nicht in Form eines Wolkenbruchs, es handelt sich eher um Nieselregen. Alles ist nebelverhangen. Ich ziehe Regenkleidung an und fahre hoch zum wenige Kilometer entfernten Parkplatz Preikestolen, der übrigens pro Fahrzeug 250 NOK kostet, also 25 Euro. Ein sehr stolzer Preis. Dafür ist immerhin der Zugang zum Preikestolen kostenfrei. Ich bin früh gestartet, und es herrscht noch kaum Betrieb. Auf einem aufwändig präparierten Weg geht es sehr steil hoch, ich überhole bis oben ganze 5 Personen, und mir kommen vielleicht 10 Leute entgegen. Mehr nicht. Der Weg ist insgesamt ziemlich anstrengend. Nach knapp zwei Stunden bin ich oben.

Preikestolen im Nebel
Nicht nur ich selbst bin da, …
… auch ein paar Babys haben es in Tragegestellen bis ganz oben geschafft.

Die geschätzte Sichtweite beträgt weniger als 50 m. Vom Lysefjord sieht man folglich gar nichts. Meine Fotos sind entsprechend. Im Internet gibt es deutlich bessere. Der interessierte Leser kann sich dort informieren, wie es am Preikestolen an anderen Tagen und bei halbwegs „normalem“ Wetter aussieht.

Trotz des trüben Wetters sind oben auf der Plattform bei meiner Ankunft immerhin schon einige Leute versammelt, die versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Nach einer halben Stunde mache ich mich auf den Rückmarsch. Ich bin nass geschwitzt, und mir wird langsam kalt.

Auf dem Wanderweg hat sich die Situation ggü. dem Aufstieg komplett geändert. Der Regen lässt langsam nach und hört schließlich ganz auf. Die Nebelschwaden verziehen sich. Mir kommt eine regelrechte Prozession von Menschen entgegen, darunter auffallend viele Italiener. In Stavanger muss ein italienisches Kreuzfahrtschiff festgemacht haben, dessen Passagiere dann mit Bussen hierher gekarrt wurden. Ich kann auf dem Rückweg nicht mehr ansatzweise da gehen, wo ich will, denn praktisch jeder passende Trittstein ist schon von irgendjemandem blockiert. Dadurch steigt natürlich die Sturzgefahr. Doch ich komme heil bei Leoni an. Meine Bekleidung ist durchgängig klatschnass geschwitzt. Noch auf dem Parkplatz stehen folglich eine Dusche und ein Kleiderwechsel an. Als ich mich neu angezogen habe, kommt dann tatsächlich die Sonne raus. Es ist völlig verrückt.

Auf der Weiterfahrt Richtung Norden halte ich mich ein paar Tage südlich des Hardangerfjords auf. In den Folgefonna und Hardangervidda Nationalparks locken einige wunderschöne Wanderwege mit Ausblicken auf imposante Gletscher und Wasserfälle. Eine dieser im Rother Wanderführer Norwegen Süd beschriebenen Wanderungen auf der Westseite des Folgefonna Nationalparks zum Gletscherfall des Bondhusbrea wird mir lange in Erinnerung bleiben. Nicht etwa, weil die Wanderung so toll ist, denn das ist sie eigentlich gar nicht, sondern aus anderen Gründen. Das Ziel soll ein überwältigender Blick auf genannten Gletscherfall sein, der auch im Buch mit großem Foto abgebildet ist.

Die Strecke im hinteren Teil der Wanderung ist sehr steil, sehr matschig, sehr mühsam und wenig attraktiv. Aber der versprochene tolle Aussichtspunkt lockt mich weiter. Am Ziel angekommen bin ich zunächst nur irritiert, denn vom Gletscher ist nichts zu sehen, absolut gar nichts. Ich vergleiche das Foto im Buch mit der Wirklichkeit und fange langsam an zu verstehen: Das Buch ist von 2017, das Foto also mindestens 5 Jahre alt, und die Gletscherzunge ist in dieser Zeit komplett weggeschmolzen. Der Klimawandel hat zugeschlagen.

Im Wanderführer ist die Gletscherzunge noch da, in Wirklichkeit nicht mehr.

Schönere Erinnerungen habe ich an eine Wanderung auf der Ostseite des Folgefonna Nationalparks, weniger als 10 km von Odda entfernt. Hier bekomme ich den Gletscher von der anderen Seite in voller Schönheit zu sehen. Was die ebenfalls angesprochenen Wasserfälle betrifft, ist das Husedalen bei Kinsarvik eine besonders gute Wahl. Der Wanderweg hier führt in den Hardangervidda Nationalpark hinein und begeistert durch mehrere vom Fluss Kinso gebildete absolut fantastische Wasserfälle.

Auf der Ostseite des Folgefonna Nationalparks
Wasserfall Nyastoelfossen im Hardangervidda Nationalpark

Auf dem Weg nach Eidfjord auf der Südseite des Hardangerfjords bin ich irgendwann wieder in einem der unzähligen norwegischen Tunnel unterwegs. Plötzlich kommt ein Kreisverkehr. Mitten im Tunnel. Ich bin völlig fasziniert, denn so etwas habe ich noch nie erlebt, biege prompt falsch ab und finde mich ein paar hundert Meter weiter auf einer riesigen Brücke über den Hardangerfjord wieder. Auf der anderen Seite geht es direkt wieder in einen offenbar endlos langen Tunnel hinein. Entgegen allen Verkehrsregeln wende ich auf der Brücke, zersplittere am Geländer beim etwas ungestümen Rückwärtsfahren das Glas am rechten Rücklicht, fahre zurück zu besagtem Kreisverkehr und sehe jetzt auch das vorher von mir unbemerkte autopass-Schild, das 350 NOK für die Brücken- bzw. Tunnelbenutzung anzeigt. Wenn ich Pech habe, darf ich diesen netten Betrag jetzt wohl zweimal bezahlen. Je nachdem, wo der messende Sensor steht.

Ein paar Tage später bin ich auf dem Weg nach Bergen erneut – und dieses Mal in voller Absicht – auf besagter Brücke unterwegs und werde somit die 350 NOK ein weiteres Mal auf meine Rechnung gesetzt bekommen.

Mein Tagesziel, die alte Hafen- und Hansestadt Bergen mit ihren Kontoren im Stadtteil Bryggen, war im Mittelalter eine der besonders wichtigen ausländischen Zentralen der Hanse. Zeitweise lebten bis zu 2.000 deutsche Händler hier. Der Glanz der reichen und ruhmreichen Vergangenheit von Bergen lässt sich beim Bummel durch das überaus imposante Bryggen auch heute noch erahnen. 1979 kam Bryggen als erste norwegische Weltkulturerbestätte auf die entsprechende Liste der UNECO.

Im Hafen von Bergen
Die Kontore von Bryggen

Mein Stellplatz in Bergen liegt in einem Vorort und ist perfekt mit der S-Bahn ans Zentrum angebunden. Der Ticketkauf gestaltet sich erfreulicherweise ganz einfach. Ich wähle am Automaten als Zahlungsmethode statt einer alternativ angebotenen speziellen Bergener App die Variante Kreditkarte und zahle mit dieser. Bei der Rückfahrt ist dann jedoch alles anders. Es gibt jetzt nämlich die Alternative Kreditkarte nicht mehr, und Barzahlung sowieso nicht. Ich brauche folglich die nun einzig als Zahlungsmethode zugelassene App, scanne auch brav den angebotenen QR-Code ein, erhalte als Ergebnis aber nicht etwa die gewünschte Bergener Spezial-App, sondern verrückterweise die des Jobvermittlers indeed, vielen sicher bekannt aus der Fernseh-Werbung mit Eintracht Frankfurt. Mehrere Versuche bringen immer dasselbe erstaunliche Ergebnis. Auch die in Anspruch genommene Hilfe mehrerer Passanten bringt mich nicht weiter.

Meine S-Bahn steht derweil abfahrbereit am Bahnsteig. Ich klopfe beim Fahrer ans Fenster und verhandele mit diesem. Doch auch er kann mir keine Fahrkarte verkaufen. Schließlich meint er resigniert, wenn das mit der App nicht funktioniere, müsse ich eben so mitfahren. Damit werde ich also ungewollt und halboffiziell zum Schwarzfahrer gemacht. Ein Kontrolleur taucht zum Glück auf der Fahrt nicht auf.

Weitere absolute Höhepunkte auf meinem weiteren Weg nach Norden sind mehrere der berühmten norwegischen Stabkirchen, darunter auch die ebenfalls von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannte Stabkirche von Urnes, die ich auch als Einleitungsbild über diesen Beitrag gesetzt habe.

Der deutsche Begriff Stab in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht ziemlich ungeschickt gewählt, denn in Wirklichkeit handelt es sich dabei um massive Eichenstämme von etwa 8 m Länge, die im Wesentlichen das gesamte Gebäude tragen. Die Füße dieser Pfeiler sind jeweils deutlich dicker als der Rest. Es sind die Übergänge zum Wurzelstock und somit die kräftigsten Bereiche des Baumes. Das Holz der Stabkirchen ruht auf einem Steinfundament, kommt also nicht mit dem nassen Untergrund in Berührung. Daraus resultiert der gute Erhaltungszustand.

Das Holz für die Pfeiler von Urnes wurde, wie aus den Jahresringen abzulesen ist, im Winter 1129/1130 geschlagen. Urnes gilt damit als die älteste der noch verbliebenen Stabkirchen. Die Mehrzahl der Stabkirchen wurde in den Jahren zwischen 1130 und 1350 gebaut. Dann sorgte der europaweite Ausbruch der Pest für ein Ende des Kirchenbaus.

Ursprünglich gab es in Norwegen wohl weit über 1.000 der weltweit einzigartigen Stabkirchen. Erhalten sind davon ganze 28. Bis auf eine stehen alle in Norwegen. Die Ausnahme ist eine Stabkirche in Schlesien, die 1841 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gekauft, abgebaut und in Brückenberg (heute Karpacz Górny) wiederaufgebaut wurde.

Innerhalb von 24 Stunden habe ich die Gelegenheit, mir der Reihe nach drei Stabkirchen anschauen, zuerst die in Hopperstad, dann die in Urnes und schließlich diejenige in Lom. Ein paar Tage vorher hatte ich schon die Stabkirche in Røldal besucht. Alle vier Stabkirchen sind nach dem gleichen Prinzip gebaut, wirken aber, vor allem im Innern, zum Teil völlig unterschiedlich auf mich. Dies liegt zum großen Teil an den Umbauten, die im Laufe der Jahrhunderte durchgeführt wurden und den in dieser langen Zeit veränderten Vorstellungen der Menschen.

Die Stabkirche von Røldal außen …
… und innen. Die tragenden Stäbe (Holzstämme) sind komplett verkleidet und nicht zu sehen.
Die Stabkirche von Hopperstad außen …
… und innen. Die tragenden Stäbe (Holzstämme) sind gut zu sehen.
Und schließlich die Stabkirche von Urnes, als einzige Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, …
… sowie diejenige von Lom

Auf dem Weg vom Sognefjord, dem längsten aller norwegischen Fjorde, nach Lom nehme ich die Sognefjelletstraße unter die Räder. Es geht steil immer weiter bergauf bis zum höchsten Punkt auf 1.434 m, dem höchsten Gebirgspass Nordeuropas. Dichter Nebel mit Nieselregen macht das Fahren in den engen Serpentinen schwierig. Oben liegt für meine Begriffe noch erstaunlich viel Schnee. Die Temperatur geht runter bis auf sehr frische 7 Grad. Das Wetter ist so schlecht, dass ich so gut wie keine Fotostopps einlege.

Auf der Sognefjelletstraße

Auf dem weiteren Weg von Lom nach Geiranger tauchen auf den Wildwechselschildern statt der bisher verwendeten Hirsche auf einmal Elche auf, was ich aber nicht richtig ernst nehme. Doch nur ein paar Kilometer weiter steht plötzlich ein Elchbulle erkennbar leicht verunsichert am linken Straßenrand. Ich halte an, greife nach der neben mir liegenden Kamera, erwische den Elch aber nur gerade noch, bevor er nach Überquerung der Straße rechts im Unterholz verschwindet.

Zunächst nicht ernst genommenes Warnschild, …
… doch kurz darauf kommt tatsächlich ein Elch.

Der erste Blick auf Geiranger und den weltberühmten Geirangerfjord ist dann wenig begeisternd. Alles liegt in dichtem Nebel, und es ist winterlich kalt. Das am Kai liegende Aida-Kreuzfahrtschiff ist kaum zu erkennen. An der Rezeption des Campingplatzes direkt neben dem Hafen wird mir dann aber für den nächsten Tag herrliches Wetter versprochen, was ich etwas ungläubig zur Kenntnis nehme.

Doch am nächsten Morgen ist tatsächlich alles anders. Die Wolken verziehen sich nach und nach, und die Sonne lacht bald vom ungetrübten blauen Himmel. Am Kai liegt inzwischen ein anderes Kreuzfahrtschiff, die MSC Grandiosa. Mittags starte ich mit einem Ausflugsboot zu einer Besichtigungstour durch den Geirangerfjord. Das Boot ist absolut proppenvoll, im Wesentlichen mit Kreuzfahrtschiff-Touristen. Es wird folglich eine Tour von der Sorte „Alone with nature and several hundred of your best friends“.

Alle Passagiere wollen genau wie ich draußen auf dem Deck sein. Drinnen ist es dadurch praktisch leer. Ich habe nicht einmal die Chance, mich irgendwo festzuhalten, was etwas später auch sehr konkrete Auswirkungen hat. Denn am Wendepunkt der Fahrt ist mein Kamera-Chip voll. Ich habe zwar einen Ersatz-Chip dabei, aber absolut keine Chance, diesen auch einzusetzen. Denn der Chip befindet sich gut verstaut in meinem Gürtelbeutel, und ein Chipwechsel ist unter den gegebenen Umständen technisch einfach unmöglich. Was aber letztlich nicht weiter schlimm ist. Denn die Fotos vom Schiff aus spiegeln ohnehin nicht annähernd das wirklich absolut fantastische Panorama des Geirangerfjords wider.

Leoni und Kreuzfahrtschiff in Geiranger quasi Seite an Seite
Bootstour auf dem Geirangerfjord (Alone with nature etc.)

Am nächsten Morgen liegt wieder ein neues Schiff am Kai, dieses Mal eines der TUI-Mein-Schiff-Reihe. Ich weiß nicht, wie die Einwohner von Geiranger das aushalten. Das Wetter ist weiterhin hervorragend, und bei meiner Weiterfahrt in Richtung Eidsund bekomme ich das weltberühmte Panorama des Geirangerfjords von der Passstraße aus, quasi aus der Vogelperspektive, exklusiv vor die Kamera geliefert.

Geirangerfjord ohne Menschen

Die Insel Runde südlich von Ålesund ist als Vogelinsel bekannt. Neben anderen Seevögel-Kolonien (Basstölpel, Kormorane, auch Seeadler) beherbergt sie Norwegens südlichstes Brutgebiet der putzigen Papageientaucher. Von insgesamt 100.000 Brutpaaren ist die Rede. Das will ich mir gerne anschauen. Das Problem dabei ist, dass die Papageientaucher typischerweise erst spät am Abend, ca. 19 Uhr bis 24 Uhr, vom Meer zurückkommen, und zwar mit den Schnäbeln voller kleiner Fische, um ihre Jungen damit zu füttern.

Die Insel Runde südlich von Ålesund
Erklärungstafel zum Papageientaucher am Beobachtungspunkt Lundeura

Es ist ein steiler Wanderweg hoch zur Papageientaucher-Kolonie. Deren Nisthöhlen liegen praktisch alle in einem steilen Grashang unterhalb der eingezäunten Beobachtungsstelle Lundeura. Von oben auf die Hinterköpfe von Vögeln geschossene Fotos betrachte ich nun ehrlich gesagt nicht als sonderlich attraktiv. Der Fotoplatz ist aus meiner Sicht also eigentlich denkbar ungeeignet. Zwar fliegen einzelne Tiere mit Fischen im Schnabel hin und wieder fast direkt auf mich zu und verschwinden blitzschnell in Nisthöhlen hinter und über mir. Aber ein gescheites Foto von ihnen zu machen, ist unter diesen Gegebenheiten fast unmöglich. Jedenfalls für mich. Nach zwei Stunden gebe ich auf, und zwar noch bevor das Gros der Papageientaucher vom Meer zurückgekehrt ist. Ohne auch nur ein einziges brauchbares Foto im Kasten.

Auch die Hafenstadt Ålesund ist ein wichtiges Touristenziel in Norwegen. Alle Kreuzfahrtschiffe, die zum Beispiel Geiranger anlaufen, liegen kurz davor oder danach auch in Ålesund am Kai. Das durch den Jugendstil geprägte Zentrum der Stadt geht auf eine Brandkatastrophe im Jahr 1904 zurück, als ca. 850 aus Holz erbaute Häuser – und damit praktisch die gesamte Innenstadt – den Flammen zum Opfer fielen und 10.000 Menschen obdachlos wurden. Mit massiver Hilfe des Deutschen Kaiserreiches wurde die Stadt im Jugendstil wieder aufgebaut, gemäß einem Erlass dieses Mal komplett in Stein. Dem Norwegen-Verehrer Kaiser Wilhelm II wurde daraufhin am Fuß des Aksla-Bergs ein Denkmal gebaut, das man auch heute noch bewundern kann.

418 Stufen führen den Berg Aksla hoch, und wenn man schweißgebadet und atemlos oben ankommt, bietet sich einem ein wirklich toller Anblick auf die auf mehreren Inseln erbaute Stadt, das Meer ringsum und das unvermeidliche Kreuzfahrtschiff am Kai.

Blick vom Aussichtsberg Aksla auf Ålesund
Durch den Jugendstil geprägtes Zentrum von Ålesund

Unten im Stadtzentrum herrscht eine angenehme und beschauliche Atmosphäre. Eine junge Musikerin, die seit sieben Jahren mit ihrem Segelschiff Lady Flow und einer kleinen Crew in verschiedenen Ländern Europas unterwegs ist, gibt ein sehr stimmungsvolles Solo-Konzert mit Gesang und Piano-Begleitung. Das Piano ist fest in ihrem Schiff eingebaut und kann für Konzerte auf das Deck hochgefahren werden.

Alter Hafen im Zentrum von Ålesund
Piano-Konzert auf der Lady Flow

Die Attraktion des Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalparks sind die Nachkommen der 1947 dort ausgewilderten Moschusochsen. Diese waren in Kontinentaleuropa seit Jahrtausenden ausgestorben und hatten nur in Grönland und Nordamerika überlebt. Schon auf unserer Panamericana-Tour hatten wir ihnen 2016 in Alaska nördlich der Brooks Range intensiv nachgestellt, ohne auch nur ein einziges Tier zu Gesicht bzw. vor die Kamera zu bekommen.

Erklärungstafel zum Moschusochsen
Im Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark

Jetzt gibt es also eine neue Chance. Ich lasse mir vor Ort erklären, wo sich die Moschusochsen mit einiger Wahrscheinlichkeit aufhalten. Eine Rangerin in der benannten Region erklärt mir dann, dass die Tiere eher einzeln oder zu zweit unterwegs sind und sich in der Fläche stark verteilen. Vor 15 Minuten habe sie aber mit dem Fernglas noch zwei Exemplare gesehen. Sie beschreibt mir die weit entfernte Stelle vor zwei großen Schneeflächen und meint, dort könnte ich mein Glück ja mal versuchen.

Durch weg- und stegloses offenes Gelände laufe ich los, durch eine moorige Heidelandschaft mit viel Matsch und Schlamm, die Berge rauf und runter. Einen Moschusochsen sehe ich nicht. Dabei soll es im Park nach verschiedenen Angaben immerhin 100 bis 300 Exemplare geben. Aber die halten sich alle offenbar gut versteckt. Nach dreieinhalb Stunden bin ich zurück und beschließe, es am nächsten Morgen erneut zu versuchen.

Dieses Mal nehme ich von Kongsvoll aus den markierten Moschusochsenweg. Ein steiler Anstieg durch ein Birkenwäldchen bringt mich auf die offene Hochfläche, wo ich intensiv Ausschau nach meinen Zielobjekten halte. Nach der Besteigung des 1.335 m hohen Høgsnyta habe ich dann eine perfekte Aussicht in alle Richtungen. Das nützt nur leider nichts. Denn einen Moschusochsen bekomme ich nicht zu sehen. Nach wie gestern erneut dreieinhalb Stunden bin ich zurück bei Leoni. Es war eine wunderschöne Wanderung, aber irgendwie doch ein Misserfolg. Übrigens hatten auch alle anderen Wanderer, die ich unterwegs treffe, bei ihrer Suche nach den Moschusochsen kein Glück.

In Trondheim finde ich problemlos den in einem meiner Reiseführer beschriebenen angeblich kostenlosen Stellplatz unmittelbar neben dem Zentrum, muss aber mit Überraschung feststellen, dass dieser große und so gut wie leere Platz nicht nur nicht kostenlos ist, sondern ein x-fach mit Schildern dokumentiertes eingeschränktes Halteverbot speziell für Camper und Wohnmobile aufweist. Ich bin verärgert, ignoriere das Verbot zumindest vorübergehend und gehe in Richtung Zentrum, um wenigstens den berühmten Nidaros-Dom zu besichtigen, das größte mittelalterliche Bauwerk Skandinaviens und die Krönungskirche der norwegischen Könige. Der Eintrittspreis ist mit 120 NOK etwas sehr üppig ausgefallen, die gotische Kirche dafür aber auch absolut beeindruckend und geradezu fantastisch. Leoni ist zum Glück ohne Strafzettel geblieben, ich verzichte auf die weitere Erkundung von Trondheim und fahre weiter Richtung Norden, um irgendwo einen allseits akzeptierten Übernachtungsplatz zu finden.

Der Trondheimer Nidaros-Dom außen …
… und innen

Hinter Trondheim wird es langsam einsamer und die E6 deutlich leerer. Das Wetter ist und bleibt bescheiden. Zeitweise regnet es geradezu in Strömen. Bis Mo i Rana bleibe ich auf der E6 und mache einfach nur Kilometer. Sogar für Fotostopps ist mir das Wetter zu schlecht. Nur ganz selten kommt mal kurz die Sonne raus. In Mo i Rana biege ich dann von der E6 auf die laut allen Reiseführern landschaftlich besonders attraktive Küstenstraße Kystriksveien Fv 17 ein. Da sich das Wetter aber nicht ändert, hält sich die Attraktivität für mich in deutlichen Grenzen.

Nord-Norwegen ist erreicht.
Die ersten Rentiere
Aquakulturen am Rand des Kystriksveien Fv17

Den Polarkreis überquere ich im Zuge einer längeren Fährfahrt von Kilboghamn nach Jektvik. Eine Durchsage weist auf einen am Ufer stehenden stilisierten Globus hin, der den Polarkreis anzeigt. Am Straßenrand kurz hinter Jektvik übernachte ich schließlich auf einem Parkplatz am Straßenrand und stelle frühmorgens fest, dass am vorderen rechten Seitenfenster kräftig Wasser eingedrungen ist. Die Bettwäsche am Kopfende ist komplett nass. Eine schöne Bescherung und endlich mal wieder was Neues.

Das natürlich fest verschlossene Fenster ist den dagegen prasselnden Wassermassen ganz offenbar nicht mehr gewachsen gewesen. Diesen Fall gab es bisher noch nie, das unterstreicht aber, wie miserabel sich das Wetter zurzeit darstellt. Mit Hilfe von Plastikbehältern stelle ich die Matratzen hoch, damit Luft an die nassen Teile kommen kann, hänge das nasse Bettzeug notdürftig irgendwie auf und stelle am Abend befriedigt fest, dass sich alles wieder ganz trocken anfühlt. Neu abdichten werde ich das Fenster aber doch irgendwann müssen – und Leoni möglichst nicht mehr mit der rechten Seite in den Wind stellen. Zumindest nicht bei Regenwetter.

Dieser von der Fähre aus durch den Nebel fotografierte stilisierte Globus markiert den Polarkreis.
Der Svartisen-Gletscher

Nach dem Frühstück fahre ich dann bei unverändert schlechtem Wetter am Svartisen-Gletscher vorbei und zum Teil sogar in einem Tunnel unter diesem hindurch. So richtig genießen kann ich allerdings die unbestrittene landschaftliche Schönheit des Kystriksveien leider wieder nicht. Bis ich am Tagesziel Saltstraumen ankomme, hat der Regen immerhin aufgehört, so dass ich mir das unglaubliche Naturschauspiel des Saltstraumens gleich zweimal von der großen Brücke aus bei Trockenheit ansehen kann.

Der Saltstraumen ist der stärkste Gezeitenstrom der Welt. Durch einen 2,5 Kilometer langen und etwa 150 Meter breiten Sund strömen im Wechsel der Gezeiten fast 400 Millionen Kubikmeter Wasser zwischen dem Saltfjord am Meer und dem Skjerstadfjord im Inland hin und her. Der Strom erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h, an seinem Rand entstehen gewaltige Strudel. Sie können einen Durchmesser bis zu zehn Metern erreichen und mehr als vier Meter in die Tiefe reichen (Auszug aus Wikipedia).

Alle 6 Stunden kehrt sich der Tidenstrom um. Zeittafeln geben an, wann mit dem stärksten Whirlpool-Effekt zu rechnen ist. An meinem Besuchstag sind die beiden von mir wahrgenommenen Termine kurz nach 17 Uhr und kurz nach 23 Uhr. Ich laufe jeweils hoch auf die große Brücke und fotografiere und filme. Es ist ein wahrlich beeindruckendes Schauspiel und sieht aus wie eine Vielzahl parallel agierender riesiger Whirlpools. Beim ersten Mal fließt das Wasser in die eine, beim zweiten Mal in die andere Richtung. Die Fotos geben die Wirklichkeit allerdings aus meiner Sicht nur sehr unzureichend wieder, die kleinen Videos sind für meine Begriffe deutlich eindrucksvoller.

Auf dem Weg zum Saltstraumen
Brücke über den Saltstraumen
Die faszinierenden Wirbel des Saltstraumens

 

 

Mein nächstes großes Zwischenziel sind die Lofoten, die ich auf dem Seeweg erreichen will. Zwei Drittel der Kapazität der Fähren von Bodø nach Moskenes kann man, wie ich herausfinde, im Internet vorbuchen. Das restliche Drittel wird nach der Methode „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ vergeben. Ich verzichte auf die Vorab-Buchung, bin sehr rechtzeitig im Hafen und werde problemlos mitgenommen.

Ein Mitarbeiter der Reederei Torghatten Nord scannt mit einem Gerät der Reihe nach die Nummernschilder der wartenden Fahrzeuge ohne Reservierung ein. Ich beobachte, dass der vor mir stehende Fahrer daraufhin per Kreditkarte bezahlt. An mir will der Mitarbeiter dann achtlos vorbeigehen. Von mir angesprochen erklärt er mir daraufhin, dass Leoni ja im autopass-System angemeldet und somit bekannt ist. Die Kosten für die Fährfahrt zu den Lofoten würden automatisch auf meine Rechnung gesetzt.

Im Vergleich zur Überfahrt von Dänemark nach Norwegen, die mit 3,25 Stunden praktisch exakt gleich lange dauert wie die jetzt anstehende zu den Lofoten, sind die Kosten mit knapp 100 Euro übrigens erstaunlicherweise nur knapp ein Drittel so hoch.

Einschiffung in Bodø

Um 14.15 Uhr am 7. Juli ist dann bei leichtem Nieselregen nach einer leicht wackeligen Überfahrt der Hafen von Moskenes erreicht. Jetzt muss nur noch das Wetter deutlich besser werden, damit ich die spektakuläre und außergewöhnliche Landschaft der Lofoten optimal genießen kann.

Fortsetzung folgt.

 

 

 

 

 

6 Comments

  1. Huber said:

    Hallo Franz,
    es ist faszinierend Deinen Blog zu lesen! Ich habe weite Teile dieser Reise erstmals im VW-Käfer mit einem Studienfreund gemacht, die nordischen Länder zwischenzeitlich und mit zeitlichem Abstand wieder „erfahren“ und „erlebt“ und sie sind mit und ohne Regen immer wieder eine Reise wert. Wünsche weiterhin sichere und gute Reise und tolle Begegnungen mit Mensch und Natur. Bin gespannt auf Deine nächsten Blogs. Viele Grüße
    Lothar

    9. Juli 2022
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  2. Dieter u Elke Kunz said:

    Hallo Franz,
    Wie alle vorherigen Berichte haben wir auch diesen sehr genossen, wobei wir nur die Fjorde bis Ålesund kennengelernt haben und gedanklich mitfuhren. Wir wünschen Dir weiterhin tolle Eindrücke und eine gute und sichere Fahrt! LG die Kunzens

    9. Juli 2022
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  3. Bernd said:

    Hallo Franz, da hat Dich die „Neue Welt“ mit vernetzten Zahlungssystemen und vollautomatischer Wegelagerei in Norwegen aber voll erwischt. Dazu noch in einer Zeit von politisch gewollter Preistreiberei. Wir hatten ja in Albanien schon darüber gesprochen, dass diese „Neue Welt“ nicht mehr das ist, was uns Globetrottern früher so auf unseren Touren so gefallen hat. Gewiss gab es auch oft Probleme beim Geldwechsel auf der Straße oder Ärger mit einem selbsternannten Parkplatzwächter in Afrika. Doch diese Probleme konnte man noch mit einer greifbaren Person lösen. Mit den Automaten, Karten, Scanner und Kennzeichen-Sensoren geht das nicht mehr, die kennen kein Pardon. Oft sieht man erst hinterher, wie leergeräumt das Konto ist. Jetzt, mit Corona und dem Ukraine-Krieg, muss man ohnehin froh sein, wenn man die Welt noch auf eigene Faust entdecken darf. In diesem Sinne wünsche ich Dir schönes Wetter auf den Lofoten und am Nordkap und noch viele schöne Wanderungen und Reiseeindrücke nördlich des Polarkreises.
    Übrigens: Mach auf jeden Fall die Wanderung auf den Reinebringen über Reine auf den Lofoten und nach Möglichkeit bei gutem Wetter.

    9. Juli 2022
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  4. Ursel und Frieder said:

    Hej Franz,

    auch wir sind seit 5 Wochen in Skandinavien unterwegs und werden nächste Woche den Polarkreis in Schweden erreichen.
    Wir haben unsere Norwegenreise 2019 in umgekehrter Richtung wie du gemacht.
    Unsere Tips:
    – das bezahlen fürs Parken funktioniert in Skandinavien sehr einfach mit der App ‚ EasyPark‘. Es wird sogar minutengenau abgerechnet.
    – ein spezieller Übernachtungsplatz ist hinter Kirkenes an der Barentssee ‚grense Jacobselv‘.

    Weiterhin eine interessante Reise!

    10. Juli 2022
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  5. Jürgen Thoren said:

    Hallo Bruderherz,
    Eine tolle Reise . Vielen Dank , daß du mir die Zeit in der Uniklinik etwas kurzweiliger gestaltest.
    Ich freu mich schon auf die Fortsetzung
    Liebe Grüße Jürgen

    11. Juli 2022
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  6. Hans-Dieter Jedelhauser, Ostfildern said:

    Hallo Franz,
    erst jetzt bin ich dazu gekommen, deine hompage zu lesen. Wir sind uns am Fuße des Eidfjords begegnet und haben uns bei einem Gläschen Wein unterhalten. Unterwegs haben wir uns noch auf der Fähre getroffen, dann aus den Augen verloren. Deine Kommentare und Berichte kann ich sehr gut nachvollziehen, auch die Parkplatzsituationen. In Alesund habe ich den falschen Tarif am Auttomat mit Karte einbezahlt und habe prompt einen Strafzettel über 600 Kronen bekommen. Den hat die Campingplatzbesitzerin in Atna, eine Deutsche, für mich auf ihrem Handy bezahlt und ich konnte es mit meinen Platzgegühren verrechnen.
    Ich wünsche dir weiterhin eine spannende und gesundes Zeit
    Hans-Dieter aus Esslingen/Stuttgart

    23. August 2022
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