Von Armidale über Fraser Island nach Brisbane

Zwischen dem auf 1.000 m über dem Meer liegenden Armidale und der Küste liegt eine ganze Vielzahl von Nationalparks, die einen großen Teil der verbliebenen sogenannten Gondwana Rainforests of Australia abdecken. Es handelt sich dabei um Urwälder, die seit 100 Millionen Jahren bestehen, seit der Zeit, als Australien noch Teil des Superkontinents Gondwana war. Auf Grund der unterschiedlichen Höhenlagen von fast Null bis 1.550 m findet man sehr verschiedene Regenwaldtypen, von subtropisch bis kalt. In den höheren Lagen dominieren Südbuchen, antarctic beeches, die wir schon aus Patagonien kennen, in den unteren Bereichen subtropischer Dschungel. 1986 wurden die Gondwana Rainforests of Australia von der UNESCO als Weltnaturerbe gelistet.

Nordöstliches New South Wales und südöstliches Queensland

Die verschiedenen Nationalparks grenzen oft unmittelbar aneinander. Trotzdem ist es keineswegs so, dass es eine geschlossene Nationalparkfläche gäbe. Auf der Landkarte wirkt das Ganze eher wie ein Flickenteppich. Große Bereiche wurden bei der europäischen Besiedlung im 19. Jahrhundert gerodet, um Viehweiden und Ackerbauflächen zu gewinnen. Und aus den verbliebenen Wäldern wurden, zum Teil bis heute, die wertvollsten und damit häufig dicksten Bäume gefällt und abtransportiert. Nach und nach erklärte man jedoch immer mehr Areale zum Nationalpark oder gliederte diese in bereits bestehende ein. Und so findet man häufig mitten in den Parks gewaltige Baumstümpfe, die auf die Holzfällaktionen früherer Zeiten hinweisen.

Doch die Wunden der Vergangenheit in den Parks verheilen langsam, und die Dimensionen der verbliebenen Waldflächen sind durchaus riesig, wie eigentlich alles in Australien. Da so gut wie keine Straßen in die Nationalparks hineinführen, sondern nur daran vorbei, sind die Parks geradezu ein Paradies für Wanderer. Die vielen ausgewiesenen Wanderwege eignen sich allerdings in der Regel eher nicht für einen entspannten Sonntagsnachmittagsspaziergang, sondern sind meistens etwas anstrengender und anspruchsvoller. Doch auch für Besucher in Badelatschen und Stöckelschuhen wird gesorgt. Es gibt eine Vielzahl von Aussichtspunkten direkt neben Parkplätzen mit zum Teil phantastischen Panoramen. In Summe ist es dann wie fast überall auf der Welt: Die Lookouts sind voll, die Wanderwege ab einem gewissen Abstand von den Parkplätzen leer. Was eigentlich gar nicht so schlecht ist.

Auf dem sogenannten Waterfall Way, der nicht zufällig so heißt, verlassen wir Armidale in Richtung Küste. Schon nach ca. 40 km machen wir im Oxley Wild Rivers National Park Halt. Hier haben verschiedene Flüsse tiefe Schluchten in das New England Plateau gefräst. Am Wollomombi Wasserfall stürzt sich hier der Wollomombi River über 220 m in die Tiefe. Wenn er denn Wasser führt. Bei unserem Besuch ist leider fast keins da, und wir fürchten schon, dass das bei den anderen Wasserfällen am Waterfall Way genauso ist. Eine unbegründete Sorge, wie sich noch herausstellen soll.

Am Eingang zum Oyley Wild Rivers National Park
Schlucht im Oxley Wild Rivers National Park

Als wir uns in der Nähe unseres Übernachtungsplatzes umsehen, sage ich spaßeshalber zu Hildegard: „Und zeige mir bitte jeden Leierschwanz, den Du siehst!“ Ich habe den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als ich einen dieser relativ seltenen und scheuen Vögel entdecke. Ein kaum zu glaubender Zufall. Es handelt sich um ein Männchen. Und keine Minute später sehen wir ganz in der Nähe auch ein Weibchen. Die beiden Vögel sind allerdings im dichten Unterholz unterwegs, und mir gelingt kein einziges Foto. Aber immerhin haben wir sie jetzt schon mal gesehen.

Der knapp fasanengroße Lyrebird oder Leierschwanz, der auch das Wappen des National Parks & Wildlife Services von New South Wales ziert, ist ein ganz besonderer Vogel. Seine Balz unter Einsatz der langen Schwanzfedern ist äußerst eindrucksvoll und seine Fähigkeit, Geräusche aller Art, die er einmal gehört hat nachzumachen, absolut einzigartig. Vogelstimmen anderer Arten zu imitieren, gehört für ihn zu den leichteren Übungen. Das Bellen von Hunden, das Dröhnen von Automotoren oder Motorsägen und vieles mehr kann er ebenfalls im Repertoire haben. In einem Visitor Centre bekommen wir einen Film vorgeführt, in dem all das vorkommt. Am tollsten finden wir, wie der gezeigte Leierschwanz das Prasseln eines Buschfeuers imitiert. Sehr wirklichkeitsnah und einfach unglaublich.

Diesen außergewöhnlichen Vogel würde ich natürlich schon ganz gerne fotografieren. Kurz vor Sonnenuntergang mache ich mich daher noch einmal auf, um einen weiteren diesbezüglichen Versuch zu starten. Meine Suche konzentriere ich auf die Stelle, wo wir Stunden vorher die beiden Leierschwänze gesehen hatten. Ich schlage mich vorsichtig ins Unterholz, hocke mich dann auf den Boden, beobachte die Umgebung und kann es fast nicht glauben, als ich vielleicht 15 m entfernt tatsächlich einen Leierschwanz entdecke. Es handelt sich um ein Männchen, wahrscheinlich das Exemplar von vorhin. Der Leierschwanz sitzt auf einem waagrechten Ast knapp über dem Waldboden und putzt seine Federn. In der kleinsten Gangart versuche ich mich ihm zu nähern und in eine gute Kameraschussposition zu kommen. Eine Zeitlang lässt er mich gewähren, doch dann beendet er seine Putzaktion und bewegt sich von mir weg. Es ist jedoch keine Flucht, er scharrt vielmehr auf der Suche nach Nahrung im Boden, er sucht und findet Futter. Ich folge ihm. Die Fotopositionen sind zunächst nicht gut, doch irgendwann scheint er sich an mich gewöhnt zu haben und kommt ohne erkennbare Scheu direkt auf mich zu. Der Kameraverschluss glüht. Wegen der fortgeschrittenen Zeit und des fehlenden Lichts sind zwar fast alle Bilder unbrauchbar, aber einige wenige eben nicht. Insgesamt ist diese abendliche Fotoexkursion für mich ein absolut begeisterndes Highlight.

Männlicher Leierschwanz
Der Lyrebird oder Leierschwanz, Wappenvogel des National Parks & Wildlife Services von New South Wales

Im Guy Fawkes National Park nur ein paar Kilometer weiter freuen wir uns dann über den ersten Wasserfall, der diesen Namen auch verdient. Die Ebor Falls mit ihren zwei Stufen sind nicht nur sehr malerisch in eine bewaldete Schlucht eingebettet, sondern führen auch reichlich Wasser. Und sie können von Lookouts aus bewundert werden, die unmittelbar neben Rest Areas mit großen Parkplätzen liegen. Um zu den wie beschrieben fast trockenen Wollomombi Falls zu gelangen, mussten wir dagegen eine längere Wanderung absolvieren. Es ist irgendwie ungerecht.

Eingang zum Guy Fawkes National Park
Upper Ebor Falls
Upper and Lower Ebor Falls
Vom Guy Fawkes River geformte Schlucht

Einer der besten Aussichtspunkte in den Gondwana Rainforests ist ganz sicher der Point Lookout im New England National Park. Er liegt auf gut 1.500 m Höhe und bietet einen unglaublichen Blick auf die riesigen Wälder ringsum. Es ist praktisch kein menschlicher Eingriff zu entdecken. Alles sieht aus, wie es auch schon vor tausenden von Jahren ausgesehen haben muss. Aber natürlich ist auch hier der Parkplatz weniger als 50 m entfernt. Doch immerhin sind auf dem Weg hierhin einige Pistenkilometer zu bewältigen.

Eingang zum New England National Park
Am Point Lookout im New England National Park
Blick über den Gondwana Rainforests of Australia (1)
Blick über den Gondwana Rainforests of Australia (2)

Am Point Lookout beginnen auch verschiedene Wanderwege. Wir wissen zunächst nicht so recht, welche der vielen Wandermöglichkeiten wir uns zutrauen sollen, und entscheiden uns dann für den Lyrebird Walk. Der Name ist vielversprechend, und der Weg soll „moderate“ sein, also mäßig schwierig. Wie sich herausstellt, ist er es dann aber wohl eher nicht, sondern vielmehr ziemlich „knackig“. Es geht zunächst steil bergab, und es ist sehr anstrengend. Der lichte, vergleichsweise trockene Wald wird abgelöst von dichtem, nassem Regenwald. Nach geraumer Zeit stolpern wir beinahe über einen Leierschwanz am Wegesrand, der interessanter- und ungewöhnlicherweise sehr viel dunkler gefärbt ist als der schon beschriebene.

Der Rückweg nach oben zum Parkplatz am Point Lookout kommt uns dann deutlich einfacher vor als der Abstieg, zieht sich aber gefühlt ziemlich in die Länge. Nach viereinhalb Stunden kommen wir etwas ermattet wieder bei Leoni an.

Auf dem Lyrebird Walk (1)
Auf dem Lyrebird Walk (2)
Lyrebird / Leierschwanz in sehr dunkler Färbung
Spezial-Camper mit qualmendem Kamin

Unser nächstes Ziel ist der Dorrigo National Park, erneut nur ein paar Kilometer weiter Richtung Küste. Wir besuchen die Dangar Falls, das Dorrigo Rainforest Centre mit dem Skywalk, einen auf Stelzen in den Berghang hinausgebauten Steg, der einen Blick in die Baumkronen und über diese hinweg erlaubt, und fahren dann zur Never Never Picknick Area mitten im Park. Von hier aus mache ich eine knapp zweistündige Rundwanderung durch den Urwald, während Hildegard sich beim Auto ausruht und es sich dort gut gehen lässt. Soweit jedenfalls der Plan.

Der Regenwald hier ist ganz so, wie man sich Regenwald vorstellt, mit mächtigen, dicken Bäumen, aber auch noch mächtigeren, besonders dicken Baumstümpfen. Wie wir aus den Broschüren über den National Park wissen, wurde die Never Never Area bis 1973 abgeholzt und erst dann dem National Park angeschlossen. Es wird noch eine Zeitlang dauern, bis die Überbleibsel dieser Zeit verschwunden sind.

Am Eingang zum Dorrigo National Park
Dangar Falls
Sky Walk beim Dorrigo Rainforest Centre
Blick vom Sky Walk in die Baumkronen
Baumstumpf in der Never Never Area im Dorrigo National Park
Regenwald im Dorrigo National Park (1)
Regenwald im Dorrigo National Park (2)

Als ich zurückkomme, ist Hildegard ganz aufgeregt. Um sich die Zeit zu vertreiben, war sie während meiner Abwesenheit etwas in der Picknick Area herumgelaufen und hatte dabei eine Begegnung mit einer Rotbäuchigen Schwarzotter. Diese lag auf einem Laubhaufen in der Sonne und richtete sich interessiert auf, als Hildegard vorbeikam. Sie gehört zu den Giftnattern, hat ein glänzend schwarzes Schuppenkleid und einen roten Bauch, wird bis zu drei Metern lang und frisst normalerweise keine Touristinnen, sondern kleine Frösche, Fische, Reptilien und Säugetiere. Sie gilt als beißfaul, aber es sind durchaus tödliche Attacken auf Menschen bekannt. Diese Schlange lag jetzt also fotogen in der Sonne, mein Fotoapparat war mit mir unterwegs, und Hildegards Handy mit eingebauter Kamera lag unerreichbar in Leoni. Folglich gibt es leider kein Fotodokument dieser interessanten Begegnung.

Im Visitor Centre von Armidale hatte man uns empfohlen, auf unserer Weiterreise unbedingt in Sawtell südlich von Coffs Harbour Station zu machen. Solche Empfehlungen sind in der Regel sehr wertvoll, und wir beschließen, dem Rat zu folgen. Wir bereuen es nicht. Auf dem Caravan Park am Rande des Ortes checken wir ein und sind überrascht, wie weiträumig, perfekt angelegt und angenehm dieser ist. Alles eigentlich eher untypisch für einen kommerziellen Caravan Park. Vor allem die auf dem Gelände vertretene Vogelwelt ist äußerst vielfältig und beeindruckend, was sicher auch am Bongil Bongil National Park liegt, der unmittelbar an den Caravan Park angrenzt.

Ferienort Sawtell südlich von Coffs Harbour
Kookaburra
Rainbow Lorikeets – Allfarbenloris
Ibis
Brush turkey, australische Truthahnart

Der nur wenige hundert Meter lange Weg ins sehr nette Ortszentrum führt am Sawtell Croquet Club und am Sawtell Bowling Club vorbei, mit jeweils sehr britischem Erscheinungsbild. Das Zentrum selbst besteht nur aus einer einzigen Straße, in der allerdings ein Geschäft neben dem anderen liegt. Alles ist voll auf Tourismus ausgerichtet. In einem Pub erleben wir hier abends am Bildschirm die Eröffnung der XXI. Commonwealth Games, die an der Gold Coast in Queensland stattfinden, unserem nächsten fest eingeplanten Ziel.

Sawtell Croquet Club
Sawtell Bowling Club

An der Gold Coast wollen wir unseren Reisebekannten Giles besuchen, den wir vor knapp zwei Jahren mehrfach in USA und Kanada getroffen haben. Giles war wie wir auch die komplette Panamericana gefahren, in Feuerland hatten wir ihn noch knapp um ein paar Tage verpasst, und erst anderthalb Jahre später lernten wir ihn dann in der Nähe der US-kanadischen Grenze kennen. Giles wohnt ungefähr zwei Kilometer vom Stadion entfernt, in dem die Leichtathletik-Wettkämpfe der Spiele, die Eröffnungs- und Schlussfeier, etc. stattfinden. Er hatte uns gewarnt, dass wir möglicherweise gar nicht zu ihm durchkommen würden.

Wir unterbrechen die Fahrt zu ihm noch für eine Nacht im Bundjalung National Park, wo wir zum ersten Mal seit Western Australia Kängurus am Strand erleben. Auch den östlichsten Punkt des australischen Festlandes am Leuchtturm von Byron Bay fahren wir am folgenden Tag noch kurz an. Der berühmte Badeort Byron Bay selber ist derart überlaufen, dass wir ganz schnell wieder das Weite suchen und unsere Fahrt nach Norden fortsetzen.

Am Eingang zum Bundjalung National Park
Kängurus am Strand
Am östlichsten Punkt des australischen Festlands
Der Leuchtturm von Byron Bay

Bald ist die Grenze von Queensland erreicht. Da wir nicht genau wissen, ob es hier eine Lebensmittelkontrollstelle gibt, haben wir sicherheitshalber unsere Vorräte fast komplett aufgebraucht. Doch unsere Vorsicht ist dieses Mal unbegründet, denn es gibt an der Grenze zwischen New South Wales und Queensland keine Kontrolle. Im erstbesten Supermarkt füllen wir unseren Kühlschrank wieder auf.

Die Grenze von Queensland ist erreicht.

Entgegen der Erwartung ist das letzte Stück der Fahrt zu Giles völlig unproblematisch. Kein übermäßig starker Verkehr, keine gesperrten Straßen, keine Polizei, nichts. Bis auf ein paar Plakate, Fahnen und Schilder ist von den Commonwealth Games überhaupt nichts zu bemerken. Was uns natürlich sehr entgegen kommt.

Unser Wiedersehen mit Giles verläuft ausgesprochen herzlich, so, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Er ist gebürtiger Engländer, mit 21 Jahren ausgewandert, hat fast sein gesamtes Berufsleben im Ölgeschäft zugebracht und dabei die Welt kennengelernt. Gelebt hat er viele Jahre in Nigeria, in Dubai und Singapur. Aber gearbeitet hat er auch in Russland, in Pakistan, in Nordamerika und natürlich in Australien. Wenn ich einen besonders welterfahrenen Menschen benennen müsste, so fällt mir sicher als allererstes Giles ein.

Sein aktuelles Projekt ist die Instandsetzung bzw. der Wiederaufbau eines 1954er Austin Healeys 100 in der Originalfarbe ‚Coronet Cream‘, die nur im Dezember 1953 / Januar 1954 aus Anlass der Krönung von Queen Elizabeth in einer Stückzahl von etwas über 300 aufgelegt wurden. Diese sehr aufwändige Arbeit macht er aber nicht „einfach nur so zum Spaß“. Vielmehr will er als Beifahrer mit genau diesem Auto und gemeinsam mit einem australischen Freund an der 7th Peking to Paris Motor Challenge 2019 teilnehmen. Dieses wohl außergewöhnlichste Autorennen der Welt wurde 1907 zum ersten Mal abgehalten. Grundsätzlich können vor 1976 gebaute Fahrzeuge teilnehmen, doch von den über 400 Anmeldungen wurden nur etwas mehr als 100 akzeptiert, darunter eben auch der Austin Healey 100 von Giles und seinem Fahrer-Freund. Seit einem Jahr wird das Auto von Giles inzwischen schon für das Rennen präpariert. Zusatztanks werden eingebaut, das Chassis wird höher gelegt, und jedes benötigte Teil muss er individuell anfertigen oder anfertigen lassen, denn Ersatzteile gibt es nicht. Und Anfang Juni 2019 muss das Auto in Peking / Beijing fahrtüchtig am Start stehen, bereit für ein 36tägiges irres Abenteuer quer durch Asien und Europa.

Vor Giles´ Haus an der Gold Coast
Giles und sein Austin Healey 100
Beer Coolers gibt es in interessanten Ausführungen.

Wie viele Anwesen an der Gold Coast hat auch das von Giles und seiner Frau Janet einen Bootsanlegesteg hinter dem Haus. Giles erklärt uns, dass das gesamte Gelände vor ein paar Jahrzehnten noch ein ziemlich trostloser Sumpf war. Dieser wurde dann trocken gelegt, von Kanälen durchzogen und bebaut. Viele seiner unmittelbaren Nachbarn haben ihre Boote bzw. Yachten hinter dem Haus im Wasser liegen. Es ist ein sehr nettes, ansprechendes, um nicht zu sagen mondänes Umfeld. Nur das Baden in den Kanälen kann laut Giles ziemlich ungesund sein. Hunde zum Beispiel, die ja bekanntlich auch mal gerne im Wasser eine Runde drehen, kommen in der Nachbarschaft schon mal abhanden. Denn in den Kanälen fühlen sich auch beträchtlich große Haie ziemlich wohl.

Die Auswirkungen der Commonwealth Games bekommen wir dann doch noch mit, als wir mit Giles am Morgen zu einer Sightseeing Tour an der Küste entlang aufbrechen. Die zunächst von ihm anvisierten Surf Clubs und Cafés, wo wir ein gemeinsames Frühstück einnehmen wollen, sind wegen Straßensperrungen und blockierter Parkplätze unerreichbar. Und so viel Polizei wie an diesem Morgen haben wir im ganzen letzten halben Jahr in Australien nicht gesehen.

Nach zwei äußerst angenehmen Tagen verabschieden wir uns von Giles und bieten ihm an, uns nach dem Sieg bei der Rally im Sommer 2019 in Deutschland zu besuchen. Von Paris nach Renningen ist es ja nicht so weit.

Das schon weit nördlich von Brisbane gelegene Hervey Bay ist Ausgangspunkt für einen dreitägigen Ausflug nach Fraser Island. Diese 120 km lange und im Durchschnitt 15 km breite Insel besteht komplett aus Sand. Es ist die größte Sandinsel der Welt. Hier findet man subtropische Regenwälder, glasklare Süßwasser-Dünenseen, kilometerlange Sandstrände und vieles mehr. Es ist eine sehr abwechslungsreiche und vielfältige Insel. Wir haben uns entschieden, Leoni auf dem Festland zu lassen und die dreitägige geführte Cool Dingo Tour gebucht. Diese ist für 18 – 35-Jährige vorgesehen, und wir haben uns gedacht: Das passt.

Bei der Ankunft an der Pier der Kingfisher Bay Lodge werden wir von Megan in Empfang genommen. Sie ist für die nächsten Tage unsere Busfahrerin, unser Tour Guide, unser Mädchen für alles, und sie ist ziemlich genau halb so alt wie wir. Die übrigen der 40 Teilnehmer der Tour sind noch deutlich jünger. 29 Passagiere sind weiblich und nur 11 männlich, auch das eine eher ungewöhnliche Konstellation. Aber wir werden keinerlei Problem miteinander haben. Abends nach ein paar Bier werden wir Mummy und Daddy getauft. Megan läuft unter Auntie, also Tantchen.

Fast ganz Fraser Island ist Teil des Great Sandy National Parks.
Hildegard im Gespräch mit Megan vor unserem Allrad-MAN-Bus

Megan macht ihr Geschäft ausgesprochen gut. Sie ist immer gut gelaunt, fährt den 40-Personen-Allrad-Bus mit absoluter Souveränität, organisiert die Stopps zum Lunch, zu diversen Wanderungen, zum Baden, etc. mit erstaunlicher Professionalität, spricht alle für die Passagiere wichtigen Themen zum Ablauf rechtzeitig und bei Bedarf auch mehrfach an, kurz und gut: Sie macht ihre Sache absolut perfekt. Nicht ein einziges Mal während der drei Tage müssen wir wegen irgendeines Themas nachfassen. Das Ganze klappt so reibungslos, wie wir es wahrscheinlich noch nie bei einer so komplexen Aktivität erlebt haben.

Schon nach 5 Minuten im Bus weiß ich, dass die Entscheidung, Leoni am Hafen von Hervey Bay zurückzulassen, absolut richtig war. Die tiefsandigen Pisten der Insel, das dichte Gestrüpp mit hervorstehenden Ästen am Pistenrand und später auch die Fahrten durch das Salzwasser am Strand entlang hätten Leoni schwer zugesetzt. Der Chef unseres Campingplatzes in Hervey Bay meint dazu später lachend: „The best car on Fraser Island is somebody else´s car – das beste Auto auf Fraser Island ist das von jemand anders.“ Dieser Sichtweise kann ich nur voll zustimmen.

So sehen die Pisten im Inselinneren aus.
Auf einem der vielen Wanderwege
Am verwunschenen Wanggoolba Creek
Würgepflanze

Unsere drei Tage auf Fraser Island sind sehr gut durchstrukturiert und abwechslungsreich. Wir bekommen mehrfach Gelegenheit, ausgiebig zu baden, in den wunderschönen Süßwasserseen im Inselinneren, in den haisicheren Champagne Pools am Strand oder auch im Eli Creek, einem glasklaren Flüsschen, das auf der Ostseite der Insel ins Meer mündet. Ein paar Mal machen wir kilometerlange Wanderungen durch sehr unterschiedliche Waldtypen. Am besten gefällt uns dabei der Walk im Pile Valley am geradezu verwunschenen Wanggoolba Creek entlang.

Am wunderschönen Lake McKenzie ist es nur scheinbar einsam, …
… außer uns sind auch noch ein paar andere Besucher da.
Offroad-Spaß auf der Strandpiste. Aber Salz und Autos vertragen sich nicht so gut.
Flugzeuge warten am Strand auf Sightseeing-Passagiere.
Das Wrack der 1935 gestrandeten Maheno
Champagne Pools
Eli Creek

Auf dem Rückweg vom Indian Head, einem Aussichtspunkt mit weitem Blick über den Küstenverlauf, der schon von Captain Cook genutzt wurde, gerät unsere im Gänsemarsch laufende Kolonne ins Stocken. Schlangenalarm. Die vorne gehende Megan lässt nach hinten durchgeben umzudrehen. Das tun wir und nehmen zum Abstieg einen anderen Weg. Wegen einer Schlange umzukehren ist eigentlich eher ungewöhnlich. Aber Megan sagt, es war ein Taipan, und zeigt uns später die von ihr gemachten Fotos. Und der Taipan ist nicht irgendeine Schlange, sondern eine der tödlichsten der Welt. Ein unbehandelter Biss führt durch Lähmung der Atemmuskulatur praktisch unweigerlich zum Tode. So gut wie alle Teilnehmer unserer Tour sind mit nackten Beinen, viele auch mit nackten Füßen in Sandalen unterwegs. Und somit ist die Umkehr durchaus nicht ehrenrührig oder übertrieben.

Zu den in Australien lauernden Gefahren gibt es übrigens ein sehr amüsantes Youtube-Video, das ich hiermit empfehlen möchte: Come to Australia, you might get accidentally killed!

Eine Besonderheit von Fraser Island sind die hier lebenden Dingos. Sie sind praktisch nicht mit Haushunden vermischt und gelten als die reinrassigsten Dingos Australiens. Wir müssen allerdings bis zum Abend des zweiten Tages auf die erste Begegnung mit ihnen warten. Dann sehen wir kurz hintereinander zuerst ein Pärchen und dann noch ein einzelnes Exemplar. Am dritten Tag kommt noch ein vierter Dingo hinzu, dieser im Gegensatz zu den anderen sogar bei gutem Fotolicht.

Es wird auf Fraser Island überall und immer wieder darauf hingewiesen, dass Dingos von ihrem Wesen her keineswegs wie Haustiere, sondern eher wie Wölfe und daher mit Vorsicht zu genießen sind. Den Eindruck der Wildheit oder Gefährlichkeit erwecken sie jedoch weder bei uns noch bei anderen. Und genau dies ist das Problem. Die Lodges auf Fraser Island sind zwar sichtbar und aufwändig mit Zäunen gegen die Dingos geschützt, aber wenn man sieht, wie wenig Scheu die Tiere gegenüber Menschen und Autos entwickeln, könnte man schon auf den Gedanken kommen, sie zu streicheln oder zu füttern. Was aber überhaupt keine gute Idee wäre. Und außerdem mit hohen Geldstrafen belegt wird.

Warnung vor Dingos auf Fraser Island
Dingo am Strand (1)
Dingo am Strand (2)
Sonnenuntergang auf Fraser Island

Vor unserem Abstecher nach Fraser Island hatten wir uns bereits zwei Tage im Scarness Beachfront Tourist Park in Hervey Bay aufgehalten, und hierhin kehren wir auch wieder zurück. Der Platz gefällt uns so gut, dass wir immer wieder verlängern und schließlich insgesamt weitere 6 Nächte bleiben. Somit wird Scarness Beach neuer Rekordhalter für alle unsere bisherigen Reisen mit Leoni. Bisher hatte diese Position der ebenfalls wunderschöne, wenn auch ganz andersartige Platz Los Angeles an der Karibikküste in Kolumbien inne. Hier in Hervey Bay ist der perfekt zum Schwimmen geeignete kilometerlange Sandstrand keine 20 m von unserem Stellplatz entfernt, und Restaurants, Pubs sowie alle relevanten Geschäfte befinden sich in fußläufiger Entfernung. Somit kann man es hier gut eine Zeitlang aushalten.

Ein Nachbar auf dem Campingplatz in Hervey Bay

Doch das Datum unseres in Kürze anstehenden Heimflugs rückt unerbittlich näher. Wir fahren zurück nach Brisbane und besuchen im Stadtteil Capalaba einen australischen Freund von Stuttgarter Freunden. Bernd und Elsbeth haben Brian 1982 in Bolivien kennengelernt, dann mit diesem gemeinsam den Inka-Trail absolviert und Hildegard und mir 35 Jahre später den Kontakt vermittelt. Brian hatte uns bei der Vorbereitung unserer Australien-Reise geholfen und uns eingeladen, ihn zu besuchen. Was wir natürlich gerne tun. Er ist ein sehr netter, hilfsbereiter und weitgereister Zeitgenosse, der in einem riesigen Haus in parkartiger Umgebung wohnt. Für uns ergibt sich daraus ein sehr angenehmer Aufenthalt, bei dem es unendlich viel zu erzählen gibt.

Gemeinsames Abendessen zu Hause bei Brian

Nur 45 km weiter, in der Brisbaner Vorstadt The Gap, wohnen Peter und Kerry, die wir schon seit vielen Jahren kennen und die uns auch schon in Deutschland besucht haben. Hier ist die letzte Station vor unserem Heimflug. Wir sind uns vier Jahre lang nicht begegnet, und das Wiedersehen mit den Beiden fällt sehr herzlich aus. Leoni bekommt für die nächsten Wochen einen sicheren Platz hinter dem Haus zugewiesen, und auch wir werden in den verbleibenden Tagen bis zum Abflug perfekt umsorgt, machen Ausflüge ins Zentrum von Brisbane und in die sehr attraktive grüne Umgebung der Stadt.

Hildegard mit Peter und Kerry vor deren Haus in The Gap
Auf der Fähre im Zentrum von Brisbane
Barbecue mit Peter und Kerry bei einem Nachbarschaftsfest

Peter wird uns zum Flughafen von Brisbane bringen, von wo aus es zum Heimaturlaub nach Hause gehen soll. Der Plan sieht vor, dass ich in 7 Wochen zurückkomme, Hildegard dagegen nicht. Sie leidet seit einiger Zeit zunehmend unter Heimweh und ist nach zwei Jahren auf der Panamericana und inzwischen einem halben Jahr in Australien reisemüde. Sie hat sich entschieden, nicht mit zurück nach Australien zu fliegen. Somit werde ich die Australien-Reise alleine zu Ende bringen. Diese Wendung der Dinge kam keineswegs spontan oder überraschend, sondern ist schon seit Monaten so abgestimmt.

Unsere bisher in Australien gefahrene Route

Ein Kommentar

  1. ELke Kunz said:

    Hallo Weltreisende, es war wieder mal ein Genuss, den Bericht zu lesen und in Gedanken mit Euch die Tour zu machen, so viele Tiere, die man noch nie gesehen hat!!Wunderbar. Dieter hatte eine Woche nach seinem Geburtstag einen kleinen Schlaganfall mit größeren Folgeproblemen, die langsam abnehmen. Er hatte keine Kraft in den Beinen und ging die letzten Wochen mit Rollator, wovon er langsam abkommen will. Die REHA findet erst in 2 Monaten statt. D..h. er hätte am 16.5. starten können in Neuss, aber er hätte keinen Tag über Unges Pengste frei bekommen. Deshalb entscheid er sich für Juni. Ein Stück geht er jetzt alleine, das ist ein Fortschritt. Dies in Kürze, wir freuen uns auf Eure Heimkehr in die Heimat. Liebe Grüße und einen guten Flug wünschen die Reisekunzis

    23. April 2018
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