Top End mit Arnhem Land

07.08. – 28.08. 2018

Heiner und Anna, die beiden Traveller mit dem anderen in Australien herumfahrenden Leonberger Landcruiser, die ich Anfang des Jahres auf Tasmanien getroffen hatte, teilen mir in einer WhatsApp mit, dass sie aktuell in der Umgebung von Nhulunbuy in Arnhem Land unterwegs sind. Das finde ich sehr spannend, weil ich es bisher wegen des bürokratischen Aufwands für praktisch aussichtslos gehalten hatte, dieses sehr ursprüngliche Aborigine-Gebiet zu bereisen. Von Heiner und Anna erfahre ich nun, dass es gar nicht so schwierig ist, die nötigen Permits zu organisieren. Zunächst geht es darum, eins für das Befahren der Central Arnhem Road zu besorgen. Dieses ist kostenlos, wird aber nur für bestimmte Fahrzeugarten erteilt. Ich beantrage es online und hole es dann in Katherine im Büro des Northern Land Councils persönlich ab. Damit ist der wichtige erste Schritt geschafft.

Die Central Arnhem Road nach Nhulunbuy, die zwischen Katherine und Mataranka vom Stuart Highway abzweigt, ist auf dieser Übersichtskarte nur teilweise eingetragen.
Arnhem Land mit Central Arnhem Road. Der gestrichelte Teil der Straße ist Piste.
Mein vom Northern Land Council ausgestelltes Permit zum Befahren der Central Arnhem Road

Meine diversen Australien-Reiseführer behandeln Arnhem Land und den Weg dorthin entweder gar nicht oder maximal mit wenigen Sätzen. Mit Abstand die meiste Information findet sich im elektronischen Reiseführer „Top End“ von Birgit Bradtke. Erfreulicherweise stellen sich dann einige der dort behandelten Punkte im wirklichen Leben als nicht ganz so problematisch heraus wie dargestellt. So muss man den Weg nach Nhulunbuy, dem Endpunkt der Straße, keineswegs mehr in 24 Stunden zurücklegen, und auch das Verbot der Mitnahme von Alkohol im Fahrzeug ist nicht so ernst zu nehmen wie beschrieben. Auf meine diesbezügliche Frage an das Northern Land Council bekomme ich schwarz auf weiß bestätigt, dass die Mitnahme von Alkohol kein Problem ist, solange es sich nicht um eine volle „truck load“, also eine ganze Lastwagen-Ladung handelt.

In Summe stellt Birgit Bradtke die Fahrt nach Nhulunbuy sehr positiv dar. Sie schreibt: „This road will take you straight to heaven. And very few of you will use it.“ Das mit dem ersten Teil werde ich sehen, während der zweite Teil auf jeden Fall schon einmal stimmt. Es sind nur sehr wenige Touristen auf der Strecke unterwegs.

Die Entfernungen am Beginn der Central Arnhem Road

Der Grund dafür ist schnell erklärt. Denn neben der Permit-Beschaffung gibt es noch ein zweites Hindernis. Auch für australische Verhältnisse ist es nämlich ein sehr, sehr weiter Weg. Die Entfernung von Katherine nach Nhulunbuy beträgt 730 km, und mehr als 600 km davon sind Piste. Wobei eine weitere Erschwernis darin liegt, dass man diese Riesenstrecke zweimal fahren muss. Einen alternativen Rückweg über den Kakadu National Park gibt es zwar, aber der ist leider ausnahmslos für alle Touristen gesperrt.

Der Ort Nhulunbuy am Ende der Central Arnhem Road existiert noch gar nicht sehr lange, erst seit 1972. In den 60er Jahre wurde in der Gegend Bauxit entdeckt, Aluminiumoxid in äußerst hoher und damit sehr lukrativer Konzentration. Gegen den Protest der lokalen Aborigines nahm der Staat das betreffende Gebiet aus dem bereits bestehenden Reservat Arnhem Land heraus und vergab die Schürfrechte an die Firma Nabalco, ganz nach dem Terra-Nullius-Prinzip, welches davon ausgeht, dass das Land niemandem gehört. Doch dieses Mal wehrten sich die Aborigines, und zwar erstmals erfolgreich. Die berühmten auf Baumrinde geschriebenen Bark Petitions wurden an das Australian House of Representatives, also an das Parlament in Canberra übersandt, Gerichte wurden bemüht, und der Fall bedeutete letztendlich einen entscheidenden Wendepunkt in der Frage der Landrechte, nämlich den Beginn der Rückgabe von Land an die Aborigines.

Die Bauxit-Mine in North Eastern Arnhem Land konnte zwar nicht mehr verhindert werden, aber ansonsten änderte sich fast alles. Arnhem Land ging formal in den Besitz der Aborigines über. Mit knapp 100.000 qkm ist dieses riesige Gebiet etwas größer als Portugal, hat aber weniger als 20.000 Einwohner.

Aus Touristensicht kommen uns die Permit-Regelungen erst einmal lästig und fremd vor, aber die Aborigine-Gebiete sind nach aktueller Rechtslage jetzt offiziell schlicht als Privateigentum zu betrachten. Das ist letztlich nichts anderes als im Falle einer Cattle Station, wo man auch zuerst beim Besitzer um Erlaubnis fragen muss, bevor man sein Gebiet durchquert oder darauf campiert.

Auf der Central Arnhem Road (1)
Auf der Central Arnhem Road (2)

In Summe ist die Central Arnhem Road ganz gut zu befahren. Weite Strecken lassen durchaus höhere Geschwindigkeiten im 4. oder 5. Gang zu. Die hin und wieder anzutreffenden Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 110 km/h sind für Leoni und mich allerdings nicht sonderlich relevant. In diese gigantischen Höhen gelangen wir auch auf perfekt ausgebauten Autobahnen nicht.

Es gibt allerdings auch ziemlich fürchterliche Stücke Wellblech, die einen zur Verzweiflung bringen können. Häufig, aber keineswegs immer, warnt rechtzeitig ein Schild mit der Aufschrift „ROUGH SURFACE“ davor. Gerät man jedoch unversehens hinein, was durchaus öfters mal passiert, bekommt man das Gefühl, dass das Fahrzeug auseinander gerissen wird. Um das Vorankommen in diesen Bereichen erträglicher zu machen, fahre ich lange Strecken mit einer Fahrzeugseite, rechts oder links, je nachdem, auf der schrägen Straßenberandung, muss dabei allerdings sehr darauf achten, dass keine hervorstehenden Baumteile Leoni beschädigen. Eine weitere Gefahr geht von den regelmäßig von den Gradern in den Wald geschobenen Regenwasser-Abflusskanälen aus, die, wenn man nicht aufpasst, wie Sprungschanzen wirken.

An zwei oder drei Stellen auf der ganzen Strecke hat man in letzter Zeit kritische Flussdurchquerungen durch aufwändige Brückenkonstruktionen entschärft. Hier wird die Piste jeweils durch ein paar hundert Meter Beton oder Asphalt unterbrochen, die aber leider immer allzu schnell wieder zu Ende gehen.

Für uns nicht sehr relevante Geschwindigkeitsbegrenzung
Jetzt kommt ein besonders schlechtes Straßenstück.
Kurze Unterbrechung der Piste durch aufwändige Brückenkonstruktion. Der Pegel rechts gibt eine Vorstellung davon, wie hoch das Wasser in der Regenzeit ansteigen kann.

In jedem Fall fährt man stundenlang durch lichten Wald. Die Szenerie ändert sich nicht oder kaum. Ganze zwei kleine Ortschaften finden sich entlang der Strecke, Beswick, vom Stuart Highway aus kommend am Ende des Asphalts, und Bulman. Das auf der Karte eingezeichnete Mainoru Store ist dagegen nichts als ein Roadhouse und Mainoru eine Cattle Station.

Auch Abwechslung durch Wildlife gibt es nur sehr wenig. Das mag zum Teil daran liegen, dass meine ganze Konzentration der Piste gehört, ja gehören muss. Das mir am häufigsten begegnende Tier ist erstaunlicherweise der Wasserbüffel. Ich sehe bei Hin- und Rückfahrt vielleicht 20 oder 30 dieser vor langer Zeit aus dem heutigen Indonesien eingeführten schwergewichtigen Tiere. Dann kommen als zweithäufigste die Esel. Beide Tierarten leben wild in Arnhem Land. Wie Kamele, Wildschweine, Füchse, Kaninchen, etc. haben sie sich in Australien selbständig gemacht und sind in manchen Regionen zur Plage geworden. Von den endemischen Kängurus und Wallabies sehe ich dagegen gerade mal drei Exemplare, dazu noch zwei Dingos und einen Jabiru. Das ist für mehrere Tage Fahrt nicht sehr viel.

Wasserbüffel kreuzen den Weg.

Für etwas Abwechslung sorgen die hin und wieder unmittelbar neben der Piste lodernden Waldbrände. Diese werden von den Aborigines seit tausenden von Jahren absichtlich gelegt, um den Bodenbewuchs zu entfernen und neuem Grün Raum zu geben. Zur Vermeidung desaströser Feuer werden dazu nur bestimmte geeignete Jahreszeiten genutzt. Der Wald darf nicht mehr zu nass, aber auch noch nicht extrem trocken sein. Außerdem sollte kein Wind wehen und die Anlage der Brände möglichst kleinteilig sein. Schon verbrannte Waldstücke wirken dann wie ein Feuerwall. Auf diese Art und Weise werden auch die Bäume erhalten, von Einzelfällen, die in Summe aber kaum ins Gewicht fallen, mal abgesehen.

Absichtlich gelegter Waldbrand
Bald nach dem Feuer sprießt wieder frisches Grün.

An mehreren Stellen entlang der Central Arnhem Road treten Termitenhügel gehäuft auf. Es gibt davon einige ziemlich unterschiedlich aussehende Bauformen, die auf verschiedene Termitenarten zurückgehen. Auch die Farbe der Termitenhügel kann sehr stark variieren, von rot über ocker bis grau und hin zu fast weiß. Dies ist aber ganz einfach auf die Bodenbeschaffenheit zurückzuführen. Die Termiten müssen halt das nehmen, was jeweils lokal zur Verfügung steht.

Mit Heiner und Anna habe ich ein Treffen auf dem Campground am Giddy River etwa 50 km vor Nhulunbuy verabredet. Das Problem dabei ist, dass ich dafür eigentlich ein Permit brauche, das ich aber erst noch in Nhulunbuy erwerben muss. Kurz vor dem Dunkelwerden gibt es ein fröhliches Wiedersehen mit den Beiden und anschließend eine lange Erzähl-Nacht in trauter Runde draußen vor unseren Fahrzeugen. Nach unserer Begegnung auf Tasmanien vor einem halben Jahr sind die Beiden im Gegensatz zu Hildegard und mir im Uhrzeigersinn um Australien herumgefahren. Wir haben bisher also im Wesentlichen nicht dieselben Regionen besucht.

Nach einer herzlichen Verabschiedung am nächsten Morgen bin ich etwas früher als die Beiden unterwegs und erfahre später über WhatsApp, dass eine halbe Stunde nach meiner Abfahrt die Ranger da waren, um die Permits zu kontrollieren. Glück gehabt.

Mit Heiner und Anna und unseren zwei LEOs
Abendliche Erzähl-Runde

Mein erster Weg in Nhulunbuy führt mich zur Dhimurru Land Management Aboriginal Corporation, wo ich mir für 45 AUD ein General Permit ausstellen lasse, das zwei Monate Gültigkeit hat und zum Besuch einer ganzen Vielzahl von interessanten Recreation Areas berechtigt. Die meisten davon haben Campgrounds, deren Benutzung im Preis inbegriffen ist, was den auch so schon geringen Preis mehr als rechtfertigt. Auf den Kauf von Special Permits zum Besuch weiterer interessanter Gegenden sowie eines Liquor Permits, das zum Erwerb von Alkohol in Nhulunbuy berechtigen würde, verzichte ich. Dadurch reduziert sich der Aufwand für den Besuch von Arnhem Land für mich auf die beiden bereits beschriebenen Permits. Das ganze Procedere ist viel einfacher als erwartet.

Ankunft in Nhulunbuy
Mein vom Dhimurru Office ausgestelltes General Permit
Die grauen Bereiche werden durch das General Permit abgedeckt. Für die andersfarbigen Bereiche sind Special Permits erforderlich.

Nhulunbuy ist eine kleine Stadt und wurde wie erwähnt zur Versorgung der Bauxit-Mine gegründet. Wie ich am eigenen Leib buchstäblich „erfahren“ durfte, ist sie weit weg von allem und wird aus Kostengründen im Wesentlichen übers Meer versorgt. Trotz der ziemlich extremen Randlage findet man eigentlich alles, was eine im Grunde auf sich selbst gestellte Gemeinschaft so braucht. Es gibt zwei Supermärkte, eine Apotheke, weitere Geschäfte, Autowerkstätten, Restaurant, Schwimmbad, Kirche, sogar einen Golfplatz und auch einen sehr guten Campground, welcher der Walkabout Lodge angeschlossen ist. Auf diesem Campground lasse ich mich für die erste Nacht nach meiner Ankunft nieder, nutze die Waschmaschinen und erkunde das Umfeld.

Die Bevölkerung von Nhulunbuy setzt sich nach meinem Eindruck zu ähnlich großen Teilen aus Aborigines und weißen Australiern zusammen. Das Bild auf den Straßen ist entsprechend gemischt. Als ich mich auf dem zentralen palmenbestandenen Platz auf einer Parkbank ausruhe, entwickelt sich vielleicht 20 Meter von mir entfernt eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Aborigines, an der vier oder fünf Frauen und ein Mann beteiligt sind. Nach einiger Zeit geht eine der Frauen blutüberströmt zu Boden. Es geht hier nicht um ein paar kleine Kratzer, ich meine wirklich blutüberströmt. Mein Großvater hätte wahrscheinlich gesagt: Andere Länder, andere Sitten. Das war einer seiner Standard-Sprüche.

Im Jahre 2014 wurde die Bauxit-Produktion von der Betreibergesellschaft Rio Tinto, die das Geschäft inzwischen von Nabalco übernommen hatte, zurückgefahren und die Aluminium-Hütte geschlossen. Offiziell heißt es auf der Homepage dazu: „ Alumina production was curtailed in 2014 and the refinery is being put under care and maintenance.“ Die Einwohnerzahl von Nhulunbuy ist seither deutlich zurückgegangen. Rio Tinto will die Bauxit-Produktion nach eigenen Angaben jedoch noch auf Jahrzehnte hinaus aufrecht erhalten, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in der Vergangenheit.

Bauxit-Mine in Nhulunbuy. Das Transportband im Vordergrund führt zum Hafen.
Transportband zum Hafen
Zurzeit stillgelegte Aluminium-Hütte sowie Hafenanlagen in Nhulunbuy

In den folgenden Tagen nutze ich diverse Campgrounds, die durch mein General Permit abgedeckt sind, Rainbow Cliffs, Latram River und Turtle Beach. An den Rainbow Cliffs regnet es abends etwas, was mich jetzt mitten in der Trockenzeit sehr verwundert, und es bildet sich ein wunderschöner, zeitweise sogar doppelter Regenbogen. Die Rainbow Cliffs tragen ihren Namen also offenbar zu Recht.

Das General Permit wird eingefordert.
Strand bei Nhulunbuy
Strand an den Rainbow Cliffs
Regenbogen an den Rainbow Cliffs

Der Latram River an meinem nächsten Übernachtungsplatz ist eher ein Creek, ein sehr flacher, glasklarer Bach, der durch den Wald mäandert, unmittelbar am Campground vorbei. Hier riskiere ich in einer Vertiefung ein sehr erholsames Bad, immer flussauf- und -abwärts schielend, ob sich nicht vielleicht doch ein Krokodil anschleicht. Ein Bad im Meer ist mir dagegen hier im australischen Norden auf jeden Fall zu gefährlich. Salzwasserkrokodile können sich in den Wellen unbemerkt nähern, und im direkten Zweikampf würde der Sieger von vornherein feststehen. That´s a fight I cannot win.

Beim Campground-Wechsel von den Rainbow Cliffs zum Latram River mache ich einen Abstecher nach Yirrkala. Hier gibt es die wohl größte und vielleicht auch bekannteste Aboriginal Art Gallery im Top End, dem nördlichsten Teil des Northern Territories. Und die abgelegendste ist es wohl auch. Geradezu tonnenweise wird hier lokale Kunst ausgestellt, zum Teil unverkäuflich im Museumstrakt, zum Teil aber auch mit Preisschild versehen im kommerziellen Teil. Traditionelle Rindenmalereien, Holzfiguren, Webarbeiten, Didgeridoos. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Ich sehe mich ausführlich um und erstehe eine bemalte Holzfigur „Bird and Spirit“. Die mich immer besonders interessierenden Didgeridoos scheinen mir hier etwas überteuert zu sein.

In Yirrkala
In der Art Gallery von Yirrkala
Massenweise Didgeridoos in der Art Gallery von Yirrkala

Eine Besonderheit möchte ich bei der Gelegenheit erwähnen. Wir sind in Yirrkala mitten im wahrscheinlich traditionellsten Aborigine-Gebiet Australiens. Es geht um Aborigine-Kunst in einer zu 100% den Aborigines gehörenden Art Gallery. Und wer managed den Laden, bedient die Kunden und steht an der Kasse? Ein mittelaltes weißes Paar. Wer hat mir im Büro der Dhimurru Land Management Aboriginal Corporation in Nhulunbuy, einer reinen Aborigine-Veranstaltung, die Permits ausgestellt? Zwei weiße Australierinnen. Genau eine weitere Person habe ich noch im Office gesehen, und die war ebenfalls weiß. In Beswick, am Beginn der Central Arnhem Road, ebenfalls in einem Aboriginal-Gebiet, dem Beswick Land Trust, hatte ich auf der Hinfahrt auf Empfehlung australischer Traveller das dortige, ebenfalls sehr eindrucksvolle Art Centre besucht. Auch hier liegt das Management voll in der Hand eines weißen Rentner-Pärchens.

Als einigermaßen krass empfinde ich auch eine Situation, die ich am Turtle Beach erlebe. Eines Morgens fährt ein Geländewagen vor, aus dem ein halbes Dutzend in exakt gleiche Arbeitskleidung gewandete Aborigines herausspringen, um den Strand zu säubern. Dass bei dem sehr überschaubaren kleinen Turtle Beach auch eine Person für die anstehende Aufgabe locker ausgereicht hätte, meine ich jetzt gar nicht. Es ist nämlich noch eine weitere Person an Bord, welche die Aufsicht übernimmt. Ein Weißer in typischer Ranger-Uniform. Ich weiß nicht, ob ich den Kopf schütteln, lachen oder weinen soll. Ich könnte auch erneut meinen Großvater zitieren. Würde passen.

Das Büro des Northern Land Councils in Katherine, wo ich mein erstes Permit abgeholt hatte, war übrigens ausschließlich mit Aborigines besetzt. Das gibt es also auch. Aber sehr selten.

Stellplatz am Turtle Beach
In der Nacht war eine Schildkröte zu Besuch und hat ihre Eier im Sand vergraben.
Der Biss eines Golden Orb Weavers (Seidenspinne) ist sehr schmerzhaft, aber nicht giftig.

Am Turtle Beach stelle ich fest, dass der Reifen hinten links ganz langsam Luft verliert. Der Grund ist eine Schraube, die ich mir irgendwo in den Reifen gefahren habe. Nach der Reparatur in einer Werkstatt in Nhulunbuy und ein paar letzten Einkäufen bei Woolworths mache ich mich auf die lange Rückfahrt Richtung Teerstraße, zum Stuart Highway. Und bis zum sehr schönen ersten Übernachtungsplatz am Flat Rock Creek läuft auch alles wunderbar problemlos.

Lecksuche in der Werkstatt in Nhulunbuy
Malerischer Übernachtungsplatz am Flat Rock Creek
Termitenhügel in der Nähe
Bienenfresser

Doch am nächsten Tag ändert sich das ganz schnell, und aus Entspannung wird Anspannung. Denn ohne Vorankündigung habe ich plötzlich hinten rechts einen Plattfuß. Der Radwechsel bei 35 Grad ist zwar anstrengend, macht ansonsten aber keine größeren Schwierigkeiten. Wie zuletzt in Nicaragua benötige ich wieder beide Wagenheber, um Leoni aufzubocken. Mein neues und sehr aktuelles Problem ist jetzt, dass ich kein Ersatzrad mehr habe. Und es sind noch 240 km bis zum Teer. Ich fahre bis zum Einbruch der Dunkelheit und finde sogar noch einen herrlichen Stellplatz mit toller Aussicht über die tiefer liegende Ebene.

Plattfuß hinten rechts
Übernachtungsplatz an der Central Arnhem Road mit weitem Blick über die Ebene

Am nächsten Morgen checke ich als allererstes den Luftdruck in den beiden Hinterrädern und stelle fest, dass der in Nhulunbuy geflickte Reifen über Nacht satte 2,0 bar verloren hat. Diese nette Überraschung treibt mir den Schweiß auf die Stirn und hat eine kräftige Adrenalin-Ausschüttung zur Folge. Vielleicht auch mehrere über die nächsten Stunden verteilt. Ich pumpe den Reifen wieder auf und hoffe inständig, dass er bis Katherine durchhält. Die Fahrt ist nervenaufreibend, aber es klappt. Die Druckerhöhung durch die bei der Fahrt ansteigende Reifentemperatur überkompensiert den Verlust durch das Leck. Dies lässt sich mit Hilfe des Tire Monitors sehr schön verfolgen.

Heil in Katherine angekommen entscheide ich mich nach Rücksprache mit den Experten der Firma Tyre Power, die beiden bisherigen doch schon ziemlich stark abgenutzten Hinterreifen durch zwei neue zu ersetzen. Macht 877 AUD.

Leoni bekommt in Katherine zwei neue Reifen.

Die Edith Falls im Nitmiluk (früher Katherine Gorge) National Park bringen dringend erforderliche Abwechslung. Sie bieten wunderbare Schwimmgelegenheiten in mehreren in unterschiedlicher Höhe im Berghang gelegenen Pools. Ein Campground liegt unmittelbar neben dem größten und am tiefsten gelegenen dieser wunderbar klaren Badeseen, den man allerdings mit Süßwasserkrokodilen teilen muss. Diese bekomme ich allerdings nicht zu sehen und drehe ungestört meine Runden.

Am Eingang zum Nitmiluk National Park
Edith Falls, Middle and Upper Pools
Badefreuden in den Upper Pools

Ein paar Kilometer weiter nördlich in Pine Creek zweigt der Kakadu Highway vom Stuart Highway ab und führt zum Kakadu National Park. Dies ist der mit knapp 20.000 qkm größte National Park Australiens, wohl auch der bekannteste und am häufigsten besuchte. Von der UNESCO ist er als Weltkulturerbe eingestuft. Neben einer unglaublichen Vielfalt an Landschaften verfügt er über herausragende Galerien mit Felsmalereien, von denen aber nur sehr wenige für Touristen zugänglich sind. Ich hatte mir schon im Visitor Centre in Katherine das zwei Wochen gültige Permit zum Besuch des Kakadu National Parks besorgt und dafür den Senioren-Sonderpreis von 30 AUD bezahlt.

Auf dem Weg nach Cooinda passiere ich im Bereich des Mary Rivers ein Gebiet mit besonders schönen Bauten der Cathedral Termites (Nasutitermes triodiae), die unmittelbar neben der Straße aufragen und sich auch für  Selbstauslöser-Fotos ausgesprochen gut eignen. In Ermangelung eines Stativs ist bei mir dazu allerdings ein gewisser Aufwand erforderlich. Der Campingtisch muss, an passender Stelle aufgebaut, als Unterlage für die Kamera herhalten.

Der Kakadu National Park ist erreicht.
Bauten der Cathedral Termites (Nasutitermes triodiae) im Bereich des Mary Rivers
Selbstauslöser-Bild

Die Cooinda Lodge mit ihrem Campground bietet die perfekte Basis für eine Bootstour auf dem sogenannten Yellow Water. Ausgangspunkt ist eine kleine Marina in unmittelbarer Nähe am Zusammenfluss von Jim Jim Creek und South Alligator River. Die zweistündige, zu verschiedenen Uhrzeiten angebotene Bootstour stellt durchaus etwas Besonderes dar, man sollte sie keineswegs verpassen. Am besten kommt in den Reiseführern die Tour am frühen Morgen weg, am zweitbesten die am späten Nachmittag. Ich versuche, beide Touren an zwei aufeinander folgenden Tagen zu buchen, und bin überrascht, als man mir daraufhin einen Paketpreis von nur 136 AUD statt der Einzelpreise von in Summe 189 AUD berechnet. Aber mit dieser Preisreduktion kann ich natürlich gut leben.

Um 16.30 Uhr startet meine erste Tour. Der Kapitän ist überraschender- und auch erfreulicherweise ein Aborigine. Und genau wie erhofft wird es eine tolle Fahrt. Wir sehen jede Menge Tiere. Salzwasserkrokodile en masse, dazu Seeadler, Enten und Gänse, Jabirus, Kingfishers, jede Menge Büffel und sogar ein Wildschwein direkt am Fluss. Zum Sonnenuntergang bringt der Kapitän sein mitgebrachtes Didgeridoo zum Einsatz. Es ist sehr stimmungsvoll. Und über 300 neu hinzu gekommene Fotos wollen anschließend bearbeitet werden.

Auf dem South Alligator River
Salzwasserkrokodil
Weißbauch-Seeadler – White-bellied sea eagle
Australischer Schlangenhalsvogel (Anhinga novaehollandiae)
Die Dämmerung bricht herein.
Sonnenuntergang mit Krokodil im Vordergrund

Nach dieser wirklich tollen Bootsfahrt stelle ich mir die Frage, warum ich es mir eigentlich antun soll, das Ganze am nächsten Morgen noch einmal zu wiederholen, was ja mit Aufstehen in tiefster Dunkelheit verbunden ist. Und das bin ich eigentlich nicht mehr so richtig gewöhnt. Aber es ist zu spät, ich habe gebucht und bereits bezahlt, und um 5.45 Uhr klingelt der Wecker, der absolut keine Gnade kennt. Pünktlich um 6.20 Uhr bringt der Shuttle Bus mich und etliche andere Frühaufsteher zum Boot.

Um es vorweg zu nehmen: Die jetzt folgende Bootstour übertrifft alles, was ich diesbezüglich bisher erlebt habe. Es wird eins der absoluten Top-Erlebnisse der gesamten Australien-Reise. Zu Beginn wird der Sonnenaufgang auf dem Fluss geradezu zelebriert. Es herrscht eine phantastische Stimmung. Die Sonne steigt langsam auf, und nach und nach erwacht die Natur. Ein Büffel schwimmt über den Fluss und muss uns, da er nicht schnell genug voran kommt, ganz nah heranlassen. Die zu sehenden Tiere sind natürlich im Wesentlichen die gleichen und auch ähnlich zahlreich wie am Abend zuvor. Aber das gesamte Ambiente ist einfach noch eindrucksvoller und toller.

Das absolute Highlight für mich ist ein Jabiru. Ich habe schon einige Fotos von ihm gemacht, als er auch vom Kapitän und den anderen Passagieren entdeckt wird. Das Schiff fährt ganz nah heran, und allein von diesem einen Jabiru schieße ich 85 Fotos. Er ist natürlich auf der Jagd, quasi auf der Suche nach seinem Frühstück und hat irgendwann eine beachtlich große Schlange gefangen. Vielleicht ist es auch ein Aal. Das lässt sich nicht genau sagen. Jedenfalls legt er sich seine Beute immer wieder neu im Schnabel zurecht, bis er sie schließlich kopfüber verschlingt. Eine äußerst eindrucksvolle Szene.

Krokodil wärmt sich in der Morgensonne (1).
Krokodil wärmt sich in der Morgensonne (2).
Dieser Büffel hat gerade den Fluss durchquert.
Jabiru auf der Jagd
Jabiru erbeutet Schlange oder Aal.
Azurfischer – Azure Kingfisher (Ceyx azureus)

Eine der beiden für Touristen im Kakadu National Park zumindest teilweise zugänglichen Felsbild-Galerien ist die am Nourlangie Rock. Bei meinem ersten Besuch 1981 hatte ich hier eine besonders schöne Malerei gesehen und fotografiert, die ich beim zweiten Besuch im Jahr 2000 allerdings nicht wiederfinden konnte. Im Bowali Visitor Centre entdecke ich nun in der Bibliothek in einem Bildband genau dieses phantastische Motiv und frage eine Aborigine-Rangerin, wo es sich genau befindet. Sie ist zunächst erstaunt über die Frage, zeigt es mir dann aber auf der Karte, was mir allerdings letztlich wenig nützt, denn es liegt leider in einem mittlerweile gesperrten Gebiet. Ich erfahre, dass das Felsbild zu den sogenannten Blue Paintings gehört. Die Rangerin meint: „ You were very lucky that you had the chance to see it.“ Zu Hause in Renningen habe ich dieses Vergnügen demnächst dann wieder täglich, denn das entsprechende Foto hängt dort seit vielen Jahren an der Wand.

Nourlangie Rock
Felsbilder am Nourlangie Rock (1)
Felsbilder am Nourlangie Rock (2)
Felsbilder am Nourlangie Rock (3)

Am späten Nachmittag auf dem Weg zum Campground treffe ich dann noch auf zwei Dingos, von denen sich einer anstandslos fotografieren lässt.

Dingo

Die zweite zugängliche Felsbild-Galerie im Kakadu National Park befindet sich in Ubirr, unmittelbar am East Alligator River, der gleichzeitig die Grenze zum Arnhem Land darstellt. Der Fluss kann hier an Cahills Crossing in einer betonierten Furt durchquert werden. Vorausgesetzt man hat sich das entsprechende Permit für das Arnhem Land besorgt. Angler versuchen an dieser Stelle häufig, mit den Füßen im seichten Wasser stehend die mit der Flut vom Meer her kommenden Barramundis zu fangen. Das versuchen auch die hier lebenden Krokodile. Laut Auskunft im Bowali Visitor Centre hat man auf einer Strecke von einem Kilometer flussauf- und -abwärts von Cahills Crossing etwa 200 Salzwasser-Krokodile gezählt.

Das Angeln hier ist also sicher nicht unbedingt gesundheitsfördernd. Trotzdem wird es immer wieder versucht. Ich selbst beobachte die Wasseroberfläche längere Zeit und sehe auch ein paar Krokodile, aber nicht sehr viele. Die meisten verstecken sich erfolgreich im trüben Wasser. Ein Ranger erzählt, dass vor einiger Zeit drei junge Männer die Furt im gerade einmal knöcheltiefen Wasser überqueren wollten. Auf der anderen Seite angekommen fehlte einer der drei. Die beiden übrig gebliebenen hatten unterwegs nichts bemerkt. Der dritte junge Mann wurde nie wieder gesehen.

Cahills Crossing am East Alligator River

Ubirr ist ein besonderer Platz. Außer der schon erwähnten Felsbild-Galerie verfügt es meiner Ansicht nach über einen der schönsten Aussichtspunkte, die Australien zu bieten hat. Dies gilt vor allem für den späten Nachmittag. Nachdem ich mir die Felsmalereien ungestört und in aller Ruhe angesehen habe, klettere ich hoch. Es sind noch etwa zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang, und ich bin so gut wie allein. Eine Stunde später hat sich dies allerdings in dramatischer Weise geändert. Um mich herum wuseln jetzt hunderte Besucher. Alle wollen hier den Sonnenuntergang erleben. Ich flüchte.

Felsbild-Galerie in Ubirr
Felsmalereien in Ubirr
Ubirr. Weiter Blick über Arnhem Land

Am nächsten Morgen steht von Jabiru aus ein halbstündiger Rundflug an, den ich zum Sonderpreis von 129 AUD gebucht habe. Vorher muss ich allerdings zunächst einmal eine sehr ungemütliche Nacht überstehen. Ich habe Mücken in der Kabine. Und zwar viele. Und ich weiß nicht, wie die es schaffen, in die Kabine zu gelangen. Draußen müssen Millionen von den Viechern unterwegs sein. So etwas habe ich noch nie erlebt, seit wir Leoni haben, weder in den Americas noch in Australien oder sonstwo. Alle halbe Stunde stehe ich auf, schlage 10 Mücken tot, nur um festzustellen, dass ich eine halbe Stunde später wieder 10 Mücken totschlagen muss. Die ursprünglich weißen Wände und Decken in der Kabine sind bald mit Dutzenden von roten Flecken verziert. Ganz gegen Ende der Nacht schlafe ich endlich mal zweieinhalb Stunden am Stück, bevor bereits um 6.15 Uhr noch in tiefster Dunkelheit der Wecker schellt. Das Flugzeug wartet halt nicht.

Ein Film im Bowali Visitor Centre mit einer ganzen Reihe von spektakulären Luftaufnahmen hatte mich dazu angeregt, den Flug zu buchen. Und es gibt keinen Anlass, diese Entscheidung zu bereuen. Ganz im Gegenteil. Die Landschaft, die meine vier Mit-Passagiere und ich zu sehen bekommen, ist absolut grandios. Sie erscheint völlig unberührt und hat vor tausenden von Jahren wohl schon genauso ausgesehen. Nur die Sichtverhältnisse sind zurzeit leider nicht besonders gut, was nach Auskunft des Piloten ausschließlich an den vielen Waldbränden liegt, die überall lodern und mit ihrem Rauch den Horizont verdunkeln. Er empfiehlt, in der Regenzeit wiederzukommen.

Vor dem Start auf dem Flughafen von Jabiru
Der East Alligator River
Das noch zum Teil überflutete Tiefland

Die Mamukala Wetlands stellen meinen letzten Anlaufpunkt im Kakadu National Park auf dem Weg nach Darwin dar. Fast alle Touristen begnügen sich hier mit einem kurzen Besuch in einem sichtgeschützten Versteck über dem Wasser, das vielleicht 100 m vom Parkplatz entfernt ist. Auf dem kilometerlangen Rundweg durch den Busch und am Ufer entlang begegnet mir dann genau ein anderer Naturliebhaber, der ebenso wie ich mit dem Fernglas unterwegs ist. Wasservögel der verschiedensten Arten bevölkern das Ufer, und erstmals überhaupt sehe ich eine gelbe Libelle mit schwarzen Streifen, die hier in großer Zahl vorkommt. Müsste ich ihr einen Namen geben, würde ich sie Tiger-Libelle nennen. Aber die gibt es schon, und sie sieht anders aus.

Wasservögel in den Mamukala Wetlands
Interessant gefärbte Libelle

Bereits außerhalb des Parks am Adelaide River wiederhole ich die Tour zu den Jumping Crocodiles, die ich vor 18 Jahren mit meinem Sohn Karl schon einmal gemacht habe. 50 AUD muss ich dafür investieren. Nachdem die Krokodiljagd 1971 verboten wurde, suchten viele von dem Verbot betroffene Personen ein neues Betätigungsfeld. Einige kamen auf die Idee, Touristen mit Booten zu den Krokodilen zu fahren und diese anzufüttern. Ein durchaus erfolgreicher Ansatz. Man kann darüber denken, wie man will, spektakulär und interessant ist es auf jeden Fall.

Bei der einstündigen Tour treffe ich auf einen alten Bekannten. Es handelt sich um „Agro“, den ich schon damals gesehen und fotografiert habe. Agro ist 6 m lang, inzwischen etwa 100 Jahre alt und der ungekrönte König des Adelaide Rivers. Er ist das größte lebende Krokodil, das ich jemals gesehen habe. Agro kommt freiwillig von seinem Liegeplatz am Ufer zum Boot geschwommen, um seine Portion Wildschwein-Fleisch abzuholen. Auch einige seiner „girl friends“, wie unsere Kapitänin die weiblichen Krokodile in der Umgebung nennt, bekommen ihre Fleischbrocken, aber erst, nachdem sie sich mächtig danach gestreckt haben.

„Agro“, 6 m lang und etwa 100 Jahre alt, der ungekrönte König des Adelaide Rivers
„Girl friend“ von Agro streckt sich nach einem Fleischbrocken.

Darwin hat sich seit meinen vergangenen Besuchen deutlich gemausert. Die Mall, die Haupteinkaufsstraße, scheint mir weitgehend unverändert, aber dahinter zum Meer hin ist mit der Darwin Waterfront ein neues Flanier-, Freizeit- und Vergnügungszentrum entstanden. Und zwar ein sehr gut gelungenes. Es macht ausgesprochen Spaß, sich hier umzusehen.

In Darwin, der Hauptstadt des Northern Territories
Koloniales Government House
Blick auf einen Teil der Darwin Waterfront

In Darwin möchte ich auch endlich mein Scheibenwischer-Problem lösen. Nachdem sich in Katherine und Nhulunbuy niemand der Sache annehmen wollte, habe ich mit entsprechendem Vorlauf einen Termin beim Bosch Car Service in Darwin gemacht. Die Fehlerursache wird dort im Innern des Wischermotors vermutet. Überraschenderweise stellt sich dann aber heraus, dass die Wischermotoren für Links- und Rechtslenker beim Toyota Landcruiser nicht identisch sind. Ein passender Ersatz ist nicht aufzutreiben. So wird alles wieder zusammengebaut, ich zahle etwas mehr als 150 AUD für Fehlersuche, Aus- und Einbau und habe mein Scheibenwischerproblem in unveränderter Weise weiterhin.

Und ein neues Problem kommt hinzu. Man rät mir dringend, mich statt des relativ unwichtigen Scheibenwischers lieber um den Kühler zu kümmern. Mit dem würden sie auf keinen Fall empfehlen, die noch ausstehenden ca. 4.000 km nach Perth zu fahren. Der Kühler stehe kurz vor dem Platzen. Entsprechende Verfärbungen, Abblätterungen und Haarrisse seien deutliche Warnzeichen. Na toll.

Ich fahre zu Bridge Toyota Im Zentrum von Darwin und schildere mein Problem. In 6 Tagen könnte man das Thema frühestens angehen, bekomme ich dort zu hören. Zuerst sollte ich aber bei den Kollegen im Ersatzteil-Department klären, ob ein passender Kühler überhaupt verfügbar ist. Das Computersystem dort hat aber leider keine Linkslenker gespeichert. Es ist auch nicht herauszufinden, ob die Kühler für Links- und Rechtslenker identisch sind. Das Interesse, mein Problem zu lösen, erscheint mir jetzt am Freitagnachmittag kurz vor dem Wochenende auch nicht gerade überschäumend groß zu sein. Die Weltfirma Toyota bekommt das Thema jedenfalls nicht geregelt. Vor zwei Jahren in Kanada hatte ich dieses Problem in ähnlicher Weise schon einmal. Damals war es der Generator für unseren exotischen Landcruiser mit Diesel-Antrieb, dieses Mal ist es das Thema Links- statt Rechtslenker. Leoni existiert für „das System“ wieder einmal nicht, die Chassisnummer ist nicht existent.

Nach dem ganzen Hin und Her bin ich nicht sonderlich amused, erfahre dann aber nach einigem Insistieren, dass es im Vorort Berrimah einen erfahrenen Kühler-Spezialisten namens Basil gäbe. Und dieser Hinweis bringt die Rettung. Die Firma Berrimah Radiators besteht nur aus genau drei Personen, aber der Inhaber Basil beherrscht sein Geschäft im Gegensatz zu anderen aus dem Effeff. Schon wenige Minuten nach meinem Eintreffen vermisst er Leonis Kühler, geht in sein Lager und kommt mit der Botschaft zurück, dass er passenden Ersatz verfügbar hat. Dann fragt er mich, ob er den Einbau am nächsten Morgen, einem Samstag, oder lieber am Montagmorgen machen soll. Ich nehme natürlich den Samstag. Wir einigen uns auf 7.45 Uhr.

Nach zwei Stunden ist der Kühler ausgetauscht, und ich bin zwar um 845 AUD ärmer, aber froh, dass die drohende Gefahr eines platzenden Kühlers abgewendet ist. Dieses Risiko wurde übrigens von allen Beteiligten in gleicher Weise als sehr gravierend eingeschätzt.

Auf dem Hof vor Basils Werkstatt steht ein alter Toyota-Geländewagen, der im August 2000, also vor genau 18 Jahren, auf dem Werkstattgelände versehentlich von einem Flugzeug der australischen Luftwaffe (RAAF) mit einer Rakete getroffen wurde. Der F/A-18 Hornet Fighter Jet war abends bei Dunkelheit gerade im Anflug auf den benachbarten Luftwaffenstützpunkt, und der Pilot hatte den „Verlust“ seiner Rakete gar nicht bemerkt. Zum Glück wurde niemand verletzt.

Der Vorfall ging natürlich durch die Presse und verhalf Basil zu einiger Berühmtheit. Den demolierten Toyota mit dem Kennzeichen MISSILE (deutsch: Rakete) nutzt er seither zu Werbezwecken. Eine Raketen-Attrappe steckt in anschaulicher Weise im Vorderteil des Toyota-Wracks. Basils aktuelles Auto hat das Kennzeichen MISILE. Mit einem „S“. Das in richtiger Schreibweise mit zwei „S“ ist ja bereits vergeben.

Vorn im Bild der von einer Rakete der australischen Luftwaffe (RAAF) zerstörte Toyota von Berrimah Radiators, dahinter Leoni

Ein Thema bleibt noch nachzutragen. Während ich bei Bosch Car Services warte, gibt es einen heftigen Mail-Austausch mit dem Agenten im Hafen von Fremantle. Ich hatte mich für die Verschiffung von Leoni auf den 4. Oktober festgelegt, und der Agent will das zunächst nicht akzeptieren, weil ihm der Abstand zum Verfallsdatum des Carnet de Passages am 9. Oktober zu knapp erscheint für den Fall, dass das Schiff Verspätung haben sollte. Er will mich bewegen, auf das vorhergehende Schiff am 18. September umzubuchen und ihm Leoni bereits am 10. oder 11. September zu übergeben. Das würde bedeuten, dass ich mich mehr oder weniger sofort auf den Weg zum Hafen machen müsste. Ich will aber noch möglichst ausführlich die Kimberley in Western Australia bereisen, ein Highlight, auf das ich mich schon lange freue. Das Zentrum mit Alice Springs, Ayers Rock, etc. habe ich notgedrungen schon vor einigen Wochen von meiner aktuellen Agenda streichen müssen. Es ist einfach nicht mehr genug Zeit da. Ein Jahr für Australien ist zu kurz, auch wenn das „normale“ Urlauber nicht glauben wollen oder können. Wobei das Streichen des Roten Zentrums für mich nicht ganz so tragisch ist. Schließlich war ich schon zweimal da und habe mir bereits vieles intensiv angeschaut.

Die Argumente wogen hin und her, und schließlich einigen wir uns doch auf das Schiff am 4. Oktober und die frühzeitige Abgabe von Leoni am 26. September. Den Rückflug nach Deutschland buche ich am Abend vom Campground aus für den 27. September. Damit ist dieses emotionsbeladene Thema wieder vom Tisch, hoffentlich endgültig.

Rund um Darwin gibt es auch in der Trockenzeit viele Möglichkeiten, Wassersport zu betreiben, und das nicht nur am Meer, sondern auch im Landesinneren. Damit ist jetzt nicht nur Wassersport im Sinne von Bootfahren und Angeln gemeint, sondern auch  von Baden und Schwimmen. Nur müssen die Krokodile in den betreffenden Bereichen zu Beginn jeder Trockenzeit immer wieder neu eingesammelt und entfernt werden. Schilder weisen an potenziellen Badestellen darauf hin, dass nach bestem Wissen und Gewissen keine Salzwasserkrokodile vorhanden sind, dass aber immer ein gewisses Restrisiko besteht.

Berry Springs ist einer der beliebtesten Freizeitparks mit Badegelegenheit. Mehrere hintereinander liegende Pools  mitten in dichtem Wald werden aus einer kräftig sprudelnden Quelle gespeist, und das Bad in dem vergleichsweise warmen Wasser ist eine erquickende Wohltat.

Krokodil-Warnschilder in Berry Springs
Badebetrieb in Berry Springs

Noch besser und vielfältiger sind die Bademöglichkeiten im Litchfield National Park. Dieser ist allerdings ein ganzes Stück weiter von Darwin entfernt. Mir persönlich gefällt dieser Park ganz besonders gut. Etliche malerische Wasserfälle ergießen sich in ansehnliche Plunge Pools. In vielen davon ist das Baden erlaubt und auch vorgesehen, doch auf das Krokodil-Restrisiko wird stets hingewiesen.

Nach dem Besuch der berühmten Magnetic Anthills, die von Magnetic Termites (amitermes meridionalis) aus Gründen der internen Temperaturregelung exakt von Nord nach Süd ausgerichtet sind,  und einem kurzen Erfrischungsbad in den Buley Rockholes fahre ich zum Campground bei den Wangi Falls und schlage dort für zwei Tage mein Lager auf. Der Platz hat einen unschlagbaren Standortvorteil: Kurze Wege zum Wasser. Bei meiner Ankunft an einem Sonntagnachmittag ist im Uferbereich noch alles von Tagesausflüglern aus Darwin überfüllt. Am nächsten und auch am übernächsten Morgen habe ich dann direkt nach dem Aufstehen den See ganz für mich allein. Das Schwimmen ist ein absolut himmlisches Vergnügen.

Eingang zum Litchfield National Park
Magnetic Anthills, erbaut von Magnetic Termites (amitermes meridionalis)
Die Buley Rockholes
Florence Falls
Wangi Falls

So ganz allmählich neigt sich meine Zeit im Northern Territory dem Ende zu. Über Katherine geht es nun wieder nach Westen, zunächst in die Kimberley und dann weiter zum Verschiffungshafen in Fremantle.

 

3 Comments

  1. Bernd said:

    Hallo Leoni-Rider,
    na dann hast du ja nicht mehr viel Zeit für den Westen. Du kannst mir ja schon mal mitteilen, wann du das oben im Text stehende bei den Globetrottern zum Vortrage bringen willst.
    Wir sind gespannt.
    Gruß

    29. August 2018
    Reply
  2. Andreas Nobis said:

    … dieser Abschnitt der Reise war ja ein ganz besonderer „Leckerbissen“! Und es war Neuland für dich (wo gibt es so etwas noch auf dieser Welt). Neben dem Termin bei den Globetrottern sollte du alsbald auch an einen Termin mit uns denken.
    Noch viel Spaß und viele neue Eindrücke „auf den letzten Kilometern“!
    Andreas

    29. August 2018
    Reply
  3. ELke Kunz said:

    Hallo Franz,
    wieder waren wir mit Interesse Deine „Beifahrer“. Und in Leoni mußtest Du noch ordentlich investieren, was ja absolut richtig war.
    Wir wünschen Dir auf dem letzten Stück Australien gute Fahrt und einen angenehmen Rückflug in die Heimat. Ich denke, wir sehen uns im Dezember in K.
    Mit lieben Grüßen Dieter und Elke

    10. September 2018
    Reply

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