Tierra del Fuego – Die Südspitze Südamerikas

Von Punta Arenas aus setzen wir mit der Fähre nach Porvenir auf Tierra del Fuego, zu deutsch Feuerland, über. Den Namen hat diese große Insel von Fernando de Magellanes, der bei seiner Weltumseglung 1520 die heute Magellan-Straße genannte Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik entdeckte und sich über die vielen flackernden Lagerfeuer der Eingeborenen am Ufer wunderte.
Die Gesamtfläche des Feuerland-Archipels beträgt 73.500 qkm. Politisch ist Feuerland geteilt. Der größere Westteil gehört zu Chile, der kleinere Ostteil zu Argentinien. Bezüglich der Einwohnerzahl und der wirtschaftlichen Bedeutung ist das Verhältnis allerdings umgekehrt. Der chilenische Teil ist fast unbesiedelt und kommt nur auf ca. 14.000 Einwohner, während der argentinische Teil allein mit Ushuaia zum Einen über eine vergleichsweise sehr große Stadt mit ca. 60.000 Bewohnern und zum Anderen quasi über das Eingangstor zur Antarktis verfügt. Ca. 90% aller Antarktis-Besucher reisen über Ushuaia an.

Im Hafen von Porvenir auf Feuerland
Im Hafen von Porvenir auf Feuerland

Bei unserer Überfahrt ist es frisch, um nicht zu sagen kalt, und komplett bewölkt. Unterwegs kommt dann auch mal kurz die Sonne raus. Wir sehen an Steuerbord ein paar Wale blasen, und schon nach knapp zwei Stunden sind wir auf der anderen Seite der Meerenge. Sehr schnell sind wir von Bord und fahren die Piste an der Bahia Inútil entlang Richtung San Sebastián und argentinische Grenze. Die Piste ist in gutem Zustand, der Westwind sehr stark und die Gegend sehr einsam. Landschaftlich unterscheidet sich der nördliche Teil Feuerlands kaum von Patagonien. Es ist vergleichsweise flach und sehr trocken, und links und rechts der Piste ist wie dort alles eingezäunt (s. auch Übersichtsbild über diesem Beitrag). Ab und zu sieht man auf den riesigen Weiden mal ein paar Pferde oder Schafe. Am Nachmittag finden wir eine Gruppe alter Zypressen am Wegrand. Diese fallen sehr auf, denn ansonsten ist alles weit und breit völlig baumlos. Wir machen im Windschutz der Bäume Mittagspause und beschließen später, hier auch zu übernachten.

Selten sieht man auf Feuerland so viele Schafe auf einmal
Selten sieht man auf Feuerland so viele Schafe auf einmal
Ungewöhnlicher Übernachtungsplatz unter Zypressen
Ungewöhnlicher Übernachtungsplatz unter Zypressen

Nach einer ruhigen, ungestörten Nacht stehen am Morgen ein paar Guanakos in unserer Nähe. Gegen 9 Uhr fahren wir weiter. Es ist stark bewölkt, und immer wieder fallen ein paar Tropfen Regen. Die Piste ist zunächst weiterhin gut, wird dann aber immer schlechter. Kurz vor der Grenze fängt es richtig an zu regnen, für die ausgetrocknete Landschaft sicher ein Segen. Außerdem staubt die Piste jetzt nicht mehr so. Die Ausreise aus Chile bringen wir sehr schnell und routiniert hinter uns, aber dann kommt die Einreise nach Argentinien, und die ist komplexer. Draußen vor dem Zollgebäude besagt ein großes Schild, dass die Einfuhr aller pflanzlichen und tierischen Lebensmittel nach Argentinien verboten ist. Das wussten wir zwar, aber bislang wurde dieses Thema bei unseren Einreisen nach Argentinien sehr lax gehandhabt. Ist das hier anders? Das Schild könnte darauf ein Hinweis sein. Bevor wir das Gebäude betreten, essen wir sicherheitshalber so viele unserer Pfirsiche, Pflaumen, Birnen und Äpfel, wie nur reingehen. Drinnen werden zunächst zügig die Pässe gestempelt. Danach kommt ein schwierigerer Vorgang: Die Zolldeklaration für Leoni wird ausgestellt, was einiges an Hin und Her erfordert. Als letztes kommt der kritische dritte Schritt, die Lebensmittelkontrolle, die draußen erfolgen soll. Wir fahren mit Leoni vor, und der Uniformierte an der Schranke winkt uns mit einem lässigen „Adelante“ durch, was unter Umständen am strömenden Regen liegt. Wir haben jedenfalls Glück gehabt und dürfen unser Rest-Obst, die Tomaten, Kartoffel, etc. behalten. Hinter dem argentinischen Posten fängt auch die lang ersehnte Teerstraße wieder an. Wir schweben in der Folge auf Asphalt gen Süden. Es regnet weiterhin sehr kräftig, und wir freuen uns über sommerliche 8 Grad Celsius. Immerhin plus.
Bis Tolhuin, ca. 100 km vor Ushuaia, wo wir am Ufer des Lago Fagnano an einem idyllischen Plätzchen übernachten, hat sich die Landschaft komplett verändert. Der südliche Teil von Feuerland unterscheidet sich nämlich sehr stark vom Nordteil. Die Ausläufer der Anden und sehr viel Wald bestimmen jetzt das Bild. Und zwar „richtiger“ Wald. Nicht ein paar verkrüppelte Bäumchen, sondern dicke, große, massive Bäume. Der Wald auf Feuerland wurde zwar auch großräumig vernichtet, um Bau- und Feuerholz, vor allem aber Weideflächen zu gewinnen, die Reste von abgebrannten Waldflächen sind neben der Straße noch sehr gut sichtbar. Aber dichter, offenbar unberührter Wald wird immer häufiger, vor allem die Berghänge hinauf. Die Baumgrenze sieht dabei für mich ungewöhnlich interessant aus. Ohne Übergang hört der Wald einfach auf. Ganz scharfe Grenzen sind überall oben in den Bergen sichtbar.
Am nächsten Morgen haben wir eine Premiere. Das Außen-Thermometer zeigt -0,1 Grad Celsius an. Wir haben Frost, und das mitten im (Süd-) Sommer. Der Himmel ist klar, und bald bescheint uns wieder die Sonne. Die weitere Fahrt nach Ushuaia geht dann durch regelrechtes Hochgebirge. Wir sind darüber echt überrascht. Um uns herum herrliche Wälder und Seen – wie in den Alpen.

Kurz vor Ushuaia. An der Bucht von Lapataia ist dann das Ende der Panamericana erreicht.
Kurz vor Ushuaia. An der Bucht von Lapataia ist dann das Ende der Panamericana erreicht.
Feuerland, wie man es eher nicht kennt
Feuerland, wie man es eher nicht kennt

Ushuaia ist eine reine Touristen-Stadt. Die meisten Besucher kommen allerdings nicht wie wir auf dem Landweg, sondern per Kreuzfahrtschiff oder Flugzeug. Bei unserer Ankunft liegen allein drei unterschiedlich große Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Die erste Nacht verbringen wir mit einer Reihe anderer Overlander auf einem schön gelegenen Campingplatz am Stadtrand.
Am folgenden Tag besuchen wir das in ein Museum umgestaltete alte Gefängnis der Stadt. Wie Sydney in Australien war Ushuaia in seinen Anfängen vor gut hundert Jahren im Wesentlichen eine Sträflingskolonie. Das imposante Gefängnis, das Presidio, wurde von den Gefangenen selbst gebaut. Die Geschichte von Ushuaia ist im Inneren ausführlich dargestellt, weiterhin die Antarktis-Expeditionen der letzten zweihundert Jahre, und auch die verschiedenen Pinguin-Arten werden in ausgestopfter Form vorgestellt.

Touristenzentrum Ushuaia
Touristenzentrum Ushuaia
An leiblichen Genüssen mangelt es in Ushuaia nicht
An leiblichen Genüssen mangelt es in Ushuaia nicht

Eine weitere Attraktion von Ushuaia ist der nahegelegene Nationalpark Tierra del Fuego. Hier verbringen wir auf verschiedenen Campingplätzen ein paar Tage bei leider sehr durchwachsenem Wetter. Es ist nasskalt, und die Temperatur erreicht tagsüber kaum einmal 10 Grad. Aber das wird kompensiert durch die herrliche Natur. Der fast undurchdringliche Urwald mit seinen Baumriesen ist besonders beeindruckend. Die Lage direkt am Beagle-Kanal tut ihr Übriges. Auf gut ausgestalteten Wanderwegen erkunden wir den Park, meist, aber nicht immer, bei leichtem Nieselregen.

Urwald im Parque Nacional Tierra del Fuego
Urwald im Parque Nacional Tierra del Fuego
Am Beagle-Kanal
Am Beagle-Kanal
Auch auf Blumen braucht man in Feuerland nicht zu verzichten
Auch auf Blumen braucht man in Feuerland nicht zu verzichten

Im Besucher-Zentrum wird in sehr ausführlicher und eindrucksvoller Form das Leben der Ureinwohner, der Yámana und Tehuelches, dargestellt. Diese Völker, die perfekt an das Leben in dieser sehr unwirtlichen Region angepasst waren, wurden vor gut 100 Jahren komplett vernichtet. Zum Teil durch eingeschleppte Krankheiten, zum Teil durch gezielte Tötungskampagnen von Siedlern und Militär. Für einen toten Indianer wurde zeitweise Kopfgeld bezahlt.

Am Ende – oder Anfang – der Panamericana. Bis Alaska sind es gemäß Schild 17.848 km.
Am Ende – oder Anfang – der Panamericana. Bis Alaska sind es gemäß Schild 17.848 km.

Im Nationalpark liegt auch das Ende der Panamericana. Oder der Anfang, ganz wie man will. Ein Schild weist darauf hin, dass Alaska genau 17.848 km entfernt ist. Nach unserem kurz bevorstehenden Abstecher in die Antarktis ist genau das, nämlich Alaska, unser nächstes großes Ziel. Ich freue mich schon auf die Gesichter der Polizisten bei den zukünftigen Verkehrskontrollen, wenn ich auf die regelmäßig wiederkehrende Frage „Ádonde viaje – wohin reisen Sie?“ antworten werde: „Á Alaska, Señor.“

3 Comments

  1. Hallo Herr Thoren,
    So sieht bzw. Schreibt man sich wieder 🙂
    Bin seit letztem Montag in Toronto und nächste woche geht’s los richtung westen … all the way through canada und dann nach alaska.
    Falls das wetter mitspielt bis prudhoe bay und von dort richtung Süden. D.h. wir werden uns vielleicht irgendwo auf halber strecke begegnen. Falls dem so ist, würde ich mich über eine tasse kaffee natürlich riesig freuen. Bin mit dem motorrad unterwegs. Alles weitere auf meiner homepage.
    L.G.
    Matthias Neef

    28. April 2015
    Reply
    • Franz said:

      Hallo Herr Neef,
      ich stolpere gerade über Ihren Kommentar, den ich noch nicht beantwortet habe. Sorry. Wir sind aktuell in Bolivien und grundsätzlich auf der Panamericana unterwegs Richtung Norden. In Alaska wollen wir im (Nord-) Sommer 2016 sein. Wenn Sie dann noch unterwegs sind, wäre ein Treffen unterwegs natürlich schön. Auf Ihrer Homepage kann ich aktuell nichts nachsehen, da ich nicht weiß, wie sie heißt.
      Viele liebe Grüße
      Franz Thoren

      30. Juni 2015
      Reply
  2. Jutta Feiter said:

    Hi, wünsche weiterhin viel Spaß und viele tolle Eindrücke !!
    Viele Grüße
    Jutta

    23. Juni 2015
    Reply

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