Tasmanien

An Bord der „Spirit of Tasmania“, auf der Überfahrt von Melbourne nach Devonport auf Tasmanien, lerne ich Anna und Heiner aus unserem Nachbarort Rutesheim kennen. Die Beiden sind mit ihrem Toyota Landcruiser, genau wie Leoni mit Leonberger Kennzeichen, auf dem Landweg über Mittelasien und Sibirien nach Australien angereist und inzwischen seit anderthalb Jahren unterwegs. Über Internet hatte ich schon vor Monaten Kontakt mit den Beiden aufgenommen und jetzt nach einigen Iterationsschritten festgestellt, dass wir zufälligerweise den exakt gleichen Fährtermin nach Tasmanien gebucht haben: Sonntag, 21. Januar, 9.00 Uhr. Es gibt Zufälle, die hält man nicht für möglich.

Die 9,5 Stunden der sehr ruhigen Überfahrt vergehen wie im Flug, denn wir können uns gegenseitig viel erzählen. Auch den ersten Abend auf Tasmanien verbringen wir gemeinsam, mit reichlich Merlot aus dem Barossa Valley. Und so stehen zwei LEOs fern der Heimat einträchtig nebeneinander.

Zwei LEOs auf dem kostenlosen Stellplatz in Forth
Straßenkarte Tasmanien, aus dem Iwanowski-Reiseführer Australien

Unser kostenloser Übernachtungsplatz ist ein dafür offiziell vorgesehener Sportplatz in Forth, etwa 15 km vom Fähranleger in Devonport entfernt. Wir erfahren, dass es auf Tasmanien eine Vielzahl solch kostenloser Stellplätze gibt, ebenso wie Dump Points zum Entleeren der Toiletten-Kassette. Beides wird sich in den nächsten Wochen eindrucksvoll bestätigen.

Mein nächster Übernachtungsplatz in Boat Harbour Beach gehört auch in die Kategorie kostenlose Campingplätze, was ich angesichts der geradezu genialen Lage zunächst gar nicht glauben kann. Das Wetter ist grandios, und als ich die steile Abfahrt zum Strand hinunter fahre, habe ich das Gefühl, in der Karibik zu sein. Strahlende Sonne, weißer Sand, türkisblaues Meer. Ich platziere Leoni auf einer Wiese auf einer schmalen Landzunge. Auf der einen Seite,  keine zehn Meter entfernt von Leonis Kabinentür, eine sanft geschwungene felsige Bucht, und auf der anderen Seite ein kilometerlanger Sandstrand. Ein Restaurant direkt am Strand serviert sehr ordentliche Gerichte, das Meer hat zwar nicht gerade karibische Temperaturen, lässt aber einen auch längeren Aufenthalt im Wasser problemlos zu. Es ist ein Genuss, bei dem aktuell herrlichen Wetter eine ausgiebige Runde zu schwimmen.

Küstenabschnitt im Nordwesten Tasmaniens
Karibik? Malediven? Nein, Tasmanien, Boat Harbour Beach
Für pharmazeutische Anwendungen wird auf Tasmanien Mohn angebaut.
Gelbohr-Rabenkakadu

Ein Stück weiter westlich liegt die kleine Hafenstadt Stanley, im Schatten eines mächtigen Felsklotzes, dessen Hochebene man zu Fuß oder, wesentlich weniger schweißtreibend, auch mit einer Seilbahn erreichen kann. Stanley ist vergleichsweise winzig, beeindruckt mich aber mit auf motorisierte Touristen geradezu maßgeschneiderten Angeboten. Zunächst fahre ich am Ortseingang das ausgezeichnet ausgestattete Visitor Centre an und decke mich nicht nur mit detaillierten Unterlagen zu allen interessanten Punkten der Nordwest- und Westküste ein, sondern bekomme auch kompetente Antwort auf alle meine Fragen. Ein paar hundert Meter weiter befindet sich der Dump Point, wo ich auch kostenlos die beiden Tanks von Leoni mit Trinkwasser füllen kann. An der nächsten Straßenecke wartet der kleine, aber gut ausgestattete Supermarkt auf mich, der mir ermöglicht, meine Nahrungsmittel-Vorräte zu ergänzen. Und nach der Besteigung von The Nut, so heißt der alles überragende Felsklotz, statte ich dem Bottle Shop des Stanley Hotels einen Besuch ab und gehe im Restaurant des Hauses ausgezeichnet essen. Im Coffee Shop gegenüber runde ich das Ganze zum krönenden Abschluss schließlich mit einer hervorragenden Tasse Kaffee ab. Ich muss sagen, Stanley hat mir gut gefallen.

Straßenbild von Stanley, rechts das Stanley Hotel

Über Marrawah, Arthur River, Corinna und Zeehan fahre ich die Westküste entlang nach Süden bis nach Strahan am Macquarie Harbour. Von der Küste ist die meiste Zeit nichts zu sehen, und der Regenwald, den ich erwartet hatte, sieht über lange Strecken eher aus wie die kanadische Tundra.  Wald gibt es erstaunlicherweise nur selten. Erst kurz vor Corinna, wo ich mit der Fähre über den Pieman River übersetze, tauche ich für kurze Zeit in richtigen Urwald ein.

Immer wieder stehen an der Straße, die über knapp 100 km eine gut befahrbare Gravel Road ist, Hinweisschilder, die um Rücksicht auf die gefährdeten Tasmanian Devils (Beutelteufel) bitten. Diese nur noch auf Tasmanien vorkommenden Raubbeutler sind ohnehin durch einen grassierenden Gesichtskrebs (Devil Facial Tumour Disease) in ihrem Bestand gefährdet und als nachtaktive Tiere durch den Straßenverkehr zusätzlich bedroht. Da ich tagsüber unterwegs bin, bekomme ich vorerst keinen zu sehen.

Hinweisschild mit der Bitte um Rücksichtnahme auf die Tasmanian Devils (Beutelteufel)
Eher unkonventionelle Piste bei Strahan
Piste zwischen Arthur River und Corinna
In Corinna auf der Fähre über den Pieman River

Macquarie Harbour ist eine große Bucht an der Westküste Tasmaniens. Der südöstliche Teil gehört zum Franklin – Gordon Wild Rivers National Park und steht als Teil der tasmanischen Wildnis auf der Liste des UNESCO-Welterbes der Menschheit.

Vom Hafen von Strahan aus mache ich mit dem Ausflugsboot Lady Jane Franklin II einen abwechslungsreichen Ganztages-Ausflug. Zuerst geht es zu den Hells Gates, dem extrem schmalen und schwierigen Zugang zum Macquarie Harbour. Auf dem Weg begleiten uns Delfine, und wir fahren an riesigen Aquakulturen vorbei, in denen Atlantische Lachse gemästet werden. Der Kapitän manövriert das Schiff schließlich in den Gordon River hinein, und bald begleiten uns auf beiden Seiten imposante Regenwaldwände. In Heritage Landing geht es an Land und auf einem aufwändig gestalteten 400 m langen Boardwalk durch den Urwald.

Hells Gates, der extrem schmale und schwierige Zugang zum Macquarie Harbour
Delfine neben unserem Schiff
Aquakulturen für Atlantischen Lachs im Macquarie Harbour
Regenwald am Ufer des Gordon Rivers
Auf dem Gordon River. Man beachte die Spiegelung des Waldes auf der völlig unbewegten Wasseroberfläche.

Die letzte Station vor der Rückkehr nach Strahan bildet ein Besuch der ehemaligen Sträflingsinsel Sarah Island. Hier wurden von 1822 bis 1833 besonders schwierige Sträflinge untergebracht. Danach übernahm Port Arthur diese Funktion. Sarah Island hatte den Ruf, mit fast täglichen Auspeitschungen das schlimmste aller australischen Straflager zu sein. Der Tod am Galgen erschien vielen Gefangenen wie eine Erlösung. Ausbruchsversuche gab es viele, jedoch kaum erfolgreiche. Der bekannteste Ausbrecher war Alexander Pierce, der sogar zweimal ausbrach und auf der Flucht seine Mitausbrecher jeweils tötete und verspeiste.

Sarah Island spezialisierte sich auf den Boots- und Schiffsbau und war zeitweise die größte Werft Australiens. Das letzte hier gebaute, noch nicht ganz fertig gestellte Schiff, die Frederick, wurde von zehn Gefangenen gestohlen, die damit nach Chile in die Freiheit segelten. Vier von ihnen wurden allerdings Jahre später in Chile verhaftet, an Großbritannien ausgeliefert und nach Hobart zurückgebracht, wo ihnen immerhin der Galgen erspart blieb, da der Vorwurf der Piraterie vor Gericht nicht zu halten war.

Von Strahan aus fahre ich ins Landesinnere zum Lake St. Clair, und beim Einparken auf einem wilden Übernachtungsplatz passiert mir ein Missgeschick. Beim Rückwärtsfahren übersehe ich einen großen Stein und reiße den Kasten mit Brems- und Rückleuchte auf Leonis linker Seite fast komplett ab. Statt an zehn Nieten hängt das Ding jetzt nur noch an einem einzigen Niet. Aber zum Glück gibt es ja Panzerband. Ich überlege lange und finde dann eine Möglichkeit, den Kasten damit notdürftig zu befestigen. Ungeschickterweise ist es gerade Samstag und die nächstgelegene Werkstatt in New Norfolk gut 140 km entfernt.

Panzerbandkonstruktion zur notdürftigen Befestigung der abgerissenen Brems- und Rückleuchte

Vorsichtig fahre ich am nächsten Morgen zum Visitor Centre des nahe gelegenen Cradle Mountain –  Lake St. Clair National Parks. Das Panzerband hält. Wie immer seit meiner Ankunft auf Tasmanien ist herrliches Wetter, und ich entschließe mich, den Shadow Lake Loop zu erwandern. Dieser ist in der hervorragenden Broschüre „60 Great Short Walks“ der tasmanischen Regierung beschrieben. Wobei das Wort „short“ mit Vorsicht zu genießen ist. Denn fünf Stunden werden auch noch als „short“ gewertet. Die Gegend ist wunderschön, aber es ist auch wunderschön warm, und ich bin froh, als ich nach ziemlich genau fünf Stunden zurück bei Leoni bin. Ein erfrischendes Bad im Lake St. Clair rundet einen sportlich-aktiven Tag ab.

Einfahrt in den Cradle Mountain – Lake St. Clair National Park mit notdürftig befestigten Rücklichtern
Landschaft auf dem Shadow Lake Loop (1)
Landschaft auf dem Shadow Lake Loop (2)
Am Shadow Lake angekommen

Eine Rangerin empfiehlt mir, neben einem Hotel ganz in der Nähe kostenlos zu übernachten, und ich folge ihrem Rat. Das Panzerband hält immer noch, und in der Bar des Hotels gibt es frisch gezapftes Bier. Die Bedienung hinter der Theke stellt richtigerweise fest, dass ich mein Geld offenbar lieber in Bier als in Übernachtungskosten investiere. Ich telefoniere mit Hildegard, die noch am gleichen Tag in Frankfurt in den Flieger Richtung Australien steigt.

Auf der Fahrt nach New Norfolk halte ich etliche Male an, um die Festigkeit meiner Panzerband-Notlösung zu kontrollieren. Meine Sorgen sind jedoch unbegründet, es ist immer alles in Ordnung. Die Konstruktion hält. Die vierte angefahrene Werkstatt in New Norfolk erbarmt sich schließlich meiner. Mit ein paar Nieten wird die Kiste mit Brems- und Rückleuchte wieder ordnungsgemäß befestigt.

Reparatur der abgerissenen Brems- und Rückleuchte in New Norfolk

Pünktlich um 13.55 Uhr am 30. Januar landet Hildegard auf dem Flughafen von Hobart, und es gibt ein freudiges Wiedersehen. Leider ist schon am Vortag das Wetter umgeschlagen. Es regnet. Nach unserer Fahrt zur Fortescue Bay im Tasman National Park räumt Hildegard ihr Gepäck in Leoni ein und hält bewundernswerterweise bis kurz nach 21 Uhr Ortszeit durch. Sie muss dann einiges an Schlaf nachholen und hat zusätzlich immerhin 10 Stunden Zeitverschiebung zu verkraften.

Auch am nächsten Tag hält das Regenwetter an. Dies ist nicht weiter tragisch, denn so gelingt es Hildegard besser, den Übergang vom deutschen Winter in den tasmanischen Sommer zu schaffen. Zudem wird erstmals seit vielen Wochen in Leoni wieder ordentlich gekocht. Über meine mehrfachen dilettantischen Versuche der vergangenen Wochen, diverse Gemüsesuppen herzustellen, möchte ich aber gerne den Mantel des Schweigens hüllen.

Hildegard ist wieder da. Endlich gibt es in Leoni wieder was Gescheites zu essen. Im gezeigten Beispiel Hühnchen-Curry in Cocos-Milch mit frischem Ananas.

Am späten Nachmittag wird der Regen geringer, und wir laufen am Ufer der Fortescue Bay entlang bis zur Canoe Bay, wo einige Segelboote geschützt vor Anker liegen. Bis auf ein paar Pademelons, zu deutsch angeblich Filander, eine auf Tasmanien sehr häufige kleine Känguru-Art, und ein paar schöne Ausblicke auf die bewaldete Küste gibt es davon wenig zu berichten.

Die Fortescue Bay im Tasman National Park im Regen
Pademelon / Filander
Auf dem Weg zur Canoe Bay

Der Regen lässt in der Nacht weiter nach und hört am Morgen ganz auf. Bis zum Mittag ist es noch stark bewölkt, doch dann kommt die Sonne raus. Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon lange unterwegs auf dem Wanderweg zum Cape Hauy, der auch zu den 60 Great Short Walks gehört. Für das Cape Hauy brauchen wir vier Stunden reine Laufzeit. Der Weg ist außerordentlich aufwändig präpariert. Geschätzt die Hälfte führt über steinerne Treppenkonstruktionen, deren Bau enorme Summen verschlungen haben muss. Nach steil rauf kommt regelmäßig steil runter, und wir sind am Ende rechtschaffen müde. Aber die Landschaft ist toll und entschädigt für alles. Die steilen Klippen am Kap fallen fast senkrecht zum Meer ab. Ein Highlight für Hildegard ist ihr erster Ameisenigel (Echidna), der überraschenderweise „blond“ ist wie seine Artgenossen auf Kangaroo Island. Eigentlich müsste er hier auf Tasmanien deutlich dunkler sein.

Am Cape Hauy im Tasman National Park
Hildegards erster Ameisenigel (Echidna)
Ameisenigel in „blonder“ Ausführung

Ganz in der Nähe des Tasman National Parks liegt das ehemalige Straflager Port Arthur. 1830 gegründet beherbergte es bis zu 1.200 Sträflinge und 1.000 freie Siedler. 1877 wurde Port Arthur geschlossen, und die weitläufigen Anlagen verfielen. Heute ist es nach umfangreichen Restaurierungen die bekannteste und meistbesuchte Touristenattraktion Tasmaniens. Also müssen auch wir hin. Für die stramme Eintrittsgebühr von 39 Australischen Dollar pro Person bekommt man eine 40minütige Führung, bei der ein einstudierter Text lustlos heruntergeleiert wird, eine wenig interessante 20minütige Bootsfahrt durch den Hafen mit immerhin malerischer Umgebung und die Möglichkeit, sich anschließend auf dem Gelände individuell umzusehen. Das tun wir, sind aber wenig beeindruckt und bald wieder zu neuen Zielen unterwegs.

Das Penitentiary, die ehemalige Gefangenenunterkunft in Port Arthur
Die Ruine der Kirche von Port Arthur

Unseren nächsten Stopp nur ein paar Kilometer entfernt finden wir wesentlich interessanter. Denn im Tasmanian Devil Unzoo bekommen wir neben vielen anderen einheimischen Tieren in deren möglichst natürlich gehaltener Umgebung endlich auch Tasmanian Devils, also Beutelteufel, zu Gesicht. Die normalerweise nachtaktiven Devils sind hier so konditioniert, dass sie tagsüber gefüttert werden, wobei sie für Besucher sichtbar sind. Wir sind bei einer Fütterung dabei und können diese kleinen Fressmaschinen aus nächster Nähe beobachten. Kein Säugetier bringt eine höhere Beißkraft (gemessen in N/qcm) auf als der Tasmanian Devil, und wenn er die Möglichkeit dazu hat, verschlingt er Beute von bis zu 40% seines Körpergewichtes in kürzester Zeit. Wie der Tierpfleger lachend erzählt, entspräche das bei ihm einem gewaltigen Steak von 35 kg innerhalb einer halben Stunde. Liebenswerte kleine Kerle.

Tasmanian Devil (Beutelteufel) beim Fressen
Tasmanian Devils (Beutelteufel) während einer Fresspause
Tasmanian Devils (Beutelteufel) zum Liebhaben

Auf unserem weiteren Weg in den Südosten Tasmaniens müssen wir zwangsläufig mitten durch Hobart. Da gerade Samstag ist, nutzen wir die Chance, dem berühmten Salamanca Market, der jeden Samstagmorgen stattfindet, einen Besuch abzustatten. Es herrscht Jahrmarktatmosphäre bei allerdings durchaus hochwertigem Angebot. Im Begleitprogramm zeigt u.a. die zünftig gekleidete Derwent Scottish Pipe Band ihr Können mit dem Dudelsack.

Innenstadt von Hobart
Derwent Scottish Pipe Band am Rande des Salamanca Markets
Attraktives Angebot der Victoria Tavern

Nach einem kurzen Rundgang durch den Stadtkern von Hobart fahren wir nach Kettering und nehmen die Fähre nach Bruny Island. Diese nach dem französischen Seefahrer und Entdecker Joseph Antoine Raymond Bruny d´Entrecasteaux benannte Insel besteht aus zwei Teilen, die durch eine schmale Landzunge, The Neck, miteinander verbunden sind. Genau hier befindet sich ein Aussichtspunkt, der nach Truganini benannt ist, einer der letzten reinrassigen Angehörigen der tasmanischen Aborigines und der bekanntesten Gestalt in deren Geschichte.

Schon kurz nach Beginn der britischen Besiedlung, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, erfolgte die mehr oder weniger systematische Ausrottung der tasmanischen Aborigines. In regelrechten Hetzjagden wurden sie zusammengetrieben und massakriert. Eingeschleppte Krankheiten taten ein Übriges. Eine der wenigen, die diese Zeit überlebten und über deren Leben sehr viel bekannt ist, war die 1812 geborene Truganini, die im Jahre 1876 starb. An ihrem Leben lässt sich das Schicksal der tasmanischen Aborigines gut veranschaulichen. Ihre Mutter wurde in ihrem Beisein von Weißen umgebracht. Auch Ihr Onkel erlitt dieses Schicksal. Ihre Schwestern wurden entführt und als Sex-Sklavinnen gehalten. Ihr Verlobter wurde gemeinsam mit einem anderen Aborigine-Mann von ihnen gut bekannten weißen Siedlern aus einem Boot über Bord ins Meer geworfen. Als die Beiden versuchten, wieder ins Boot zu klettern, wurden ihre Hände mit einem Beil abgehackt, und man ließ sie ertrinken. Die 17jährige Truganini wurde anschließend von den Tätern zigfach vergewaltigt. In den letzten Jahren ihres Lebens war ihre größte Sorge, dass ihr Körper nach ihrem Tod seziert und öffentlich zur Schau gestellt werden würde. Und genau das geschah. Ihr Skelett wurde über viele Jahre in einem Museum der Öffentlichkeit präsentiert. Erst genau hundert Jahre später erreichte die Aboriginal Community die Rückgabe. Ihre Überreste wurden dann dem letzten Willen von Truganini entsprechend eingeäschert und im Meer verstreut.

Schafe auf Bruny Island
Nach Truganini benannter Aussichtspunkt auf Bruny Island
Erinnerungsstein für Truganini, die bekannteste Gestalt in der Geschichte der tasmanischen Aborigines

Im South Bruny National Park umrunden wir die Labillardière Peninsula, auf einem weiteren der 60 Great Short Walks, was uns fast fünf Stunden schweißtreibender Anstrengung kostet. Nur wenige Touristen schaffen es bis in diese äußerste Ecke der Insel. Die meisten tummeln sich im Bereich der malerischen und gut erreichbaren Adventure Bay, die von praktisch allen großen Seefahrern früherer Jahrhunderte angelaufen wurde, von Abel Tasman über James Cook, William Bligh, Bruny d´Entrecasteaux, Matthew Flinders bis hin zu Nicolas Baudin. Der Grund lag zum Einen in der geschützten Lage der Bucht, vor allem aber am Vorhandensein von großen Mengen Süßwasser. Mehrere breite Flüsse mit kristallklarem Wasser münden hier in die Bucht.

Auf der Labillardière Peninsula

In Cockle Creek sind wir wieder auf dem tasmanischen Festland und am südlichsten Punkt des australischen Straßennetzes angekommen. Ein paar hundert Meter hinter dem Eingang zum Southwest National Park ist Schluss. Ab hier geht es nur noch zu Fuß weiter. Die Landschaft ist atemberaubend schön und das Wetter weiterhin herrlich. Der Cockle Creek mündet in eine weite sandige Bucht, die Recherche Bay, hinter der äußerst malerisch die bewaldeten Berge des Inselinnern aufragen. Wir finden einen genialen Stellplatz und stehen mehrere Tage kostenlos nur wenige Meter vom Fluß, dem Parkeingang auf der anderen Seite der Brücke und dem Strand entfernt. Das Wasser in der Bucht ist recht frisch, was uns aber nicht vom Schwimmen abhalten kann.

Zunächst wandern wir zum Fisher Point und haben das Gefühl, tief in der Südsee zu sein. Die Szenerie ähnelt tatsächlich der auf Moorea oder Bora Bora. Unsere erste Schlangenbegegnung haben wir auf dieser Wanderung auch. Eine ca. 1 m lange giftige Schwarze Tigerotter (Tiger Snake) flüchtet vor mir, weg vom Weg ins Gebüsch. Viele Wanderer sind vor allem wegen der Schlangen sicherheitshalber mit Gamaschen unterwegs. Wir selbst begnügen uns mit festen Schuhen und langen Hosen, wundern uns aber immer wieder über andere Zeitgenossen, die in kurzen Hosen, mit Sandalen, Badelatschen oder sogar nackten Füßen im unübersichtlichen Gestrüpp unterwegs sind.

An der Recherche Bay im Southwest National Park
In der Nähe des Fisher Points

Die Wanderung zur South Cape Bay ist das Endstück des berühmten 7tägigen South Coast Tracks und gleichzeitig einer der 60 Great Short Walks. Wir sind überrascht, wie viele Wanderer außer uns hier unterwegs sind. Ohne große Steigungen führt der Weg zunächst am Cockle Creek entlang durch den Wald. Es folgt die Durchqerung einer feuchten Heidelandschaft auf einer aufwändigen Boardwalk-Konstruktion, bevor uns wieder Wald umfängt. Als sich dieser schließlich öffnet, liegt nach gut zwei Stunden die äußerst malerische South Coast Bay vor uns. Im Anschluss an eine ausgiebige Mittagspause treten wir den Rückmarsch an, und bei einem Bad im Mündungsbereich des Cockle Creeks waschen wir abschließend Schweiß sowie aufgetretene Ermüdungserscheinungen wieder ab.

South Cape Bay (1)
South Cape Bay (2)

Erwähnen möchte ich noch unseren Stellplatz-Nachbarn in Cockle Creek, der mich anspricht, als ich gerade vor Leoni in der Sonne sitze. „It´s a beauty“, meint er, auf Leoni zeigend. Ich freue mich, dass diese unbestreitbare Tatsache auch von anderen Kennern der Materie wahrgenommen und anerkennend ausgesprochen wird.

Den Besuch des Mount Field National Parks haben wir uns nicht vorgenommen, weil dies zusammen mit dem Freycinet National Park der älteste National Park von Tasmanien ist. Vielmehr hatte mir eine Rangerin am Lake St. Clair den Tipp gegeben, hier nach Schnabeltieren Ausschau zu halten. Hier wäre die Chance einer Sichtung mit am größten. Kurz vor 17 Uhr erreichen wir das Visitor Centre, das Punkt 17 Uhr seine Pforten schließt. Die von uns befragte Rangerin zeigt uns, nachdem wir unseren Stellplatz auf dem benachbarten Campingplatz gebucht haben, noch schnell auf einer Karte, wo wir die heiß begehrten Schnabeltiere suchen müssen: Im Tyenna River, einem Nebenfluss davon sowie im Lake Dobson. Für mehr reicht die Zeit nicht. Es ist 17 Uhr.

Wir nehmen unseren Stellplatz unmittelbar am Ufer des genannten Tyenna Rivers ein und laufen am Fluss entlang, um uns nach Schnabeltieren umzuschauen. Und bereits um 17.30 Uhr hat Hildegard eines gefunden, das ich auf seiner Schwimmtour flussaufwärts anschließend hunderte Meter weit mit der Kamera verfolge. Ich schieße ca. 50 Fotos, aber es ist kein einziges gutes dabei. Zwei Tage später entdeckt Hildegard dann ein zweites Schnabeltier, dieses Mal in besagtem Nebenfluss. Wieder bin ich im Unterholz mit der Kamera hinter dem Tier her, und dieses Mal deutlich zufriedener mit der Ausbeute.

Schnabeltier im Mount Field National Park

Die Schnabeltiere sind natürlich nicht die einzige Besonderheit des Mount Field National Parks. Die meistbesuchte und meistfotografierte Attraktion sind die wunderschönen Russell Falls. Wenn gerade ein Kreuzfahrtschiff in Hobart angelegt hat, kommen Kolonnen von Bussen, die hunderte Touristen am Visitor Centre abladen, die dann den kurzen Weg zu den Wasserfällen zu Fuß zurücklegen, ein paar Pflicht-Fotos machen und nach fünf Minuten wieder verschwunden sind. Wir erleben genau diese Situation und können kaum glauben, was wir da sehen. Obwohl uns dieses Phänomen aus der Karibik, aus Alaska und von den Azoren eigentlich hinlänglich bekannt ist.

Besonders Hildegard ist fasziniert von den Baumfarn-Wäldern, die sich in den feuchteren Bereichen im tiefer liegenden Teil des Parks ausbreiten. Auf dem Lady Barron Falls Circuit, der auch zu den 60 Great Short Walks gehört, begleiten uns die fantastischen Baumfarne geraume Zeit. Abgelöst werden sie dann durch die sogenannten Tall Trees, Königseukalypten, Eucalyptus regnans, die gewaltige Höhen von knapp 100 m erreichen und wirklich außerordentlich eindrucksvolle Bäume sind. Den Abschluss der sehr abwechslungsreichen Wanderung bilden die schon erwähnten Russell Falls.

Baumfarne im Mount Field National Park
Vor einem gewaltigen Königseukalyptus
Russell Falls

Um zum Lake Dobson zu kommen, muss man eine ca. 15 km lange Gravel Road hoch auf über 1.000 m Höhe in Angriff nehmen. Die Landschaft wird zunehmend alpin, und die Temperatur ist am See mit 7 Grad so niedrig, dass Hildegard erstmals in Australien ihre Handschuhe anzieht. Wir umrunden den Lake Dobson auf dem Pandani Walk, auch einer der 60 Great Short Walks. Pandani ist das größte Heidekrautgewächs der Welt und kommt nur in Tasmanien vor. Normalerweise wird Pandani um die 3 m hoch, doch in der faszinierenden Pandani Grove am Lake Dobson erreichen diese erstaunlichen Pflanzen mehr als 10 m Höhe.

Auf der Lake Dobson Road im Mount Field National Park
Bei 7 Grad Celsius am Lake Dobson. Hildegard mit Handschuhen
In der Pandani Grove

Der wohl beliebteste und am häufigsten besuchte tasmanische National Park ist der Freycinet National Park an der Ostküste. Auf dem Weg dorthin kommen uns überraschend Anna und Heiner mit ihrem Leonberger Toyota entgegen. Sie haben andere Pläne als wir, und so verabschieden wir uns nach einem kurzen Gespräch am Straßenrand wieder voneinander. Wer weiß, wo wir uns das nächste Mal treffen.

Im Freycinet National Park quartieren wir uns auf dem gut ausgestatteten Campground der Friendly Beaches ein. Unser Stellplatz mit Meerblick liegt unmittelbar an einem phantastischen, kilometerlangen Sandstrand. Das Besondere: Alles ist kostenlos. Allerdings darf man nur zwei Wochen bleiben, was uns aber nicht einschränkt, denn so viel Zeit haben wir ohnehin nicht.

Direkt am Campingplatz befindet sich der Trailhead des kürzesten aller 60 Great Short Walks. Dieser ist den Angaben in der Broschüre entsprechend 10 m lang, dann ist man am Strand und kann ihn in beide Richtungen fast beliebig verlängern. Die benötigte Zeit für den Walk, der dann möglicherweise nicht mehr ganz so „short“ ist, wird mit 5 Minuten bis 5 Stunden angegeben. Wir nehmen an zwei aufeinander folgenden Tagen beide Richtungen in Angriff und kommen in Summe den 5 Stunden wesentlich näher als den 5 Minuten.

Der mit Sicherheit am häufigsten von Touristen begangene der 60 Great Short Walks liegt ebenfalls im Freycinet National Park. Es ist der Aufstieg zum Aussichtspunkt auf die Wineglass Bay. Der Blick von oben auf die malerische Sandbucht ist eines der bekanntesten Fotomotive Tasmaniens. Und der Andrang auf dem Weg ist gewaltig. So etwas haben wir bisher auf unserer Reise in Australien noch nicht erlebt. Dies stellt sogar den Ansturm der Kreuzfahrer an den Russell Falls noch deutlich in den Schatten. Dabei finden wir den Blick hinunter auf die Wineglass Bay gar nicht so überwältigend. Trotz Sonnenschein ist die Aussicht unserer Ansicht nach ganz nett, der ganze Zirkus drum herum aber maßlos übertrieben.

An den Friedly Beaches im Freycinet National Park
Kängurus sollten nicht gefüttert werden, …
… erwarten dies aber.
Aussichtsplattform mit Blick auf die Wineglass Bay
Nicht nur Leonis Seitenwand ziert eine Weltkarte.

Gut hundert Kilometer weiter nördlich liegt die Bay of Fires. Der Name lässt sich genau wie im Fall von Feuerland in Südamerika zurückführen auf eine Vielzahl von Lagerfeuern der Eingeborenen, die von vorbeifahrenden Schiffen in der Zeit der Entdeckungen am Ufer gesichtet wurden. Auch hier gibt es vor allem im südlichen Teil der Bucht eine ganze Reihe herrlicher und kostenloser Campgrounds unmittelbar am weißen Sandstrand. Nach unserer ersten Übernachtung erleben wir hier ein heftiges Gewitter und den bisher stärksten Regen in vier Monaten Australien.

Das Thema Regen bleibt uns danach leider erhalten. Denn eigentlich wollen wir am Cradle Mountain noch eine letzte Wanderung auf Tasmanien machen, aber als wir nach 300 km Fahrt am späten Nachmittag am gut 800 m hoch gelegenen Visitor Centre ankommen, hat kurz vorher stürmischer Regen eingesetzt. Und die bei den Rangern eingeholte Wettervorhersage lässt keine Besserung erwarten.

Wir übernachten ganz in der Nähe im Wald und haben am nächsten Morgen nach einer nasskalten Nacht noch eine Außentemperatur von ganzen vier Grad. Der Entschluss, runter an die Nordküste nach Boat Harbour Beach zu flüchten, fällt uns folglich nicht sehr schwer. Hier ist es immerhin trocken, wenn auch nicht so sommerlich warm wie bei meinem ersten Besuch vor ein paar Wochen. Für eine Runde schwimmen reicht es immerhin. Allerdings bin ich im Gegensatz zu damals ganz alleine im Wasser.

Am frühen Morgen noch sehr ungemütliches Wetter im Gebiet des Cradle Mountains, …
… zwei Stunden später wieder Sonnenschein am Strand von Boat Harbour Beach

Am letzten Tag vor der Rückfahrt mit der Fähre nach Melbourne wollen wir noch einmal Schnabeltiere sehen. Latrobe, nur wenige Kilometer von Devonport entfernt, nennt sich selbst Platypus Capital of the World (Platypus = Schnabeltier). Im Visitor Centre von Devonport empfiehlt man uns jedoch, stattdessen lieber zum Tasmanian Arboretum, ebenfalls ganz in der Nähe, zu fahren. Im dortigen See wären etliche tagaktive Schnabeltiere zu Hause. Wir folgen dem Rat und sind kaum angekommen, als wir praktisch gleichzeitig das erste Schnabeltier im Wasser entdecken. Es folgen etliche weitere, insgesamt vielleicht ein halbes Dutzend. Wir kommen immer wieder ganz nah ran und mit der Kamera in gute Schussposition. Es ist ein wunderschöner Abschluss unseres sehr abwechslungsreichen und angenehmen Tasmanien-Aufenthalts.

Durchaus ernst gemeintes Schild im Tasmanian Arboretum
Schnabeltier
Auch stolze Schwarze Schwäne leben am und im „Schnabeltier-See“.

Mit der Spirit of Tasmania geht es am nächsten Morgen zurück nach Melbourne, oder anders formuliert zum North Island, wie die Tasmanier gelegentlich durchaus selbstbewusst Mainland Australia nennen.

 

2 Comments

  1. Reni said:

    Hallo Franz

    Sehr spannend von deiner Reise in Tasmanien zu lesen. Wir waren ebenfalls am Boat Harbour Beach und dachten, als wir den weissen Strand und das kristallklare Wasser gesehen haben: „Sind wir auf den Malediven?“ Traumhafte schön! Auch sonst kommt uns vieles bekannt vor und so ist es umso spannender zu lesen.

    Wir wünschen dir/euch weiterhin eine gute Reise & safe travels,
    Reni

    PS: Wir haben uns beim ersten Freecamp in Tassie getroffen 😉

    8. März 2018
    Reply
    • Franz said:

      Hallo Ihr Beiden,
      danke für Euren Kommentar. Ich erinnere mich natürlich sehr genau an unser interessantes Gespräch in Forth. Wir sind inzwischen in Canberra und fahren nächste Woche nach Sydney.
      Euch beiden weiterhin eine spannende und erlebnisreiche Reise
      Franz

      8. März 2018
      Reply

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