Shark Bay und Ningaloo Reef

Von Kalbarri aus geht es weiter Richtung Norden zur Shark Bay. Dieses am westlichsten Zipfel Australiens gelegene Gebiet ist seit 1991 Weltnaturerbe (World Heritage), und zwar eines von nur ganz wenigen, die alle vier Kriterien der UN für diesen Status erfüllen: Erdgeschichtliche Wichtigkeit, aktive evolutionäre Prozesse, natürliche Schönheit und Lebensraum bedrohter Arten.

Die stark gegliederte Shark Bay

Unser erstes Ziel sind die Stromatolithen von Hamelin Pool. Hier ist eine von nur zwei bekannten Stellen weltweit, wo Stromatolithen noch im Meer vorkommen. In Süß- und Brackwasser gibt es in Western Australia noch ein paar weitere Vorkommen. Diese felsartigen Strukturen werden durch Cyanobakterien (Blaualgen) gebildet, die zu den ersten Lebensformen auf unserer Erde gehören. Matten von Cyanobakterien haben vor ca. 3,5 Mrd. Jahren angefangen, Stromatolithen zu bilden, und durch Abgabe von Sauerstoff maßgeblich zum Aufbau der heutigen Sauerstoffatmosphäre der Erde beigetragen. Die ältesten bisher gefundenen Stromatolithen sind auf 3,43 Mrd. Jahre datiert. Bis vor ca. 500 Mio. Jahren dominierten die den Stromatolithen zugrunde liegenden Cyanobakterien die Meere. Danach war der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre soweit angestiegen, dass sich auf der Basis von Sauerstoffatmung höhere Lebensformen entwickeln konnten.

Der Boardwalk zu den Stromatolithen von Hamelin Pool
Die Stromatolithen erinnern vom Aussehen her an Blumenkohle.

Stromatolithen sind Korallenstöcken sehr ähnlich. Das gesamte Leben spielt sich auf der Oberfläche ab, während das, was man sieht, im Wesentlichen die Reste abgestorbener früherer Generationen sind. Große Kolonien von Cyanobakterien kommen heute kaum noch vor. In Hamelin Pool gibt es sie wahrscheinlich nicht deshalb noch, weil die Bedingungen hier besonders günstig sind, sondern weil sie so ungünstig für alle anderen Lebewesen sind. Das sehr salzige Wasser von Hamelin Pool ist so lebensfeindlich und nährstoffarm, dass es hier für die Matten von Cyanobakterien kaum Fressfeinde gibt und sich die Stromatolithen nicht nur entwickeln, sondern auch halten konnten.

Ohne Kenntnis des Hintergrundes reißt einen der Anblick der an Blumenkohle erinnernden Stromatolithen von Hamelin Pool nicht unbedingt vom Hocker. Im sehr lesenswerten und amüsant geschriebenen Buch „Frühstück mit Kängurus“ von Bill Bryson wird der Paläontologe Richard Fortey bezüglich der Stromatolithen von Hamelin Pool folgendermaßen zitiert: „Es ist eine wahrhafte Zeitreise, und wenn die Welt ihre wirklichen Wunder anerkennen würde, wäre diese Stätte so berühmt wie die Pyramiden von Gizeh.“ Damit dürfte er durchaus Recht haben. Ohne die Milliarden Jahre andauernde Vorarbeit  der Cyanobakterien gäbe es weder die heutige sauerstoffreiche Atmosphäre noch uns.

Telegrafenstation von Hamelin Pool
Stromatolithen „in Gefangenschaft“

In der Telegrafenstation von Hamelin Pool aus dem Jahre 1884, nur ein paar hundert Meter von besagtem Strand entfernt, werden in einem Aquarium ein paar Stromatolithen gehalten, die angeblich einzigen weltweit in Gefangenschaft, wie sowohl der Lonely Planet als auch Bill Bryson süffisant anmerken. Wer bei wem diese kaum zutreffende Geschichte abgeschrieben hat, bleibt offen. Im Aquarium kann man sogar die kleinen Sauerstoffbläschen erkennen, die von den Cyano-Bakterien abgegeben werden und langsam im Wasser aufsteigen.

Die nächsten Tage verbringen wir am schier endlosen Sandstrand der Nanga Bay. Nur wenige Kilometer weiter auf der anderen Seite der Peron-Halbinsel liegt der Shell Beach mit seiner bis zu 10 Meter dicken Schicht aus Milliarden von Herzmuscheln der Art Fragum erugatum. Ein wirklich unglaublicher Anblick. Genau hier, an der engsten Stelle der Peron-Halbinsel, wurde im Rahmen des Projects Eden ein 3,5 km langer und sehr stabiler, elektrisch abgesicherter Zaun gebaut. Mit Hilfe dieses Zauns soll auf der Peron-Halbinsel die ursprüngliche australische Flora und Fauna wiederhergestellt werden. Eingeschleppte Tierarten wie Füchse, Katzen, Ziegen und Kaninchen werden im abgegrenzten Bereich bejagt und fast verdrängte australische Tierarten wieder neu angesiedelt. Dem Vernehmen nach haben sich Vegetation und Zusammensetzung der Tierwelt durch diese Maßnahmen bereits deutlich in Richtung der ursprünglichen zurückverändert. Der Anspruch dabei ist nicht, eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten komplett auszurotten. Sie sollen nur deutlich zurückgedrängt werden. Und so entdecken wir später auf der Peron-Halbinsel auch ein eigentlich unzulässiges, dafür aber quicklebendiges Karnickel – und lassen es unbehelligt weiterhoppeln.

Der eindrucksvolle Shell Beach
Der Shell Beach ist aus Milliarden kleiner Muscheln aufgebaut.
Der zum Project Eden gehörende Zaun zur Ausgrenzung eingeschleppter Tierarten

In Denham steht der Besuch des Shark Bay Discovery Centres auf unserem Programm. Ein tolles Museum, in dem man problemlos ein paar Stunden verbringen kann. Die Stromatolithen werden genauso behandelt wie die Wracks der niederländischen VOC, der Vereenigde Oost-Indische Compagnie, die im 17. und 18. Jahrhundert auf der Fahrt nach Batavia (dem heutigen Jakarta) an der Küste des damals so genannten Neu Holland zerschellten. Breiten Raum nimmt auch das Seegefecht zwischen dem australischen Leichten Kreuzer HMAS Sydney (II) und dem deutschen Hilfskreuzer HSK Kormoran am 19. November 1941 ein. Es gelang der Kormoran, die ihr an Kampfkraft weit überlegene Sydney (II) zu versenken, wobei alle 645 australischen Seeleute umkamen. Allerdings bekam auch die Kormoran so schwere Treffer, dass sie aufgegeben werden musste. 319 von 400 Mann Besatzung überlebten und gingen in australische Kriegsgefangenschaft. Die Versenkung der Sydney (II) ist der einzige bekannte Erfolg eines deutschen Hilfskreuzers gegen ein reguläres Kriegsschiff.

Der Verlust der Sydney (II) scheint auch heute noch ein nationales Trauma der Australier zu sein. Man begegnet dem Thema in West-Australien auf Schritt und Tritt. In den Tageszeitungen findet man Annoncen zu Gedenkveranstaltungen und außer in Denham auch in Carnarvon ein Denkmal mit den Namen aller 645 umgekommenen australischen Seeleute. Und nur wenige Meter entfernt ein weiteres Denkmal, gewidmet „Unseren gefallenen Kameraden“, mit Eisernem Kreuz und den Namen aller Toten der Kormoran. Ein bemerkenswertes Zeichen der Ritterlichkeit und der Versöhnung.

Das Shark Bay Hotel in Denham, das westlichste Hotel Australiens, …
… hat einen schönen Pub mit Außenbereich.

Bevor wir vom Discovery Centre zum Campingplatz von Denham zurückgehen, genehmigen wir uns im Pub des westlichsten Hotels Australiens, des Shark Bay Hotels, als Sundowner ein paar frisch gezapfte Biere. Lecker, wenn auch ganz ohne Schaum, wie im angelsächsischen Raum bedauerlicherweise allgemein üblich.

Das nördliche Ende der Peron-Halbinsel jenseits von Denham war bis 1990 eine nicht sonderlich gut laufende Schaffarm, wurde dann von der Regierung aufgekauft und in einen Nationalpark umgewandelt, den Francois Peron National Park. Die vielen französischen Ortsbezeichnungen in West-Australien gehen auf französische Expeditionen Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Namensgeber François Péron begleitete beispielsweise als Zoologe Nicolas Baudin im Jahre 1801 bei dessen Expedition zur Vermessung der australischen Küste.

Wir besuchen die Homestead der ehemaligen Station, verzichten aber auf die weitere Erkundung des Nationalparks, weil die vielen tief versandeten Pisten ein aufwändiges Absenken und späteres Wiederanheben des Reifendrucks erfordert hätten. Leoni ist für solche Pisten eher zu schwer, und wir scheuen sowohl den Aufwand der Reifendruckanpassung als auch das nicht unbeträchtliche Risiko des Einsandens.

Monkey Mia nur ein paar Kilometer weiter ist ein reiner Touristenort. Wobei „Ort“ eigentlich schon zu viel gesagt ist. Eigentlich besteht Monkey Mia nur aus der Dolphin Lodge mit angeschlossenem sehr schönem Campingplatz. Die Haupt-Touristenattraktion hier ist die allmorgentliche Fütterung von frei lebenden Delfinen, die sich seit Jahren einigermaßen regelmäßig einfinden, um sich füttern zu lassen. Nun gibt es in Australien natürlich die Regel „Do not feed the wildlife“, auf die man immer wieder hingewiesen wird. Aber wenn man damit Geld verdienen kann …

Am Strand von Monkey Mia
Delfin bekommt von der dritten „Partei“, einer Gruppe von Kindern, den dritten Fisch überreicht.
Gruppe von Delfinen am Strand vom Monkey Mia

Das zentrale Geschehen spielt sich am Morgen nach unserer Ankunft wie folgt ab. Um 7.30 Uhr sind wir an der Fütterungsstelle. Um 7.45 Uhr startet dann plangemäß die eigentliche Show. Es haben sich etwa 150 Touristen versammelt. Ein Delfin ist auch da. Genau EINER. Eine Animateurin, so will ich sie mal nennen, redet eine geschlagene halbe Stunde irgendetwas in ein Mikrophon, während sie im knietiefen Wasser hin und her geht, den hungrigen Delfin quasi im Schlepptau. Dann bekommt der arme Delfin, wenn wir richtig gezählt haben, genau drei Fische von drei verschiedenen „Parteien“, die sich dafür Monate vorher anmelden mussten, und die Veranstaltung ist zu Ende. Einfach irre. Zur Ehrenrettung der Delfine muss gesagt werden, dass sich eine gute Stunde später immerhin sechs Delfine an gleicher Stelle tummeln, was aber nur vergleichsweise wenig Beachtung findet.

Wir haben eine dreistündige Ausfahrt mit einem Katamaran gebucht, um draußen vor der Küste Dugongs (Dugong dugon) zu finden und zu beobachten. Diese sehr ungewöhnlichen Säugetiere sind im deutschen Sprachraum als Seekühe bekannt. In der griechischen Sage haben sie als Sirenen versucht, Odysseus zu bezirzen, und die sagenhafte Meerjungfrau ist auch auf sie zurückzuführen. Ein Freund nannte sie eher prosaisch Maritime Muh-Kühe. Sie ernähren sich vegan, befinden sich damit voll im Trend, leben ausschließlich von Seegras und finden in der Shark Bay mit ungefähr 4.000 qkm Seegraswiesen optimale Bedingungen. 12.000 bis 15.000 Dugongs sollen hier leben, etwa 10% der Weltpopulation. Im Gegensatz zu den beispielsweise vor Florida lebenden und Manatees genannten Seekühen haben sie keine gerundeten, sondern gegabelte Schwanzflossen.

So ungefähr sehen Dugongs aus, …
… und das ist mein bestes Foto eines Dugongs (unbearbeitet).

Um es kurz zu machen: Wir bekommen tatsächlich Dugongs zu sehen. Vielleicht 10 Stück. Das geht ungefähr so: „Dugong, 2 Uhr!“ Kamera hochreißen, abdrücken. Wenn man Glück hat, ist auf dem Bild schemenhaft Kopf, Schwanzflosse oder Rücken zu erkennen. Meistens aber eher nicht. Denn nach zwei oder drei Sekunden ist das Luftholen schon beendet und die Seekuh wieder in der Tiefe verschwunden. In diesen zwei oder drei Sekunden muss man auf einem wackeligen Boot stehend das Tier in den Wellen ausmachen, in den Aufnahmebereich der Kamera bekommen, fokussieren und abdrücken. Schwierig. Das Ergebnis all meiner durchaus intensiven Bemühungen ist jedenfalls wenig überzeugend. Was mich an den Dugongs jedoch noch mehr als ihre Foto-Scheuheit überrascht, ist, wie weit draußen im Meer sie leben. Ich hatte immer angenommen, dass sie nur in unmittelbarer Ufernähe vorkommen. Doch das ist durchaus nicht der Fall.

Der Ningaloo Marine Park

Das ebenso wie die Shark Bay als Weltnaturerbe gelistete Ningaloo Reef ist ca. 300 km lang und damit deutlich kleiner und auch wesentlich weniger bekannt als das Great Barrier Reef vor der australischen Ostküste, aber deshalb keineswegs weniger attraktiv. Im Gegenteil, es ist beispielsweise sehr viel leichter zugänglich. An vielen Stellen reicht es bis unmittelbar ans Ufer heran. Das Ningaloo Reef ist eins von ganz wenigen Riffen vor einer Westküste. Je nach Jahreszeit kann man hier Buckelwale, Walhaie, Mantas und Schildkröten antreffen, das übliche Riffleben mit vielen Korallen und bunten Fischen unabhängig von der Jahreszeit sowieso.

Unterwegs auf dem Weg dorthin gibt Leoni mehrfach herzzerreißende Quietschgeräusche von sich, die durch Mark und Bein gehen. Diese dauern nur jeweils drei bis fünf Sekunden an, sorgen bei mir aber jedes Mal für heftige Adrenalin-Ausschüttungen. Es hört sich so an, als wenn Leoni gleich auseinander fliegt. Offensichtlich steckt ein Keilriemen hinter dem Problem. Bei einer genaueren Inspektion stelle ich fest, dass der Keilriemen an der Antriebsrolle der Lichtmaschine hin und wieder durchrutscht und dabei die unschönen Geräusche entwickelt. Nach stärkerem Spannen des Keilriemens tritt das Quietschen dann nicht mehr auf.

Die mehr als 1.000 qkm große Rinder-Farm Warroora Station liegt bereits im Bereich des Ningaloo Reefs und bietet Wilderness Camping direkt am Meer an. Hier liegt unser nächstes Ziel. Wir überqueren den Wendekreis des Steinbocks und sind damit wieder in den Tropen, die wir letztes Jahr in Mexiko auf dem Weg nach Alaska verlassen hatten. Wir schlagen unser Lager am 14 Mile Beach auf, der so heißt, weil er 14 Meilen, also gut 22 km, von der Homestead, dem Farmhaus, entfernt ist. An die Dimensionen der australischen Landwirtschaftsbetriebe muss man sich erst einmal gewöhnen.

Einsamer Stellplatz auf der Warroora Station am Ningaloo Reef
Traumstrand am Sandy Point, Warroora Station
Känguru-Mutter bringt Nachwuchs das Hüpfen bei
Sundowner am Stellplatz auf der Warroora Station

Unser Übernachtungsplatz für die nächsten drei Tage liegt in den Dünen und bietet herrliche Ausblicke auf das Meer und das vielleicht einen Kilometer entfernte Riff. Leider ist der unmittelbare Uferbereich zum Schnorcheln eher ungeeignet. Es gibt viel Sand und wenig zu sehen. Zum Abkühlen und auch zum Schwimmen reicht es jedoch. Die Sonnenuntergänge, die wir unmittelbar vor Leoni genießen, sind bilderbuchmäßig. Der Sternenhimmel etwas später kommt uns dann, wie eigentlich immer auf der Südhalbkugel, wieder ziemlich fremd vor. Wir entdecken nur wenig Bekanntes. Der den nördlichen Sommerhimmel mitbestimmende Schwan steht ziemlich tief im Norden. Direkt vor der Tür im Westen erkennen wir den Skorpion und im Süden die beiden Anzeigersterne für das Kreuz des Südens. Dieses markante Sternbild selbst ist nicht sichtbar. In Fremantle hatten wir es dagegen abends noch klar und deutlich gesehen. Jetzt sind wir offenbar schon wieder zu weit im Norden.

An einem frühen Morgen starten wir eine mehrstündige Wanderung am Strand entlang. Leider suchen wir uns dafür den heißesten Tag der Woche aus. Am Mittag messen wir 37 Grad im Schatten. Wir laufen nach Süden bis zum Sandy Point mit seinem wunderschön geschwungenen langen Sandstrand. Immer wieder stöbern wir Kängurus auf, die sich tagsüber offenbar gerne am kühleren Ufer unter Felsvorsprüngen aufhalten.

Sehr störend sind die vielen Fliegen. Darauf angesprochen meinen die beiden Caretaker des Campgrounds, das sei ja noch gar nichts. Wir sollten mal zwischen Januar und März wiederkommen. Dann, wenn der Wind dauerhaft aus Osten, also vom Landesinneren her weht. Da hätten die Beiden mal am Strand versucht, eine Wassermelone zu essen, doch nach einiger Zeit konnten sie vor lauter Fliegen kaum mehr die rote Farbe des Fruchtfleisches sehen. Das hört sich wirklich wenig appetitlich an. Wir beschließen, die Gegend in der Zeit von Januar bis März zu meiden.

Unterwasserwelt vor Coral Bay: Fische, ..
… Schildkröte …
… und Hartkorallen

Coral Bay ist von unserem einsamen Stellplatz auf der Warroora Station nur gut 40 Pisten- bzw. Straßenkilometer entfernt, aber eine völlig andere Welt. Eine sehr touristische Welt. Mit Lodges, Campingplätzen, Tankstelle und Supermarkt. Von nirgendwo aus ist einfacher, das Ningaloo Reef zu erkunden. Wunderschön an einer sanft geschwungenen Bucht gelegen sind die Korallengärten oft nur 20 m vom Ufer entfernt. Man zieht Flossen und Maske an, geht ein paar Schritte auf Sand durch maximal knietiefes Wasser und lässt sich hineingleiten in eine Unterwasserwelt aus Hartkorallen. Durch die weitgehend fehlenden Weichkorallen kommen die bunten Farben etwas zu kurz, und auch die größeren Fische machen sich in Strandnähe zunächst etwas rar. Weiter draußen Richtung Riffkante wird es deutlich besser. Dies erleben wir auf einer Schnorcheltour mit einem kommerziellen Ausflugsboot. Leider ist das Wasser mit vielleicht 22 Grad nicht gerade auf Badewannen-Temperatur. Nach einiger Zeit im Wasser werden unsere Finger taub. Wir sind ohne Neoprenanzüge unterwegs und schon etwas überrascht über die uns nur wenig tropisch vorkommende Wassertemperatur. Erstmals seit dem Kauf setze ich in Coral Bay meine neue Olympus-Kamera ein, mit der man bis zu 15 m tief tauchen kann. Es gelingen einige schöne Unterwasser-Erinnerungsfotos.

Ebenfalls erstmals lassen wir im Supermarkt von Coral Bay eine unserer neuen und leider mit 2kg sehr kleinen australischen Gasflaschen füllen. Dies gelingt erfreulicherweise innerhalb nur weniger Minuten völlig problemlos. Unsere Vermutung, dass wir mit dem Thema Gasflaschen-Füllen bei unserer Reise durch Australien häufiger konfrontiert werden, ist inzwischen schon zur Gewissheit geworden. Denn die erste Flasche hat ganze 16 Tage überdauert. Aber Hildegard hat auch sehr viel (und sehr gut) gekocht. Und dabei natürlich auch Gas verbraucht. Aber wenn der Nachschub immer so einfach zu besorgen ist wie sogar hier im winzig kleinen Coral Bay, spielt das keine große Rolle.

Im deutlich größeren Exmouth weiter nördlich finden wir wieder alle Versorgungsmöglichkeiten vor, füllen die Vorräte an Lebensmitteln und Wasser auf und buchen vier Nächte auf zwei verschiedenen Campingplätzen im Cape Range National Park. Das geht wieder nur per Internet, erzeugt einige Konfusion, gelingt aber letztendlich. Erstaunlich sind die Emus, die mitten durch die Stadt spazieren. Eine Besonderheit, die Exmouth sogar für Werbezwecke nutzt. Demnach sind die Emus „our very own welcoming committee to the area“. Als wir gerade unsere Einkäufe in Leoni einräumen, kommt ein Emu-Vater mit drei Küken vorbeispaziert. Wie ihre südamerikanischen Vettern, die Ñandús, erledigen auch bei den Emus die Hähne sowohl Brutgeschäft als auch Aufzucht der Jungen alleine.

Emu-Vater mit Nachwuchs mitten in Exmouth
Emu im Cape Range National Park

Die ersten beiden Nächte im Cape Range National Park verbringen wir auf dem sehr großzügig und aufwändig angelegten Osprey Campground. Wir kommen am späten Nachmittag an und gehen sofort zum Schnorcheln ins nur wenige Meter von Leoni entfernte Meer. Das Wasser ist erstaunlicherweise deutlich wärmer als in Coral Bay, so dass wir es sehr lange darin aushalten und die ausgesprochen interessante Unterwasserwelt ausgiebig genießen können. Dabei sind es weniger die Korallen als vielmehr die Tiere, die uns faszinieren. Das Highlight sind zwei riesige Schildkröten, zuerst ein Männchen und dann ein Weibchen. So große Schildkröten habe ich bisher im Wasser noch nie gesehen. Leider kann ich keine Fotos von diesen tollen Begegnungen mehr machen. Denn die Kamera meldet schon seit einiger Zeit: „Batterie leer.“

Stellplatz am Osprey Beach im Cape Range National Park
Beliebtes Schnorchelgebiet Oyster Stack
Turquoise Bay, der wohl bekannteste und beliebteste Schnorchel-Strand. Morgens um 8.30 Uhr noch komplett leer. Nur Minuten später sind wir im Wasser.
Überall Schnorchel-Paradiese, hier am Osprey Beach

Am nächsten Morgen sind wir gleich wieder im Wasser. Die Batterie der Kamera ist inzwischen wieder aufgeladen. Ich filme gerade eine große auf der Jagd befindliche Muräne, die einen ganzen Schwarm Fische um sich geschart hat, die alle von der zu erwartenden Beute der Muräne etwas abbekommen wollen. Da stelle ich fest, dass sich an der Kamera der Verschlussdeckel zum Kabelanschluss geöffnet hat. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Schließlich hat der Verschluss eine doppelte Verriegelung. Was aber ganz offensichtlich nicht reicht. Aber ich weiß ganz genau, was das bedeutet: Die Kamera ist voll Wasser und an Land in der nächsten Mülltonne zu entsorgen. Es war mit fünf Schnorchelgängen an vier Schnorcheltagen leider ein nur sehr kurzes Vergnügen.

Wir wechseln den Stellplatz und verbringen die nächsten beiden Nächte auf dem Yardie Creek Campground am Südende des Cape Range National Parks. Der Strand hier erscheint uns nicht ganz so einladend wie viele andere Strände, die wir schon gesehen haben. Dafür gibt es als Ausgleich jedoch die Schlucht des Yardie Creek, und die ist auf jeden Fall einen ausführlichen Besuch wert.

Dieses Mücken- bzw. Fliegennetz haben wir vor Jahren für eine Grönland-Tour gekauft. Jetzt kommt es wieder zum Einsatz.
Am Rande der Yardie Creek Gorge
Suchbild: In der Felswand exakt in der Bildmitte sitzt ein Black-footed rock wallaby, eine kleine Känguru-Art (Weitwinkel-Aufnahme).
Dasselbe Black-footed rock wallaby (Zoom-Aufnahme)
Und so sieht ein Black-footed rock wallaby von Nahem aus.

Wir ziehen unsere Wanderschuhe an und machen uns auf den Weg. Der Yardie Creek mündet kaum 200 m von unserem Stellplatz entfernt ins Meer, und wir laufen auf einem ausgeschilderten Trail stromaufwärts. Zuerst ist es flach, dann geht es ein Stück aufwärts, und der Pfad wird rauer. Die sich eröffnende Schlucht ist durchaus ansehnlich, aber das eigentlich Interessante sind die Tiere, die wir dort auffinden. Zuerst entdecken wir in der Luft einen Fischadler mit einem frisch gefangenen Fisch in den Krallen. Der erfolgreiche Jäger fliegt prompt zu seinem Nest mit zwei fast ausgewachsenen und natürlich stets hungrigen Jungen im Fels auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses.

Kurz darauf versucht eine mit Fernglas ausgestattete und konzentriert am Rand der Schlucht sitzende Besucherin uns im Fels gegenüber eins der sehr seltenen Black-footed rock wallabies, einer kleinen Känguru-Art, zu zeigen. Es dauert ziemlich lange, bis wir das Tier entdecken, auch weil wir uns nicht vorstellen können, dass da oben mitten in der fast senkrechten Felswand ein Wallaby sitzen soll. Doch es ist tatsächlich da. Nach einiger Zeit setzt es sich in Bewegung und hüpft mit einer Behändigkeit durch die steile Felswand bis zu deren Oberkante, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte.

Auf dem Rückweg werden wir dann durch lautes Kreischen auf eine große Anzahl von Flughunden aufmerksam, die sich in den Mangroven am Flussufer niedergelassen haben. Sogar einige Jungtiere sind dabei. Ein ungewöhnliches und völlig unerwartetes Spektakel.

Die Mangroven kurz vor der Mündung des Yardie Creek sind voller Flughunde.
Flughunde in den Mangroven
Galahs, Rosa Kakadus, am Milyering Discovery Centre

Die Mittagszeit verbringen wir in Leoni. Doch dann am späten Nachmittag wiederholen wir die Tour in die Yardie Creek Gorge. Wir beobachten die Fischadler-Familie bei ihren Jagd-Bemühungen und kommen durch Zufall auch ganz nah an einige der zierlichen Black-footed rock wallabies heran, die wir ja am Vormittag schon als wahre Kletterkünstler kennengelernt hatten.

Unsere letzen Schnorchelgänge am Ningaloo Reef, aus beschriebenem Grund jetzt ohne Kamera, absolvieren wir an zwei besonders beliebten Stellen, Oyster Stack und Turquoise Bay. In Oyster Stack muss man über scharfkantige Felsen klettern, um ins Wasser zu gelangen. Turquoise Bay dagegen, der wohl bekannteste und auch beliebteste Schnorchelstrand Western Australias, empfängt uns morgens um 8.30 Uhr mit einem kilometerlangen und völlig menschenleeren Sandstrand. Hier begegnen wir dann auch den ersten Haien. Es sind aber nicht etwa Weiße Haie, sondern nur Weißspitzen-Riffhaie, der größte von ihnen nur überschaubare 1,50 m lang.

Der kommerzielle Campground am Vlamingh Lighthouse ist unsere letzte Station am Ningaloo Reef, vor allem deshalb, weil es dort Waschmaschinen gibt, die wir mal wieder dringend brauchen. Als die Arbeit am Abend getan ist, überlegen wir, ob wir in der Dunkelheit noch einmal an den Strand gehen sollen. Der Schwerpunkt der Turtle Breeding Season am Ningaloo Reef liegt zwar im Zeitraum Dezember bis März, und jetzt ist es erst Anfang November, aber wir haben gehört, dass die ersten Schildkröten bereits begonnen haben, am Strand ihre Eier zu legen und zu vergraben.

Wir rechnen uns keine großen Chancen aus, wollen aber auch nichts verpassen. Also suchen wir uns gegen 21 Uhr, es ist schon seit zwei Stunden stockdunkel, einen Weg zum Strand. Dort angekommen geht der Fast-Noch-Vollmond gerade über dem Meer auf, was unserem Unternehmen sehr zugute kommt. Denn Licht dürfen wir keins machen, um die Schildkröten nicht zu irritieren, doch der Mond gleicht das aus und hilft uns sehr bei der Orientierung. Kaum sind wir ein paar Meter am Strand unterwegs, stoßen wir auf eine breite Spur, die aussieht wie von einer Panzerkette erzeugt. Eine Schildkröte war vor Kurzem hier, ist aber schon wieder zurück im Meer, denn eine zweite Spur führt zurück ins Wasser. Wir laufen immer weiter und finden etliche weitere Spuren, aber keine Schildkröte. Doch dann ist es soweit. Eine Schildkröte ist dabei, ebenso eifrig wie mühsam ein tiefes Loch für die Eiablage zu graben. Das Loch ist so tief, dass die beachtlich große Schildkröte komplett darin verschwindet und bei dem schummrigen Licht kaum auszumachen ist. Ab und zu fliegen Sandfontänen hoch. Wir nähern uns von hinten auf ca. drei Meter, denn wir wollen das Tier nicht erschrecken, beobachten es eine Weile und ziehen uns dann zurück. Wir sind sehr zufrieden, dass unsere nächtliche Exkursion, die kaum mehr als eine Stunde gedauert hat, erfolgreich war.

„Unser“ Schildkrötenstrand. Alle Spuren der nächtlichen Eiablage sind verwischt, …
… zumindest fast alle.

Am nächsten Morgen gehen wir erneut zum Strand, um nach Spuren der Nacht zu suchen. Doch was finden wir? Die Flut hat praktisch alle Spuren komplett gelöscht. Nur in den oberen, trocken gebliebenen Bereichen finden sich noch welche, doch die sind in dem trockenen Sand nicht näherungsweise so attraktiv wie die weiter unten, die wir in der Nacht gesehen haben.

Nach einem kurzen Besuch des Vlamingh-Leuchtturmes direkt hinter „unserem“ Schildkröten-Strand, der einen tollen Überblick über die Ningaloo-Küste gestattet, fahren wir zum Aufproviantieren nach Exmouth und dann weiter ins Landesinnere, Richtung Karijini National Park.

Am Vlamingh Lighthouse nördlich von Exmouth

Ein Kommentar

  1. Andreas Nobis said:

    … wirklich tolle Erlebnisse! Da kann man neidisch werden, insbesondere wenn man das Grau hier vor dem Fenster sieht. Schade, dass die „Unterwasserkamera“ kaputt ist, da ihr sicherlich noch einiges „Maritimes“ zu sehen bekommen werdet. Glücklicherweise sind eure Beschreibungen ja so, dass man sich daraus gute Vorstellungen entwickeln kann.
    Weiter viel Spaß auf der nächsten Etappe!
    Andreas

    7. November 2017
    Reply

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