Mißgeschick ohne gravierende Folgen

Hildegard schlägt auf dem Weg von Teutonia nach Garibaldi (Serra Gaúcha, Rio Grande do Sul, Süd-Brasilien) vor, einen kleinen Abstecher zu ein paar Seen zu machen. Also fahre ich rechts rein. Und dann passiert das für uns Unfassbare. Die Asphaltstraße wird in einer Rechtskurve sehr steil, so steil, dass ich vom 2. in den 1. Gang zurückschalten muss. Im 1. Gang packt Leoni die Steigung aber auch nicht. Ich komme zum Stehen, mit dem Fuß auf der Bremse. Aber Leoni rutscht rückwärts, sie rollt nicht, sie rutscht. Wie auf Glatteis. Lenken funktioniert nicht. Und innerhalb von ein paar Sekunden liegen wir rückwärts im Graben.

Rückwärts in den Graben geschlittert. Wie bei Glatteis.
Rückwärts in den Graben geschlittert. Wie bei Glatteis.
Mit eigener Kraft kommen wir hier nicht mehr raus.
Mit eigener Kraft kommen wir hier nicht mehr raus.

Mir wird das erst richtig klar, als ich durch die Beifahrertür aussteige und das ganze Ausmaß der Katastrophe sehe. Hildegard meint: „Damit ist unsere Reise zu Ende.“ Ich sehe das aber gar nicht so und sage ihr das auch. Ich bin zwar kreidebleich im Gesicht, wie Hildegard mir später erzählt, sehe aber, dass zwar ein Rad in der Luft hängt, ein Traktor Leoni aber relativ leicht wieder herausziehen könnte. Also brauchen wir einen Traktor. Den muss ich besorgen. Ein Bauer auf dem Feld schickt mich den Berg hoch, eine Frau am ersten Haus schickt mich weiter. Dann kommt mir ein Auto entgegen, das ich anhalte. Der Fahrer wendet und kommt kurz darauf zurück. Ich fahre mit ihm zur Unfallstelle, wo sich inzwischen ein weiterer Mann eingefunden hat. Dann kommt auch der ersehnte Traktor. Der hat Eisenketten dabei. Ein Glück, denn an unseren Bergegurt wäre ich nicht herangekommen. Der ist in der Unterflurkiste, auf der Leoni liegt. Der Versuch, ihn herauszuholen, wäre lebensgefährlich gewesen.

Rettung naht in Form eines Traktors.
Rettung naht in Form eines Traktors.
Zwei Eisenketten werden an Leoni befestigt.
Zwei Eisenketten werden an Leoni befestigt.

Mit vereinten Kräften befestigen die inzwischen versammelten Männer zwei Eisenketten an Leoni, dabei dient die zweite der Sicherheit, ich steige durch die Beifahrertür ein, starte den Motor und versuche, den ziehenden Traktor zu unterstützen. Mehrfach würge ich Leoni ab, aber ganz, ganz langsam bewegt sie sich. Vier Tonnen sind ganz schön viel, und der Traktor hat alle Mühe. Aber er schafft es. Bald stehen wir auf der Straße. Sicherheitshalber schleppt mich der Traktor noch ein ganzes Stück den Berg hoch, dahin, wo es nicht mehr so steil ist. Wir sind gerettet. Lachend erzählen zwei unserer Helfer, beide italienischer Abstammung, uns mit Händen und Füßen, dass sie an genau der gleichen Stelle auch schon mit ihren Lastwagen in den Graben gerutscht sind. Einer der beiden hat sich dabei sogar überschlagen und war auf dem Rücken liegen geblieben. Das Gleiche wäre uns mit hoher Wahrscheinlichkeit auch passiert, wenn wir nur einen Meter höher in den Graben gerutscht wären. Da war nämlich ein steiler steinerner Abbruch mit 90-Grad-Neigung. Aber wir haben Glück gehabt. Und Leoni hat noch nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Was fast ein Wunder ist. Wir bedanken uns mit zwei Flaschen Original-Schwarzwälder-Kirschwasser, die wir eigentlich als Gastgeschenke mitgenommen hatten, und vielen „muito obrigado“ und „mille grazie“.

Millimeter für Millimeter zieht der Traktor Leoni raus.
Millimeter für Millimeter zieht der Traktor Leoni raus.
Geschafft. Leoni steht wieder auf der Straße.
Geschafft. Leoni steht wieder auf der Straße.

Nachtragen muss ich noch, dass wir zum Zeitpunkt des Unfalls im Zweiradantrieb unterwegs waren. Allrad hatten wir in Südamerika bisher noch gar nicht eingesetzt. Hätten wir an der Unfallstelle Allrad zugeschaltet gehabt, idealerweise mit kleiner Untersetzung, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts passiert. Aber auf die Idee, an dieser konkreten Stelle Allrad einzusetzen, wäre ich von selbst nie gekommen. Dazu sah alles viel zu harmlos aus. Schließlich handelte es sich um eine sauber geteerte Straße, die, wie wir später feststellen konnten, auch von Lastwagen und Omnibussen benutzt wurde. Die einzige Erklärung für den heutigen Unfall: Fehlende Erfahrung. Mein Fazit: In Zukunft werden wir in gebirgigem Gelände generell die Freilaufnaben zuschalten, damit wir schneller reagieren können, und im Zweifel frühzeitig Allrad zuschalten.

7 Comments

  1. Bernd said:

    Glück gehabt. Warum habt Ihr auch 800 Flaschen Rotwein, 200 Flaschen Weißwein und 50 Flaschen Schwarzwälder Kirschwasser geladen? Wenn Euch die Polizei so überladen erwischt, müsst Ihr denen auch was vom Hochprozentigen abgeben.
    Gruß und allzeit alle 4 Räder auf der Straße
    Bernd

    15. November 2014
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  2. Elke und Dieter Kunz said:

    Hallo Ihr Weltenbummler,
    Glück muß der Mensch haben. Selbst einem erfahrenen Globetrotter kann so etwas passieren. Da aber alles gut gegangen ist: Kopf hoch! Ein Gläschen Kirschwasser konntet Ihr wohl im Nachhinein auch gebrauchen. Das Fazit: Im Kriechgang dreht sich die Welt ein wenig langsamer und wie war das mit der Porzellankiste und der Vorsicht?Alles Gute weiterhin und immer eine gute Pad, wie man in Namibia sagt. Viele Grüße von Dieter und Elke

    16. November 2014
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  3. Susanne und Eckerhard Strötgen said:

    Hallo ihr Globetrotter,
    da sind wir aber froh, dass eure Schutzengel wachsam waren!
    Weiterhin gute Reise!
    Susanne und Eckerhard

    22. November 2014
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  4. Walter und Renate said:

    Herzlichen Glückwunsch zu eurem Saudusel.
    Hasta luego!

    3. Dezember 2014
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  5. Manfred Lutringshauser said:

    Wir haben heute eure weiteren Abenteuer gelesen. Habt ihr Glück gehabt. Aber Glück haben ja bekanntlich nur die Tüchtigen. In Blumenau haben wir entfernte Verwandte, deren Namen ich jedoch nicht kenne. Sie sind direkt mit einer angeheirateten Tante (Frau von meinem Patenonkel) verwandt.
    Monika und ich wünschen euch weiterhin viel Glück bei all euren Unternehmungen
    Manfred

    13. Dezember 2014
    Reply
  6. Wolfgang Schoppenhorst said:

    Wir haben vor 2 Wochen eine Seilwinde an den Unimog gebaut. Sollen wir so etwas schicken? Der Anbau vorne ist nicht aufwendig und schützt vor weiteren solcher (kleinen) Geschicke
    Viel-viel Glück

    8. Januar 2015
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    • Franz Thoren said:

      Hallo Herr Schoppenhorst,
      danke für das Angebot. Wir haben uns vor der Reise bewusst gegen die Seilwinde entschieden und auch den vorhandenen Highjack zu Hause im Keller gelassen. Weil man so etwas ja doch nie braucht. Und bisher stimmt das ja auch. Der Traktor mir der Kette war schließlich schnell gefunden …
      Ihnen alles Gute
      Franz Thoren

      21. Januar 2015
      Reply

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