Ausbruch des Calbuco am 22.4.2015

Seit zwei Tagen haben wir die Carretera Austral hinter uns und befinden uns in Puerto Varas am Lago Llanquihue, im Zentrum des deutschen Siedlungsgebiets in Süd-Chile. Wir nutzen diese 30.000-Einwohner-Stadt als Versorgungspunkt, um allerlei Einkäufe und Erledigungen zu tätigen. Als Standort haben wir einen herrlichen Campingplatz außerhalb der Stadt direkt am Seeufer gewählt. Der Platz ist so spät in der Saison menschenleer, aber noch geöffnet und verfügt an jedem Stellplatz über fließendes Wasser und vor allem Elektrizität. Zum ersten Mal überhaupt auf unserer Reise sind wir darauf angewiesen, unsere Akkus über das Stromnetz aufzuladen. Auf der Carretera Austral hatten wir zuletzt zu viel Regen und zu wenig Sonnenschein für unsere Solarpanels.
Am 22.4.15 stehen wir nachmittags auf einem bewachten Parkplatz mitten in Puerto Varas. Hildegard räumt um 18.10 Uhr gerade unsere Einkäufe aus dem Supermarkt in die Schränke und den Kühlschrank ein. Da ruft ein Mann aus dem neben uns stehenden Auto: „El volcán, el volcán!“ Ich frage: „El Osorno?“ Aber der die Silhouette über dem See bestimmende Osorno ist es nicht, wie ich nach ein paar Schritten raus auf die Straße feststellen kann. Es geht um den Calbuco, 2003 m hoch und ca. 30 km entfernt, der ausgebrochen ist und eine riesige Rauchwolke ausstößt, die sich jede Sekunde vergrößert.

18.13 Uhr – der Calbuco ist gerade ausgebrochen
18.13 Uhr – der Calbuco ist gerade ausgebrochen
18.21 Uhr
18.21 Uhr

Wir laufen die Straße runter zum Ufer des Llanquihue-Sees, wo sich schon eine beträchtliche Menschenmenge versammelt hat, und beobachten das sich uns bietende außergewöhnliche Naturschauspiel. Der Ascheausstoß wirkt exakt wie ein Atompilz, der schnell gigantische Größe annimmt und immer weiter in den Himmel wächst. Ständig entstehen neue Formen, die jeweils an riesige Blumenkohle erinnern, die sich permanent von innen nach außen ausstülpen. Es ist später Nachmittag, die Sonne steht schon tief, und die beginnende Dämmerung macht sich bemerkbar.

18.23 Uhr
18.23 Uhr
18.30 Uhr
18.30 Uhr

Von meinem ersten bis zum letzten Foto vergehen nur ganze 35 Minuten, aber in dieser kurzen Zeit hat sich der Himmel vor uns komplett verändert. Ab und zu sieht man intensive, grell leuchtende Blitze in der Aschewolke. Um 19.00 Uhr holen wir unsere heute morgen in einer Lavanderia abgegebene Wäsche ab und fahren wegen des Verkehrschaos´ auf den Straßen der Stadt schon im Dunkeln auf Umwegen zurück zum Campingplatz, das letzte Stück dabei praktisch genau auf den Calbuco zu. Die Anzahl der Blitze hat sich deutlich gesteigert, und der Aschepilz ist teilweise rot erleuchtet, vermutlich auf Grund von ausgetretener Lava. Die Windrichtung ist wie eigentlich immer in Chile so, dass die Aschewolke Richtung Argentinien, also von uns weg, getrieben wird. Auf dem Campingplatz angekommen beziehen wir unseren alten Stellplatz, essen zu Abend und gehen schlafen.

18.32 Uhr
18.32 Uhr
18.35 Uhr
18.35 Uhr
18.48 Uhr
18.48 Uhr

Um 2.30 Uhr wird Hildegard durch ein lautes Grollen wach. Um uns herum und über uns leuchten permanent riesige Blitze. Es ist wirklich furchterregend. Wir beschließen zu fliehen. In Puerto Varas machen wir kurz am Hafen Halt und lassen die Szenerie auf uns wirken. Einige Fotografen stehen mit ihren Stativen an der Strandpromenade, außerdem an fast jeder Straßenecke Feuerwehrleute, übrigens mit der deutschen Aufschrift „Feuerwehr“ auf ihren Overalls. Aus dem Internet erfahren wir, dass der Aschepilz 15 km hoch ist und das Gebiet 20 km um den Vulkan herum evakuiert wurde. Wir fahren nach Westen aus der Stadt heraus bis Nueva Braunau und beziehen hier eine Stunde nach Beginn unserer Flucht unseren Stellplatz für die zweite Nachthälfte unmittelbar am zentralen Platz des Ortes.
Als es wieder hell ist und wir gefrühstückt haben, messen wir auf unseren Karten die Entfernungen nach. Unser Campingplatz am Seeufer ist Luftlinie genau 22,5 km vom Vulkan entfernt. Wir waren also nur ganz knapp außerhalb der Evakuierungszone. Die beigefügte Karte vermittelt ein Bild über die Lage der in diesem Beitrag genannte Orte.

Übersichtskarte
Übersichtskarte

Unsere Pläne für die nächsten Tage müssen wir jetzt wohl ändern. Der Besuch des Parque Nacional Vicente Perez Rosales mit dem wunderschönen Lago Todos los Santos muss wohl ausfallen, denn die Zufahrt führt direkt am Calbuco vorbei. Wir sind gespannt, wie es jetzt für uns weitergeht.
Der Blog über unsere Reise von Rio Gallegos ins chilenische Seengebiet ist noch nicht ganz fertig, wird aber demnächst nachgeliefert. Der Calbuco hat jetzt wegen der Aktualität Vorrang.

4 Comments

  1. Bernd said:

    Mann, habt Ihr vielleicht ein Glück, das sehen zu können. Aber nachts schlafen gehen tut man da nicht, sondern man macht Langzeitaufnahmen der Ascheblitze oder versucht, näher ran zu kommen. Aber fliehen ????
    Ich hoffe, wir haben nächste Woche auf den Azoren auch soviel Glück wie Ihr, und auf Flores tut sich mal wieder was.
    Beste Grüße nach Vulkanien
    Bernd

    23. April 2015
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  2. Dieter und Elke Kunz said:

    Hallo nach Chile
    das ist ja irre, gestern Euren Bericht gelesen und dann in den 20Uhr Nachrichten.Gut, daß Ihr Euch in Sicherheit gebracht habt, ich hätte keine weitere Minute schlafen können. Fantastische Bilder, vielen Dank. Super, was Ihr alles erlebt, das macht richtig Spaß zu lesen und weckt wieder meine Reiselust.
    Alles Gute Eure Kunzens

    24. April 2015
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  3. Werner said:

    Hallo Hildegard und Franz,
    Ihr seid echt zu beneiden, ob Eurer Sicht auf den Vulkan und der Fotos, die Ihr machen konntet.
    Wir dagegen haben den Ascheregen abbekommen in Villa La Angostura und sind dann nach Süden Richtung El Bolson geflüchtet, wo wir uns dann bis heute aufgehalten haben. Wir möchten aber unbedingt nach Chile zurück und würden uns freuen, wenn Ihr uns eine kurze Info darüber geben würdet, wo Ihr seid, und ob es sinnvoll ist in Chile noch die 7 Seen Tour anzugehen. Vielen Dank! ( Wir sind über Jens auf Euch gestoßen).
    Viele Grüße von
    Werner und Christiane

    30. April 2015
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  4. Anja said:

    Ein beeindruckendes Naturschauspiel aus nächster Nähe und auch für uns Zurückgebliebene staunend anzuschauen!
    Viel Spaß noch!
    Grüsse aus Lohr wo es höchstens mal ein schönes Abendrot gibt….
    Anja Schreiber

    5. Mai 2015
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