29.08. – 27.09.2018
Mit dem Victoria Highway, der von Katherine gen Westen führt, habe ich wieder den altbekannten Savannah Way unter den Rädern. Kurz vor der Grenze zu Western Australia (WA), am Lake Argyle, möchte ich ein paar Tage auf dem mir mehrfach wärmstens empfohlenen Campground der Zebra Rock Mine verbringen. Soweit der Plan.
Am Straßenrand entlang des Highways tauchen immer häufiger die auffälligen Boab Trees auf, die Wahrzeichen der Kimberley und Verwandte der afrikanischen Baobabs, der Affenbrotbäume. Die australische Variante sieht den sehr schlanken Baobabs auf Madagaskar am ähnlichsten, was damit zusammenhängen dürfte, dass Madagaskar zu Gondwana-Land-Zeiten genau zwischen Afrika und der australischen Kimberley positioniert war. Die australischen Boabs sind durchaus sehr ansehnlich, kommen meiner Meinung nach aber bezüglich ihrer optischen Erscheinung nicht an ihre madegassischen Verwandten heran. Die Avenue des Baobabs bei Morondava ist und bleibt diesbezüglich aus meiner Sicht unübertroffen.
Einen Willie Willie mit seiner Staubsäule, der mir unterwegs begegnet, also eine Windhose, halte ich zunächst irrtümlicherweise für ein Buschfeuer. Ich habe einfach sehr lange keinen Willie Willie mehr gesehen, Buschfeuer dagegen vor allem in letzter Zeit sehr viele.
Nach einem sehr langen und anstrengenden Fahrtag bringt dann ein Schild an der Einmündung der Duncan Road eine ziemlich unangenehme Überraschung. Einerseits verkündet es, dass die Zebra Rock Mine von April bis September geöffnet, und andererseits, dass sie aktuell wegen der Wet Season geschlossen ist. Wir schreiben den 29. August, der September hat also noch nicht einmal begonnen, und von Regen und Wet Season ist weit und breit nichts zu sehen. Es ist jedenfalls eine sehr merkwürdige Begründung.
Ich muss umplanen und fahre ein paar Kilometer weiter in den Keep River National Park hinein, der unmittelbar vor der Grenze und nördlich des Victoria Highways liegt. Bis zu dem dann allerdings sehr schönen und mit 3,30 AUD pro Nacht auch sehr kostengünstigen Campground muss ich zunächst noch 17 km ziemlich üble Piste zurücklegen. Bei einer Wanderung durch die sehr malerische Landschaft komme ich am späten Nachmittag nach stundenlangem Sitzen hinter dem Lenkrad schließlich sogar noch zu ein bisschen körperlicher Betätigung.
Abends beim Studium der Reiseführer und der Planung der nächsten Tage werde ich dann an die in Vergessenheit geratene Tatsache erinnert, dass keinerlei Obst und Gemüse nach Western Australia eingeführt werden darf. Blöderweise habe ich gerade in Katherine groß eingekauft, und der Kühlschrank ist voll. Zu meiner Entschuldigung könnte ich jetzt sagen, dass ich ja einen Aufenthalt bei der Zebra Rock Mine eingeplant hatte, was ja auch stimmt. Aber die Grenzproblematik mit der Agrarkontrolle hatte ich trotzdem irgendwie völlig ausgeblendet. Seit Tasmanien hatte das Thema an keiner der vielen Grenzen mehr irgendjemanden interessiert. Trotz diverser bestehender Vorschriften. Ich ärgere mich kurz und packe dann alles Obst und Gemüse in eine Plastiktüte, die ich am Morgen den beiden vorbeikommenden Park Rangern übergebe. Die Beiden freuen sich über die unerwartete Bescherung.
Nach wenigen Kilometern ist die Grenze erreicht. Die Uhr wird anderthalb Stunden zurückgestellt, so dass jetzt nur noch ein Zeitunterschied von 6 Stunden gegenüber Deutschland besteht. Die Agrarkontrolle fällt wie erwartet tatsächlich relativ gründlich aus. In der Kabine werden der Reihe nach alle Schränke und Schubladen geöffnet. Die nicht sehr auffälligen Unterflurkästen dagegen werden, wie auch schon bei allen Kontrollen auf der Panamericana, komplett ignoriert. Darin könnte ich zentnerweise Obst und Gemüse transportieren. Aber sei´s drum.
In Kununurra fülle ich den leeren Kühlschrank bei Coles problem-, wenn auch nicht kostenlos wieder mit Obst und Gemüse auf. Mit dem Weinkeller klappt das entsprechende Vorhaben dagegen nicht so richtig. Im Bottle Shop bekomme ich nämlich mitgeteilt, dass ich als Einzelperson nur drei Flaschen Wein kaufen darf. Interessante Regel. Den Rest lasse ich den Herrschaften zum Wegräumen auf der Theke zurück. Wie schon im Northern Territory ist vor dem Kauf von Alkohol auch in Kununurra ein Lichtbild-Ausweis vorzulegen. Interessanterweise wird dabei der deutsche Personalausweis regelmäßig ohne jede Rückfrage akzeptiert.
Wieder einigermaßen mit allem ausgestattet kann die Erkundung der Kimberley beginnen. Dieses Gebiet im Norden WAs gilt in Australien als eine Art Last Frontier. Es ist ein wildes und weitgehend unberührtes Land. Auf gut 420.000 qkm, das ist deutlich mehr als die Fläche Deutschlands, leben ganze 38.000 Menschen. Eine einzige asphaltierte Straße, The Great Northern Highway, durchzieht die Kimberley an ihrem südlichen Rand von Kununurra nach Broome. Weitgehend parallel dazu verläuft weiter nördlich und mitten durch das Herz der Kimberley die berühmte Gibb River Road (GRR), eine nicht asphaltierte Piste, die nur in der Trockenzeit befahrbar ist und jede Menge Abenteuer verspricht. Diese möchte ich später unter Leonis Räder nehmen. Aber das dauert noch ein bisschen. Vorher stehen ein paar andere Sachen an.
Zunächst fahre ich in der Hafenstadt Wyndham zum dortigen Five Rivers Lookout, der einen weiten Überblick über diese nördlichste Stadt Western Australias sowie das gesamte Umfeld ermöglicht, nehme ein erfrischendes Bad in den Molly Springs, einem kleinen Badetümpel mit nur wenigen Metern Durchmesser, der von einem Wasserfall gespeist wird, und schlage mein Lager auf der Parry Creek Farm auf, die inmitten der Parry Lagoon Nature Reserves liegt. Das Gelände der Farm bietet eine große Auswahl an Boabs, zwischen denen Unmengen Kängurus herumspringen, und im Billabong unmittelbar neben den Gebäuden, einem ansehnlichen Rest Wasser im ansonsten zurzeit trockenen Fluss, auch ein paar Salzwasserkrokodile.
Abends im Pool erzählt mir ein Gast, das er am Nachmittag eines von etwa 3,50 m Länge gesehen habe. Das ist schon ganz ordentlich. Derselbe Gast berichtet, dass in Neuguinea vor einiger Zeit ein Krokodil von mehr als 10 m Länge gemessen worden wäre. Es wurde demnach an einem Kran aufgehängt und dann seine Länge festgestellt. Damit wäre Krys, der Savannah King, den Rekord mit seinen geradezu „mickrigen“ 8,63 m los.
Das erste richtige Highlight in der Kimberley soll für mich der knapp 2.400 qkm große Purnululu National Park werden, früher unter dem Namen Bungle Bungle National Park bekannt. Dieses landschaftlich weltweit einzigartige Gebiet führte lange ein Leben im Verborgenen. Erst 1983 wurde es von einem Filmteam für die Außenwelt „entdeckt“. Und dann ging alles ganz schnell. Bereits 1987 wurde der National Park eingerichtet, und 2003 wurde Purnululu in die Liste der World Heritage Areas eingeschrieben.
Der Besuch von Purnululu ist in jedem Fall ein Muss. Nur das Hinkommen ist ein Problem. Vom Great Northern Highway zweigt eine 53 km lange Zufahrtspiste ab. Und die hat es in sich. Die Frage nach dem Zustand der Access Road, auch Spring Creek Track genannt, wird mir im Visitor Centre in Kununurra wie folgt beantwortet: Very, very bad. Auf meine nächste Frage nach dem Zustand der Gibb River Road heißt es: Even worse. Das kann ja heiter werden – und hört sich doch sehr vielversprechend an.
Ein Schweizer Weltreisende-Paar, mit MAN-Wohnmobil unterwegs, das ich auf der Parry Creek Farm treffe, ist nach wenigen Kilometern auf der Zufahrtpiste Richtung Purnululu entnervt umgekehrt. Mit einem MAN! Aber ich will da hin, und Leoni muss und wird es schaffen. Ich muss nur aufpassen, dass mein langjähriger Reisegenosse das zweimalige Befahren der Strecke heil übersteht. Und das heißt: Langsam fahren, ganz langsam. Und das tue ich.
Für die wie erwähnt 53 km lange Stecke brauche ich drei Stunden und 25 Minuten, was einen Schnitt von 15,5 km/h ausmacht. Mit dem Fahrrad auf normaler Straße bin ich deutlich schneller. Aber die Piste zum Purnululu National Park ist ganz einfach grottenschlecht, das schlimmste Stück, das ich bisher in Australien gefahren bin. Wellblech extremer Höhe, jeweils in voller Breite der Piste, so dass ein Ausweichen unmöglich ist. Nur in den sehr kurvigen Strecken in den Hügeln, wo man nicht so schnell fahren und dadurch die Piste ruinieren kann, ist es etwas besser. Es begegnet mir einiges an Gegenverkehr, und ich werde auch etliche Male überholt. Alle anderen fahren deutlich schneller als ich. Und verlieren die Zeit wieder beim Warten auf einen Reparaturtermin in der nächsten Autowerkstatt, wie eine Zufallsbekanntschaft lachend kommentiert. Ich habe mir hier jedenfalls keinen Zeitdruck auferlegt und nur das eine Ziel, heil anzukommen. Was gelingt.
Hinter dem Visitor Centre sind die Pisten erstaunlicherweise geradezu dramatisch besser. Vor allem der südliche Ast ist dermaßen gut präpariert, dass man problemlos die erlaubten 50 km/h im 4. Gang fahren kann. Per Internet habe ich zunächst zwei Nächte auf dem südlichen Walardi Campground gebucht und danach zwei weitere Nächte auf dem nördlichen Kurrajong Campground. Jeweils für 13 AUD pro Nacht.
Die Bungle Bungle Range besteht aus Sandstein und ist etwa 350 Millionen Jahre alt. Die berühmten bienenkorbartigen gestreiften Dome befinden sich in den Randgebieten des Gebirgsstocks, vor allem im südlichen Bereich rund um den Piccaninny Creek. Die dunkleren Schichten im Sedimentgestein haben einen höheren Lehmgehalt und halten daher die Feuchtigkeit besser. Auf der Oberfläche leben Cyano-Bakterien, die eine dunkle, nur sehr dünne Schicht bilden und damit die Erosion wirksam be- und verhindern. Die helleren Schichten enthalten weniger Lehm und trocknen schneller aus. Cyano-Bakterien können auf diesem trockenen Stein nicht überleben, und ohne deren Schutzschicht oxidiert bzw. „rostet“ das Eisen im Gestein an der Oberfläche und gibt dem Ganzen die attraktive rötliche Farbe.
Sobald es am nächsten Morgen gegen 5.30 Uhr hell wird, stehe ich auf und mache mich auf den Weg zu den „Bienenkörben“ am Piccaninny Creek. Am Parkplatz treffe ich den ebenfalls allein reisenden Tim aus Erfurt, mit dem gemeinsam ich in den folgenden Stunden das außerordentlich attraktive Gelände durchstreife. Tim ist nicht nur ein sehr netter Kerl, sondern außerdem studierter Geologe, was mir naturgemäß neue Einsichten in die Entstehungsgeschichte dieser außergewöhnlichen Gesteinsformationen ermöglicht. Beiläufig erzählt er, dass an seinem Institut in Jena einmal eine Kreationistin angetreten ist, um Geologie zu studieren. Sachen gibt´s …
Nachdem beim Aufstehen am Morgen noch erstaunlich frische 15 Grad geherrscht hatten, klettert das Thermometer gegen Mittag auf knapp über 40 Grad. Das Herumlaufen wird anstrengend. Wir verbrauchen Unmengen an Trinkwasser, und auch das uns beiden sehr wichtige Fotografieren gestaltet sich vergleichsweise schwierig. Zum Einen sind es die großen Kontraste hell-dunkel, und zum Anderen ist es in diesem grandiosen Gelände quasi aus der Frosch-Perspektive schwierig, ein überzeugendes Gesamtbild zu bekommen und per Foto zu dokumentieren.
Aber es gibt im Süden des Parks ja einen Airstrip, von dem aus Helicopter-Touren angeboten werden. Birgit Bradtke schreibt dazu: „A helicopter flight over it is the best way to understand the geology of the area and to appreciate the sheer scale of it.“ Und wenn man dann sogar noch einen leibhaftigen Geologen dabei hat …
Kurz vor 8 Uhr am nächsten Morgen sind Tim und ich am Airstrip. Wir einigen uns auf den mit 42 Minuten längsten und mit 499 AUD leider auch teuersten Flug. Bereits um 8.05 Uhr sind wir in der Luft. Und was wir dann zu sehen bekommen, ist einfach unbeschreiblich. Unter uns liegt eine Traumlandschaft, die sich tatsächlich nur von oben so richtig erschließt. Der Hubschrauber hat keine Türen, so dass die Sicht nicht beeinträchtigt ist von unschönen Reflexen auf den Fensterscheiben. Außerdem habe ich keinen Nebensitzer, so dass ich problemlos und ungestört sowohl nach links als auch nach rechts fotografieren kann. Tim sitzt auf dem Co-Pilotensitz und hat dafür den besseren Blick nach vorne.
Die Bungle Bungle Range ist durchzogen von tiefen Schluchten und zeigt keinerlei Anzeichen menschlichen Einflusses. Genauso muss es hier schon vor tausenden von Jahren ausgesehen haben. Nur hat es damals niemand aus der Vogel-Perspektive sehen können. Am Rand ist das Gebirgsmassiv ausgefranst und zeigt die weltweit einzigartigen Bienenkorb-Strukturen. Ich schieße etwa 300 Fotos, doch diese können die grandiose Wirklichkeit nicht annähernd richtig abbilden, immerhin aber einen Eindruck vermitteln. Nach dem Flug meint Tim: „Das war jeden Dollar wert, oder?“ Ich kann ihm nur zustimmen.
Wir verabschieden uns. Tim hat ein engeres Terminraster als ich und will am gleichen Tag noch den Wolfe Crater erreichen. Ich fahre dagegen noch einmal zum Piccaninny Parkplatz, laufe den Piccaninny Creek ein ganzes Stück weiter hoch als am Vortag, setze mich in den Schatten eines Felsens und versuche, das sowohl aus der Vogel- als auch aus der Frosch-Perspektive Gesehene zu verarbeiten.
Der nördliche Teil des Parks ist deutlich weniger spektakulär als der südliche, verfügt aber durchaus auch über einige attraktive points of interest, die man sich anschauen sollte. Ich entscheide mich für die beiden Wanderungen ins Homestead Valley und in die Echidna Chasm. Beide Ziele liegen am Rande der Bungle Bungle Range. Das Homestead Valley wirkt wie eine grüne Oase in einer Art Amphitheater, während die Echidna Chasm eine sehr enge Schlucht ist, deren Festigkeit bei dem bröckeligen Konglomerat-Gestein ich stark in Zweifel ziehe. Es gibt zwar ein Warn-Schild, welches auf das Risiko hinweist, mehr aber auch nicht. Wenn ich die Verantwortung hätte, würde ich die Schlucht sperren.
Leider hat sich während meines Aufenthalts im Purnululu National Park keine gütige Fee erbarmt und einen Grader vorbeigeschickt, um die Zufahrtspiste in Ordnung zu bringen. Diese befindet sich im gleichen erbärmlichen Zustand wie bei der Anreise. Und erstaunlicherweise benötige ich bei der Rückfahrt wieder die exakt gleiche Zeit für die ominösen 53 km: 3 Stunden und 25 Minuten. Ganz ohne Schummeln. Ich bin froh, als ich wieder auf dem Teer des Great Northern Highways bin.
Nach einer Übernachtung und dem Auffrischen aller Vorräte in Kununurra beginnt das Abenteuer Gibb River Road (GRR). Diese wurde ursprünglich gebaut, um Rindertransporte zu den Häfen von Derby und Wyndham zu ermöglichen. Diese Funktion hat die GRR immer noch. Doch mehr und mehr haben in den letzten Jahren 4WD-Enthusiasten das Regiment übernommen. Die Fahrt auf der 660 km langen Gravel Road galt lange und gilt vielleicht immer noch als eines der letzten großen Abenteuer in Australien. In „normalen“ Jahren ist die GRR von Mai bis November geöffnet. Die restliche Zeit des Jahres steht alles unter Wasser, und die GRR ist unbefahrbar.
Ich lasse es langsam angehen und verbringe zunächst zwei Tage auf der El Questro Station. Diese 4.000 qkm große Cattle Station hat sich weitgehend dem Tourismus verschrieben und ist das mit Abstand bekannteste Tourismus-Unternehmen in der Kimberley. Um sich auf dem Gelände der Station bewegen zu dürfen, ist zunächst einmal ein Permit fällig, das 20 AUD pro Person kostet und sieben Tage Gültigkeit hat.
Die Emma Gorge ist mein erstes Ziel. Es geht knapp 2 km über Stock und Stein in die Schlucht hinein, und sehr bald bedauere ich, dass ich in Turnschuhen unterwegs bin und nicht die Wanderschuhe angezogen habe. Das Gelände ist unerwartet unwegsam. Am Ende der Schlucht angekommen stehe ich vor einem großen Pool, in den aus vielleicht 30 – 40 m Höhe ein Wasserfall hineinstürzt. Dieser ist jetzt sicher nicht so imposant wie in der Wet, der nassen Jahreszeit, aber immerhin sorgt er dafür, dass der Pool stets mit frischem Wassernachschub versorgt wird. Das Schwimmen ist ein Genuss.
Auf dem Rückweg sitzt ein Pheasant Coucal, Centropus phasianinus, ein australischer Kuckuck, zu deutsch Fasanspornkuckuck, mitten auf dem Weg. Ich habe diesen interessanten Vogel schon hin und wieder gesehen, es aber nie geschafft, ein vernünftiges Foto von ihm zu schießen. Dieser hier ist erstmals weniger kamerascheu. Der Pheasant Coucal fliegt nicht so furchtbar gerne, er läuft lieber, und ähnelt in diesem Verhalten dem nordamerikanischen Roadrunner. Im Gegensatz zu anderen Kuckucksarten ist er auch kein Brutparasit, sondern brütet seine Jungen lieber selber aus. Und die Versorgung des Nachwuchses übernimmt hauptsächlich das Männchen.
Schon um 7 Uhr am nächsten Morgen bin ich an den Zebedee Springs, einem Thermalgebiet mit ca. 30 Grad warmem Wasser, das ganzjährig aus einer Felswand sprudelt und außerordentlich malerisch in vielen Stufen durch einen Palmenwald fließt. Alle paar Meter befinden sich kleine Badebecken, die bei meinem Eintreffen noch allesamt unbesetzt sind. Ich bin der erste Besucher und habe somit die freie Auswahl. Das Baden in geradezu paradiesischer Umgebung ist ein Hochgenuss. Nur die Selbstauslöser-Fotos bergen Gefahrenmomente, denn die Felsen sind extrem glitschig. Nach einer halben Stunde treffen ganz vereinzelt weitere Badegäste ein. Und gegen 8 Uhr kommt dann, genau wie von Birgit Bradtke in ihrem Reiseführer vorausgesagt, der erste Tour-Bus an. Für mich der Anlass zu flüchten.
An meinem nächsten Ziel auf der El Questro Station, der El Questro Gorge, scheitere ich ganz schlicht und ergreifend. Die Piste dorthin entwickelt sich nämlich zur Wasserstraße. Ein schlichtes Schild warnt vor „Deep Water Crossing“. Aber was heißt das genau? Das Wasser ist schlammig, also völlig undurchsichtig, und die zu durchfahrende Strecke 50 m, vielleicht auch 100 m lang. Niemand ist da, den man fragen könnte. Das Ganze erinnert mich fatal an eine vergleichbare Situation in Sambia, wo ich vor 13 Jahren im Schlamm stecken geblieben und nur mit fremder Hilfe wieder herausgekommen bin. Dieses Risiko will ich nicht eingehen und kehre um. Die sicher wunderschöne El Questro Gorge bleibt von mir unbesucht.
Erst mit der Abfahrt von El Questro beginnt das Abenteuer Gibb River Road so richtig. Die Piste ist zwar schlecht, kommt mir zunächst aber nicht schlimmer vor als die Purnululu Access Road. Bald stehe ich am Pentecost River. Die Durchquerung dieses Flusses ist vor allem zu Beginn der Trockenzeit wegen des dann noch sehr hohen Wasserstandes eine Herausforderung. Aber auch deshalb, weil es hier von Salzwasserkrokodilen nur so wimmelt. Der Wasserstand ist jetzt im September überhaupt kein Problem mehr, man sollte nur nicht auf die Idee kommen, durch den Fluss zu waten, um Erkenntnisse über die Wassertiefe, eventuell störende Steine oder tiefe Löcher zu sammeln. Denn Krokodile sind territoriale Wesen, also auch im September anwesend, und haben praktisch immer Appetit. Ich schalte Allrad, den 2. Gang und die kleinste Untersetzung ein, und Leoni bringt mich problemlos auf die andere Seite.
Die insgesamt 165 km bis zur Ellenbrae Station lege ich, die Mittagspause abgerechnet, in 7,5 Stunden zurück. Was einen Schnitt von 22 km/h bedeutet. Das ist besser als auf der Piste nach Purnululu, aber die ist auch nur 53 km lang, die Gibb River Road dagegen 660 km. Ich fange an, das „even worse“ aus dem Visitor Centre in Kununurra zu verstehen. Um Leoni zu schonen, fahre ich wieder sehr langsam, langsamer als alle anderen Fahrzeuge, die ich zu sehen bekomme. Die Fahrt ist sehr anstrengend, der Pistenzustand durch die in weiten Bereichen verwendeten sehr scharfkantigen Steine im wahrsten Sinne des Wortes „reifenfressend“. Alle paar Meter liegen zerfetzte Reifen am Straßenrand. Überlagert ist dem Ganzen immer Wellblech der brutalsten Art, egal um welchen Untergrund es sich handelt. Auch auf der 5 km langen Sandpiste zur Ellenbrae Station, auf der es keinerlei Steine mehr gibt, ist der Boden zu einer betonharten durchgehenden Wellblechplatte verdichtet.
An der Reception der Station empfiehlt man mir, das nur 100 m vom Campground entfernte krokodilfreie Water Hole zu nutzen. Ich bin zunächst skeptisch, denn dies ist ganz einfach ein noch Wasser enthaltender Abschnitt eines ansonsten trocken gefallenen Flusses, also ein stehendes Gewässer. Das Setting der Badestelle wirkt auf mich aber absolut traumhaft, feiner Sandstrand und drum herum üppige Vegetation. Das Wasser hat nur noch eine sehr geringe Tiefe, ist aber überraschenderweise völlig klar, wenn auch durch Tannin leicht braun gefärbt. Kleine Fische flitzen hin und her. Ich folge dem Rat des Mannes an der Reception, finde eine kleine Vertiefung, lege mich lang hinein und empfinde das Bad nach dem langen Fahrtag als eine ausgesprochene und auch völlig überraschende Wohltat. Auch in Western Australia scheint zu gelten, was ich seinerzeit in South Australia gelernt habe: Expect the Unexpected.
Angeblich, so hatte ich von mehreren Seiten gehört, soll die Piste hinter Ellenbrae deutlich besser werden. Doch dies stellt sich bedauerlicherweise als Märchen heraus. Eher das Gegenteil ist der Fall. Denn gefühlt wird die Piste schlechter. Hinter dem Abzweig der Kalumburu Road ist das Wellblech fast nicht mehr auszuhalten. Und Derby ist noch über 400 km entfernt.
Für die 116 km bis zur Gibb River Station brauche ich fast 6 Stunden. Der Schnitt liegt damit an diesem zweiten Fahrtag knapp unterhalb von 20 km/h. Die Wahrheit, die im „even worse“ des Visitor Centres von Kununurra steckt, wird immer deutlicher erkennbar.
Der Hann River fließt zurzeit zwar nicht, enthält aber abschnittsweise recht viel stehendes Wasser, auf das die frei laufenden Rinder dringend angewiesen sind. Sie stehen malerisch mitten im Fluss. Ich halte in der trockenen Flussdurchfahrt an und schieße ein paar Fotos. Anschließend fahre ich aus der Senke wieder hoch und bin schlagartig in einer anderen Welt. Die Piste ist frisch gegradet. Mein seit Tagen fast ununterbrochen durchgeschüttelter Körper reagiert mit einer heftigen Ausschüttung von Endorphinen. Glücksgefühle durchfluten mich. Leoni schwebt gewissermaßen dem Horizont entgegen. Ich bleibe vorsichtig und fahre nur sehr überschaubare 50 km/h. Man könnte auch problemlos 100 km/h fahren, was aber für Leoni bekanntlich unerreichbar ist. Von mir aus könnte es ewig so weitergehen.
Nach ca. 20 km kommt der Abzweig nach Norden zur Mt. Elizabeth Station. Und kurz dahinter hat sich der Pistenzustand wieder neu eingeregelt: Horrorpiste wie ehedem. Die Endorphin-Produktion wird abrupt eingestellt. Kurz darauf die nächste Überraschung: Mir kommt eine Radfahrerin entgegen. Ziemlich genau mitten auf der GRR, 300 km vom nächsten Asphalt entfernt. Wer weiß, wie es um den Endorphin-Haushalt dieser sehr ambitionierten sportlichen Dame bestellt ist.
Das Mt. Barnett Roadhouse und die gleichnamige Station sind im Besitz einer Aboriginal Community. Aber wer bedient die Kunden, rechnet den Treibstoff ab, bereitet warme Gerichte zu, steht an der Kasse des Ladens, der alles bereithält, was Reisende so brauchen? Ausschließlich Weiße, Whitefellows. Es ist wie eigentlich immer. Interessant ist die Todesanzeige einer Aborigine-Frau, die draußen am Roadhouse angeschlagen ist. Darin bittet die Familie die Trauergäste, bei der Beerdigung nicht besoffen zu erscheinen: „The family kindly requests that extended families and friends attend this funeral sober.“
Auf dem Gelände von Mt. Barnett liegt die Manning Gorge, eine der vielen Schluchten mit Badegelegenheit, die ja den großen Reiz der Gibb River Road ausmachen. Etwas flussabwärts der Schlucht, 7 Pistenkilometer von der GRR entfernt, befindet sich ein großer und gut besuchter Campground direkt am sehr breiten und tiefen Manning River. Hier ist ausgiebiges Schwimmen angesagt. Die Gorge mit ihrem ebenfalls sehr attraktiven Badebecken erfordert dagegen einen ziemlich langen und anstrengenden Fußmarsch.
Ein junger Australier auf dem Campground wundert sich darüber, dass er seit Kununurra bereits 5 Reifenpannen hatte. Wenn er weiter wie bisher über die GRR brettert, wundert er sich in Derby angekommen bestimmt über dann 10 platte Reifen und hat immer noch nichts verstanden.
Nur wenige Kilometer weiter westlich fahre ich als nächstes die Galvans Gorge an. Diese Gorge ist die wahrscheinlich am häufigsten besuchte Gorge an der GRR, denn keine andere ist leichter erreichbar. Sie liegt nur einen 1-km-Fußmarsch von der GRR entfernt. Und die Galvans Gorge ist nicht nur sehr gut zugänglich, sondern auch ein echtes Schmuckstück. Klein, aber fein. Ich bin wirklich begeistert. Eingebettet in üppige Vegetation plätschert der Wasserfall in einen nicht sehr großen, aber überaus malerischen Pool. Ein herrlicher Schwimmplatz. Zwei Warane lassen sich blicken, und an einer Felswand unmittelbar neben dem Badetümpel zeigt mir ein anderer Besucher ein Felsbild der Aborigines, das einen Wandjina Spirit darstellt. Diese Schöpfer-Gottheit findet sich nur in der nordwestlichen Kimberley. Damit vom Abbild der Wandjina nicht zu viel Macht ausgeht, wird es immer ohne Mund dargestellt.
Die Bell Gorge ist nicht ganz so leicht zu erreichen wie die Galvans Gorge. Sie erfordert einen 30 km langen Abstecher. Wobei die Qualität der Zufahrtspiste ziemlich exakt jener der GRR entspricht. Ich brauche mich also nicht umzustellen.
Von den allermeisten Literaturquellen wird die Bell Gorge als die beeindruckendste aller Gorges entlang der GRR angesehen. Und sie ist wirklich großartig. Ein auch jetzt gegen Ende der Trockenzeit noch sehr kräftiger Wasserfall füllt ein riesiges Becken mit kühlem Nass, das allerdings erst nach einer ausgiebigen Kletterpartie erreichbar ist. Ich bin bereits sehr früh am Morgen da, und im Laufe des Vormittags treffen immer mehr Badegäste ein und stürzen sich in die Fluten. Hier kommen zwar keine Einsamkeitsgefühle auf, aber die Bell Gorge ist trotzdem ein wahrhaft magischer Ort. Und jeden Umweg auch auf schlechter Piste wert.
Auf der Weiterfahrt zur Windjana Gorge schleppe ich ein liegengebliebenes Fahrzeug eines jungen Pärchens bis zu einer Rest Area mit Toilettenhäuschen ab. Hier wollen die Beiden ihr Zelt aufschlagen und auf Hilfe warten. Die Vorderachse ihres Fahrzeugs ist ruiniert und das Auto nicht mehr fahrbereit. Der junge Mann bittet mich, beim Abschleppen nicht zu schnell zu fahren, maximal 25 km/h. Ich erkläre ihm, dass meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf der GRR bei etwa 20 km/h liegt und mein Auto genau deshalb noch nicht auseinandergebrochen ist. Ich glaube nicht, dass er die Anspielung versteht.
Die Piste wird im Folgenden langsam aber sicher etwas besser. Beim Durchbruch durch die Napier Ranges komme ich in den Genuss, Queen Victoria´s Head bewundern zu dürfen. Dabei handelt es sich um einen verblüffend geformten Felsen. Was die Natur nicht alles so hin bekommt …
Der 20 km lange Abzweig zum Windjana National Park ist dann offenbar sogar relativ frisch gegradet. Die Fahrbahn ist zwar schon wieder ziemlich ruiniert, aber die seitlichen Schrägen am Fahrbahnrand sehen noch sehr jungfräulich aus und sind ganz gut zu befahren. So komme ich unerwartet zügig voran.
Die Windjana Gorge gilt als bester Platz in Australien, um Freshies, also Süßwasserkrokodile, zu beobachten. Und für mich persönlich ist diese Aussage absolut zutreffend. Zwar habe ich inzwischen schon ein paar Mal Freshies zu Gesicht bekommen, aber noch nie so viele und noch nie mit so wenig Aufwand. Schon um 6.30 Uhr in aller Frühe bin ich in der Gorge unterwegs. Und bereits nach wenigen Metern in der zurzeit nur teilweise mit Wasser gefüllten Schlucht sehe ich die ersten Krokodile, die im Wasser treiben. Später weiter hinten in der Schlucht finde ich dann auch etliche, die sich im Sand am Ufer oder auch im Schlamm sonnen. Es ist möglich, sich ganz nah an die Krokodile heran zu bewegen. Sie sind erstaunlich wenig scheu. 5 m Mindestabstand sollte man nach Aussage der Ranger aber nicht unterschreiten. Einmal übersehe ich ein Tier, das sich sofort blitzartig ins Wasser verabschiedet. Ein Saltie an dieser Stelle, und die vorliegenden Zeilen wären nicht geschrieben worden.
Meine Wanderung durch die Schlucht ist eine echte Walking Safari, die Afrika-Feeling aufkommen lässt und mir sehr viel Spaß bereitet. In Summe sehe ich geschätzt vielleicht 30 Freshies. Von etwa 70, die angeblich zurzeit in der Windjana Gorge leben.
Außer Krokodilen entdecke ich bei meiner Safari noch jede Menge weiterer Tierarten. Zum Beispiel einen jungen Jabiru, der recht unbeeindruckt unmittelbar an mehreren Krokodilen vorbei stolziert. Oder eine ansehnliche Anzahl Flughunde, die im Geäst über dem Wasser hängen und den Tag verdösen.
Etwa 120 km vor Derby ist die GRR dann geteert, aber erst einmal nur für 20 km. Dann kommt wieder Gravel Road und schließlich eine lange Baustelle. Danach ist es geschafft. Die Wellblechpisten dieser Welt liegen erst einmal hinter mir. Und ich bin froh darüber. Pisten hatte ich zuletzt wirklich genug.
Natürlich ist mir bewusst, dass meine Beschreibungen des Pistenzustands auf der GRR jemandem, der diese Strecke vielleicht in der nächsten Saison, also im Jahre 2019, befahren will, nicht unmittelbar helfen werden, weil sich die Situation bis dahin ganz sicher komplett geändert haben wird. Aber immerhin geben sie einen Eindruck, wie die GRR spät in der Saison aussehen KANN und worauf man sich einstellen MUSS.
Das 1883 gegründete Derby ist die älteste Stadt in der Kimberley. Die gesamte Gegend ist völlig unattraktiv, ja geradezu trostlos, völlig flach und die Stadt selbst bei einem Gezeitenunterschied von bis zu 11 m die meiste Zeit von riesigen Morastfeldern umgeben. In seinen Anfangsjahren war Derby ein Zentrum von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den weißen Eindringlingen und den Aborigines. Unter der Führung von Jandamarra lieferten diese den Siedlern lange Zeit eine Art Guerilla-Krieg. 1897 schließlich wurde Jandamarra, von den Weißen Pigeon genannt, im Tunnel-Creek-Gebiet gestellt und erschossen, und zwar von einem in weißen Diensten stehenden Aborigine.
Die Ureinwohner kamen ständig mit dem Gesetz der Weißen in Konflikt. Meistens ging es um „possession of stolen beef“, also um Fleisch von Rindern oder auch Schafen. Darauf standen zwei bis drei Jahre „hard labour“. Sowohl die Siedler als auch die aufkommende Perlenfischerei in Broome brauchten dringend Arbeitskräfte, und so wurden ganze Aborigine-Gemeinschaften auch weit im Hinterland umzingelt, eingefangen, in Ketten gelegt und auf langen Fußmärschen zu ihren Bestimmungsorten gebracht. Der Vergleich mit Sklavenjagden und Sklavenkarawanen scheint mir nicht abwegig. Gefängnisse waren in dieser Welt natürlich von hoher Bedeutung. Ich besuche den ausgehöhlten Prison Boab Tree ein paar Kilometer außerhalb und The Old Gaol in Derby selbst. In Letzterem wurden bis zu 61 Gefangene angekettet festgehalten, fast ausschließlich Aborigines, manche bis zu einem halben Jahr lang.
Bezüglich seiner Lage und der Umgebung ist Broome so ziemlich das Gegenteil von Derby. Endlose weiße Strände umgeben von roten Klippen, der türkisfarbene Indische Ozean und riesige Mangrovenwälder zeichnen ein völlig anderes Bild. 1861 wurde in der Nähe des späteren Broome die Auster Pinctada Maxima entdeckt, die größte Perlenmuschel der Welt. Zunächst war nicht die in der freien Natur nur sehr selten anzutreffende Perle das Ziel der Begierde, sondern vielmehr das Perlmutt. Schon wenige Jahre nach Entdeckung der Pinctada Maxima lieferte Broome 75% des Weltbedarfs. Perlmutt interessiert heute niemanden mehr, die Perlen hingegen schon. Japaner hatten das Thema Zuchtperlen lange Jahre beherrscht und vorangetrieben, und jetzt stellte man fest, dass Perlen in Broome nur zwei Jahre brauchen, um sich voll zu entwickeln – gegenüber vier Jahren in Japan – und dass sie hier auch noch doppelt so dick werden. Bis heute ist Broome einer der Hauptlieferanten von hochwertigen Zuchtperlen in der Welt.
Nur eine einzige der vielen Perlenfarmen ist für Touristen zugänglich, nämlich die Willie Creek Pearl Farm etwa 35 km nördlich von Broome. Dort nehme ich an einer ausgedehnten Führung teil, die mich 75 AUD kostet, dafür aber auch in die tiefsten Geheimnisse des Zuchtperlengeschäfts einführt.
In der Hatchery, der Aufzuchtstation, werden die männlichen und weiblichen Austern durch geschickte Manipulationen des Wasserstandes dazu gebracht, ihre Samen bzw. Eier an die Umgebung in den Inkubatoren abzugeben. Die entstehenden kleinen Austern werden eingesammelt und in Stofftaschen vereinzelt. Sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben, kommen sie in neue, größere, grob geflochtene Gewebetaschen. Dieser Prozess wird mehrfach wiederholt. Nach zwei Jahren sind die Austern erwachsen. Ihnen wird ein Nukleus eingepflanzt, der aus dem Material einer Mississippi-Muschel besteht. Dies hat sich als optimal herausgestellt. Die Austern leben jetzt im Meer. Jedes Exemplar muss regelmäßig gewendet werden, wird gesäubert und durchleuchtet, um festzustellen, ob die Perle noch vorhanden ist und richtig wächst. Nach zwei Jahren steht die erste Perlen-Ernte an, und dabei wird sofort ein neuer, größerer Nukleus eingesetzt. Dieses Spiel wird dreimal wiederholt. Mit 8 Jahren hat die Auster das Ende ihres Lebenszyklus´ erreicht. Ihr Fleisch wandert in ein Restaurant, und die Muschelschalen werden komplett als Souvenir oder anteilig als Perlmutt verkauft.
Wir durchlaufen bei der Führung den gesamten Prozess, von der Hatchery über einen Besuch der Austern im Willie Creek mit dem Boot bis hin zur Ernte einer Perle aus einer 8 Jahre alten Auster, die dabei ihr Leben einbüßt.
Nach dem Kennenlernen des außerordentlich aufwändigen Verfahrens mit sehr viel Handarbeit wundert mich auch der hohe Preis der Perlen nicht mehr. Dieser ist von fünf Parametern abhängig: Lustre, Size, Shape, Colour, Complexion. Also Glanz, Größe, Form, Farbe und Oberflächenbeschaffenheit. Vor zwei Monaten wurde eine nahezu makellose Perle von mehr als 16 mm Durchmesser geerntet, die jetzt für 75.000 AUD zum Verkauf steht, was knapp 50.000 Euro entspricht.
Am berühmten Cable Beach von Broome komme ich gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang an. Und erfahre auf dem Campground, dass der Great Northern Highway südlich von Broome wegen eines Buschfeuers gesperrt ist. Da es keinerlei Ausweichstrecke gibt, hänge ich damit fest. Mein Weg zum Hafen von Fremantle ist verbaut.
Am nächsten Morgen reihe ich mich in den Stau vor dem immer noch gesperrten Great Northern Highway Richtung Süden ein. Und nach einem langen Tag des Wartens wird die Straße um 17.06 Uhr, etwa eine Dreiviertelstunde vor Sonnenuntergang, wieder frei gegeben. Alle fahren los. Ich auch. Fahrten in der Dunkelheit versuche ich zwar grundsätzlich zu vermeiden, aber andererseits möchte ich das ca. 120 km entfernte Feuer unbedingt hinter mich bringen, damit ein eventuell erneutes Aufflammen mich nicht mehr aufhalten kann.
Regenwolken verdunkeln am nächsten Morgen den Himmel, und tatsächlich beginnt es mit dicken Tropfen zu regnen. Dies ist aus zwei Gründen erwähnenswert. Zum einen ist es der erste Regen seit Cooktown, und das ist zweieinhalb Monate her. Und zum anderen funktioniert Leonis Scheibenwischer nicht. Seit dem missratenen Reparaturversuch in Darwin habe ich ihn „sicherheitshalber“ nicht mehr eingeschaltet. Trotzdem ist erneut die Sicherung durchgebrannt. Nachdem ich sie ersetzt habe, funktioniert der Scheibenwischer wieder, und ich kann problemlos durch den Regen weiterfahren. Die Frage ist nur für wie lange. Minuten? Stunden? Tage? Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich mir noch eine Handvoll 20A-Sicherungen kaufen.
Nirgendwo in Australien begegne ich so vielen Road Trains wie im Umfeld der Hafenstadt Port Hedland. Diese Ungetüme stellen den Transport zwischen den zahlreichen Erzminen der Gegend und dem Verschiffungshafen Port Hedland sicher. In der ersten Viertelstunde nach dem Start von meinem Übernachtungsplatz auf einer der vielen vorbildlich ausgestatteten Rest Areas in WA werde ich nacheinander von drei Road Trains überholt. Zuerst fährt ein 22-Achser an mir vorbei, dann ein 16-Achser und schließlich ein 11-Achser. Unmittelbar danach überholt der 11-Achser den 16-Achser. Ein Elefantenrennen auf deutschen Autobahnen ist nichts dagegen.
Ein paar Minuten später steht dann auf einem Parkplatz ganz friedlich und allein ein 33-Achser! Ich traue meinen Augen nicht und zähle mehrfach nach. Es sind tatsächlich 33 Achsen. Es ist eigentlich unfassbar. Bisher waren im Vergleich geradezu „zierliche“ 25-Achser meine Beobachtungsrekorde.
Beim Karijini National Park ist die Umrundung Australiens mit Leoni geschafft. Der Kreis ist geschlossen. Ich übernachte im Park an der wunderschönen Dales Gorge, wandere zunächst an der Abbruchkante entlang, klettere dann hinunter und laufe unten in der Schlucht flussaufwärts zu den beiden Badeseen, zuerst zu demjenigen unterhalb der Fortescue Falls und dann weiter zum Fern Pool. Genau diese Tour hatte ich letzten November mit Hildegard schon einmal gemacht. Die Temperaturen liegen jetzt saisonbedingt deutlich niedriger als damals, aber für das abschließende Bad im herrlich klaren Wasser der Gorge macht das keinen großen Unterschied.
Für den Morgen vor der Weiterfahrt nehme ich mir ein erneutes Bad fest vor. Bei Sonnenaufgang zeigt das Thermometer dann aber nur geradezu erbärmliche 11 Grad an, und ich rücke wenig heldenhaft von diesem coolen Vorsatz ab.
Drei anstrengende Fahrtage später bin ich in Fremantle. Da die Reederei Wallenius Wilhelmsen und die australische Quarantänebehörde in Eintracht darauf bestehen, dass alle zu verschiffenden Fahrzeuge sowohl außen als auch innen völlig sauber zu sein haben, folgt unmittelbar anschließend eine sehr arbeitsintensive und äußerst wenig attraktive Zeit. Denn Leoni sieht nach den vielen Pistenfahrten der letzten Zeit ziemlich übel aus. Nach drei Tagen harter Arbeit ist es schließlich geschafft. Ich gebe Leoni beim Broker Ryan Faulkner bzw. seiner Kollegin Tiffany ab, die in den nächsten Tagen das weitere Procedere zur Vorbereitung der Verschiffung erledigen werden, und fliege am Tag darauf nach Hause. Leoni wird dann in ein paar Wochen nachkommen, und ich werde unseren treuen Begleiter gemeinsam mit Hildegard in Bremerhaven abholen. Unser Australien-Abenteuer kommt dann mit etwas mehr als 35.000 gefahrenen Kilometern zum endgültigen Abschluss.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser gelungenen abenteuerlichen und auch teilweise sehr strapaziösen Umrundung Australiens! Was für ein Erlebnis! Voller Bewunderung ziehe ich meinen Hut! Und offenbar überwiegend die positiven Erlebnisse und vielen schönen Eindrücke die Strapazen bei Weitem! Toll!
Und nun herzlich willkommen zurück im beschaulichen Schwabenland!
Bitte melde dich, damit wir ein Treffen vereinbaren können. Wir freuen uns schon jetzt darauf!
Sabine und Andreas
Another wonderful and colorful report. The washboard stretches would make my teeth rattle. The many pictures and the accompanying descriptions are priceless, not to mention the pearls!
We will probably never get to visit Australia, but your rich descriptions convey the flavor of the continent in a remarkable and vivid manner. One can only wonder whether Leoni will ever take you on another such expansive adventure. She is due for a well-deserved rest – and so are you! Be sure now to drive on the „right“ side of the road. Driving on the „wrong“ side for such an immense distance must surely leave an indelible imprint on the psyche!
Congratulations on the successful completion of another mega-adventure. We still treasure fond memories of your all-too-brief visit with us.