Nord-Peru – Fortsetzung der Reise mit erheblichen Schwierigkeiten

Nach 7 Wochen Heimaturlaub in Deutschland geht es am 6. Oktober 2015 zurück nach Südamerika. Von Stuttgart aus fliegen wir frühmorgens über Alicante und Madrid nach Lima. Die Anschlüsse klappen prima, und in Lima ist erfreulicherweise sogar unser Gepäck da. Im uns gut vertrauten Hitchhikers Backpackers Hotel im Stadtteil Miraflores beziehen wir ein Zimmer, trinken draußen im Hof, wo wir vor ein paar Wochen noch mit Leoni gestanden haben, noch schnell ein Bier und gehen gegen 22 Uhr zu Bett. Es war ein sehr langer und anstrengender Tag.
Am nächsten Morgen fahren wir raus nach Pachacamac, um Leoni abzuholen. Dabei macht uns ein Thema Sorgen. Bei der Abgabe unseres Campers hatte es kurz vor der Halle, in der Leoni jetzt steht, im Bereich des rechten Vorderrades leicht zu rattern begonnen. Wir hatten keine Zeit mehr gehabt, uns darum zu kümmern, vermuten aber, dass sich nach der Reparatur auf dem Weg zur Halle die Radmuttern gelöst haben. Bei Leoni angekommen, öffne ich den linken hinteren Unterflurkasten, in dem wir in einem wasserdichten Sack u.a. den Ratschen-Kasten und den Drehmomentschlüssel aufbewahren. Dabei stelle ich fest, dass im Unterflurkasten Wasser steht. Dies ist zunächst einmal weder kritisch noch ungewöhnlich. Aber dann ist auch im Sack selbst Wasser drin. Der Inhalt des Ratschen-Kastens, der Drehmomentschlüssel und der ganze Rest ist patschnass und verrostet. Ich glaube, mich trifft der Schlag. Wie kann das sein? Es handelt sich doch um einen wasserdichten Sack!? Ich nehme den Drehmomentschlüssel und ziehe die Radmuttern an den Vorderrädern nach. Einige knacken, andere nicht. Ich ziehe letztere weiter nach. Es kommt jedoch kein Knacken. Wieso nicht? Sind die Schrauben sooo lose? Oder hat der Drehmomentschlüssel durch das Wasser eine Macke bekommen?
Das metallische Geräusch am rechten Vorderrad ist beim Fahren auch nach dem Anziehen der Radmuttern immer noch deutlich vorhanden. Ich ziehe die Radmuttern mit dem Drehmomentschlüssel daher weiter an – und habe plötzlich eine abgedreht. Komplett abgebrochen. Jetzt ist Leoni definitiv beschädigt. Vielleicht habe ich weitere Bolzen bei der Aktion ebenfalls überdreht. Spätestens jetzt ist mir absolut klar, dass der Drehmomentschlüssel nicht mehr richtig funktioniert. Wir beschließen, trotz des Malheurs langsam Richtung Lima zu fahren. Denn hier draußen im Gelände ist keine Hilfe zu erwarten. Unterwegs halten wir etliche Male an. Nach einem der Stopps wird das Geräusch am Vorderrad plötzlich viel lauter. Es tut einen heftigen Schlag, es hört sich an, als ob etwas fliegen geht, und danach ist Ruhe. Wir haben keine Ahnung, was passiert ist, und fahren vorsichtig, d.h. relativ langsam, nach Miraflores zurück. Zu unserer Erleichterung kommen wir gut im Hitchhikers Backpackers Hotel an.

Im Hof des Hitchhikers Backpackers Hotels in Lima-Miraflores trocknen wir den Inhalt des beschädigten Packsackes
Im Hof des Hitchhikers Backpackers Hotels in Lima-Miraflores trocknen wir den Inhalt des beschädigten Packsackes

Wir versuchen dort zunächst, die völlig entladenen Kabinen-Akkus mit Kabel und externem Strom wieder aufzuladen, aber das gelingt nicht, auch nicht, nachdem wir in der Stadt extra einen neuen Adapter für peruanische Steckdosen gekauft haben. Wir räumen unsere Sachen in Leoni ein und sind von der Häufung der Probleme ziemlich genervt. Den heutigen Tag sollte man am besten komplett aus dem Kalender streichen!
Am nächsten Morgen scheint zum Glück und im Gegensatz zum Vortag die Sonne. Die Solar-Panels auf dem Dach von Leoni nehmen ihre Arbeit auf. Die Spannungswerte und der Ladezustand der Akkus verändern sich langsam nach oben. Irgendwann um die Mittagszeit fängt der Wechselrichter an zu brummen, liefert aber noch keine 220 V. Dann brummt plötzlich auch die Wasserpumpe, allerdings ohne zu laufen. Irgendwann lässt sich das Licht einschalten, und es sind 12 V auf den Gleichstrom-Steckdosen, dann läuft plötzlich auch die Wasserpumpe, und am späten Nachmittag haben wir sogar wieder 220 V an den entsprechenden Steckdosen. So weit so gut. Was zu unserem Leidwesen leider weiter nicht funktioniert, ist der Kühlschrank.
Das Aufladen der Akkus mit externem Strom habe ich tagsüber mehrmals versucht, jedoch jeweils ohne jeden Erfolg. Den ganzen Tag über sind wir mit Einräumen und Saubermachen beschäftigt. Hildegard ist drinnen aktiv und ich draußen. Ich räume den schwarzen Sack leer und bin gar nicht mehr überrascht, dass dieser mehrere Löcher hat. Offenbar sind diese durch hervorstehende Schrauben und scharfe Kanten im Unterflurkasten entstanden. Ich trockne den Inhalt in der Sonne, so gut es geht, und fange an, alles zu entrosten und wieder gängig zu machen. Beim Ratschen-Kasten gelingt das mit einiger Mühe, beim 200-Nm-Drehmomentschlüssel dagegen nicht, und das Reifen-Reparaturset schmeiße ich gleich weg. Am Abend sind wir rechtschaffen müde, aber froh, dass wir eine ganze Reihe Fortschritte erzielt haben. Mal sehen, ob wir den Rest auch noch hinbekommen.

Kathedrale von Lima
Kathedrale von Lima

 

Monasterio de San Francisco in Lima
Monasterio de San Francisco in Lima

Am nächsten Tag lösen wir uns mal für einen Tag vom Thema Probleme lösen. Es steht die Besichtigung des historischen Zentrums von Lima an. Mit dem Taxi fahren wir in die Stadt. Die Plaza de Armas ist eindrucksvoll wie eh und je, auch wenn die Besichtigung der sie dominierenden Kathedrale ausfallen muss. Denn diese ist leider den ganzen Tag geschlossen. Dafür sehen wir uns eine ganze Reihe anderer Kolonial-Kirchen an, die Iglesia de Merced, die Iglesia Santo Domingo und schließlich das Monasterio de San Francisco. Vor allem letzteres mit seinen Katakomben und den Resten von 25.000 Toten aus drei Jahrhunderten, die sehr interessant sortiert sind, beeindruckt mich noch genauso wie bei meinem ersten Besuch vor 33 Jahren. In der einen Grube liegen nur Oberschenkelknochen, in einer anderen nur Armknochen, in der nächsten in geometrischen Figuren angeordnete Schädel, etc. Am späten Nachmittag geht es schließlich zurück zu Leoni. Wir stellen fest, dass die Akkus jetzt voll sind und dass der Kühlschrank funktioniert. Damit haben wir eine weitere Sorge weniger.
In der Werkstatt von Fire Wheels, wo schon vor unserem Heimaturlaub Leonis Vorderachse repariert wurde, wird festgestellt, dass offenbar ein abgebrochenes Auswucht-Bleistück auf der Innenseite des Rades für das metallische Geräusch verantwortlich war. Das Bleistück hatte sich im Bereich der Bremsscheibe verklemmt und dort sowie an der Felge deutliche Riefen hinterlassen. Irgendwann ist es dann während der Fahrt herausgeflogen. Unser verrosteter Drehmomentschlüssel wird als nicht mehr einsatzfähig eingestuft und durch einen nagelneuen ersetzt. Wie die Monteure von Fire Wheels weiter feststellen, habe ich tatsächlich etliche Radmuttern und Bolzen beim Anziehen beschädigt. Wir lassen daher sicherheitshalber alle Bolzen an den Vorderrädern sowie die beschädigten Radmuttern ersetzen. Außerdem werden noch alle vier Terminals am Lenkgestänge erneuert, die Klimaanlage repariert und ein Schmutzfänger vor der Kabinen-Treppe angebracht. Damit müsste Leoni fit für die Weiterreise sein.

Mochica-Keramiken im Museo Larco in Lima
Mochica-Keramiken im Museo Larco in Lima

 

Gleitschirm-Flieger an den Klippen von Lima-Miraflores
Gleitschirm-Flieger an den Klippen von Lima-Miraflores

Vor unserer Abfahrt nach Norden besuchen wir noch das sehr eindrucksvolle und in allen Reiseführern empfohlene private Museo Larco im Stadtteil Pueblo Libre, in dem vor allem Unmengen von sehr ausdrucksvollen Keramiken der Mochica-Kultur aus Nord-Peru ausgestellt sind. Das Museum ist eingebettet in eine wunderschöne Gartenanlage voller bunter Blumen und verfügt auch über ein erstklassiges und erstaunlich kostengünstiges Restaurant. Zurück in Miraflores statten wir dem Park auf den Klippen hoch über dem Meer einen Besuch ab und bewundern die Gleitschirm-Flieger, die am Paraport Miraflores (das heißt wirklich so) starten und landen und sehr schöne Fotomotive liefern.
Unsere Fahrt zur Panamericana Norte führt uns mitten durch das Zentrum von Lima. Es herrscht viel Verkehr, aber wir kommen erstaunlich gut durch. Unser Tagesziel ist die Reserva Nacional de Lachay. Sie liegt von der Panamericana aus gesehen ein paar Kilometer im Landesinnern. Je weiter wir in die Berge hochfahren, desto grüner wird es. Keine Küsten-Wüste mehr, sondern eine erstaunliche grüne Oase. Nachdem wir uns eingerichtet haben, kontrolliere ich Radmuttern und Reifendruck. Erfreulicherweise ist alles in Ordnung. Das von Webasto vorgeschlagene ein- bis zweistündige Ausbrennen der Heizung, die seit der Übernachtung hoch oben in den Anden zwischen Santiago und Mendoza nicht mehr zuverlässig funktioniert, gelingt allerdings nicht einmal ansatzweise. Die Heizung macht weiterhin, was sie will. Wird sie angestellt, geht sie nach kurzer Zeit aus, will man sie ausstellen, reagiert sie nicht, etc. Das geplante Ausbrennen bleibt jedenfalls ein frommer Wunsch und das Problem ungelöst.

Diese Papaya-Bäumchen voller dicker Früchte sind nur einen halben Meter hoch
Diese Papaya-Bäumchen voller dicker Früchte sind nur einen halben Meter hoch

 

Frisch geerntete Peperoni liegen zum Trocknen in der heißen Sonne
Frisch geerntete Peperoni liegen zum Trocknen in der heißen Sonne

Die altperuanischen Kulturen im Küstengebiet sind ausschließlich im Bereich von Flüssen entstanden, die das lebensnotwendige Wasser aus den Anden herunterbringen und bei entsprechender Bewässerung grüne Oasen im ansonsten wüstenhaften Küstenstreifen ermöglichen. Eine dieser Kulturen ist die von Caral. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch intensiv bewirtschaftetes Gelände, mit Riesenfeldern aller Art: Erdbeeren, Mais, Zuckerrohr, Maracuja, Paprika, Peperoni, Papaya. Vor allem die Papaya-Bäumchen sind putzig, nur einen halben Meter hoch, aber voller dicker Früchte. Ein unglaublicher Anblick. Die geernteten Peperoni liegen in riesigen Mengen zum Trocknen in der heißen Sonne.

Caral – Eindrucksvolle Reste einer 5.000 Jahre alten Kultur, der ältesten beider Amerikas
Caral – Eindrucksvolle Reste einer 5.000 Jahre alten Kultur, der ältesten beider Amerikas

Caral ist die älteste bekannte Kultur in beiden Amerikas, mit 5.000 Jahren ähnlich alt wie Sumer in Mesopotamien. Ein halbes Dutzend riesiger pyramidenförmiger Wohn- und Zeremonialgebäude verteilt sich über ein ansehnliches Areal. Das Material Keramik war in Caral noch nicht bekannt, Metall ebensowenig. Lediglich einige ungebrannte Statuetten wurden gefunden. Die gesamte Anlage ist sehr eindrucksvoll und für uns auch ziemlich überraschend. Denn Caral war uns bisher völlig unbekannt.
Am Nachmittag geht es von Caral aus zu einem in einem Reiseführer empfohlenen Übernachtungsplatz hoch über dem Meer zwischen Medio Mundo und Barranca etwa 200 km nördlich von Lima. Der Platz ist atemberaubend schön. Es gibt außer dem eindrucksvollen Panorama Meeresvögel in rauen Mengen, Pelikane, Blaufuß-Tölpel, Möwen aller Art, Schnepfen, Austernfischer, und auch jede Menge Geier. Etliche Angler in der Nähe frönen ihrem Hobby oder versuchen, in der Brandung ihr Abendessen zu fangen.
Um 19 Uhr sitzen wir, es ist längst dunkel, beim Abendessen in unserer Kabine. Da pocht es aggressiv an der Tür. Draußen stehen drei maskierte Männer, mindestens einer mit Pistole. Dieser fordert uns auf herauszukommen. Wir öffnen die Türe jedoch nicht, sondern nur das Fenster neben der Tür. Schreiend wird verhandelt. Hildegard verhält sich dabei außerordentlich geschickt. Fast hätte sie sogar durch das geöffnete Fenster dem Wortführer die schräg herein gehaltene Pistole aus der Hand gerissen. Die sehr stabile Kabinentür hält allen Versuchen Stand, sie mit Gewalt von außen zu öffnen. Schließlich schlägt einer der Männer mit dem Pistolenknauf das Fenster neben der Türe ein. Dabei fliegt das Pistolenmagazin mit 10 Schuss Munition in die Kabine. Das merken wir aber erst viel später. Ein anderer schlägt, wahrscheinlich mit einer Stange, das kleine Fenster im Heck sowie die Rückfahrkamera ein. Ich schaffe es unbemerkt durch die normalerweise verschlossene Verbindungstür in die Fahrerkabine, starte den Motor und gebe Vollgas. Die Flucht über Stock und Stein gelingt. Nur der gelbe Ausgleichskeil unter dem linken Hinterrad bleibt zurück. Für mich überraschend fällt kein einziger Schuss. Vielleicht, weil die gesamte Munition der Herrschaften inzwischen in unserer Kabine liegt. Dort ist bei der Aktion einiges zu Bruch gegangen, schließlich stand gerade das Essen auf dem Tisch. In der Kabine herrscht das Chaos. Alles ist komplett eingesaut. Wir fahren zur Panamericana zurück und weiter zur Polizei im ca. 15 km entfernten Medio Mundo. Hildegard bleibt dort an der Polizeiwache zurück, während ich mit drei Polizisten in einem Streifenwagen zum Überfallort zurückfahre. Nach einigem Suchen im Stockdunkeln und in schwierigem Gelände finden wir diesen auch. Ich sammle den gelben Keil wieder ein, wir fahren eine Zeitlang auf den Klippen herum und anschließend zur Polizeistation zurück. Die Polizisten glauben, Fußspuren von drei Angreifern identifiziert zu haben.

An dieser überaus malerischen Stelle hoch über dem Meer werden wir abends von drei maskierten Männern überfallen
An dieser überaus malerischen Stelle hoch über dem Meer werden wir abends von drei maskierten Männern überfallen

Einer der Beamten fragt mich, ob mir nicht klar war, dass eine Übernachtung auf den Klippen ganz alleine und im Dunkeln gefährlich ist. Überfälle dort seien zwar nicht gerade an der Tagesordnung, kämen aber vor. Der Ort war tagsüber ja auch keineswegs ruhig, sondern es pendelten jede Menge Angler an unserem Stellplatz vorbei. Viele Leute wussten also, dass wir da waren. Unter normalen Umständen hätten wir den Platz deshalb nicht gewählt. Wir wurden verleitet und irgendwie in Sicherheit gewogen durch die Empfehlung in erwähntem Reiseführer. Dies war absolut blöd und unprofessionell. Der Polizist hatte mit seiner Frage genau Recht.
Zurück an der Polizeistation wird Leoni begutachtet. Dabei stellt einer der Polizisten fest, dass Leoni vorne links einen Plattfuß hat. Wahrscheinlich bin ich bei der Flucht über einen Kaktus gefahren. Die Luft ist freundlicherweise so lange drin geblieben, bis wir bei der Polizei in Sicherheit waren. Wir dürfen vor der Polizeistation übernachten, tauschen das defekte Rad aus gegen das bisherige Reserverad, trinken noch ein Bier und gehen gegen 23 Uhr zu Bett.
Am nächsten Morgen untersuchen wir den platten Reifen und finden prompt seitlich ein kleines kreisrundes von einem Kaktusstachel verursachtes Loch. Das eingeschlagene Heck-Fenster mit seinen sehr scharfen Plastiksplittern ist voller Blutspritzer, was die Polizisten aber nicht weiter interessiert. Sie glauben nicht, dass sie das weiterbringt.

Mit der Spitzhacke wird der Reifen bei der Reparatur von der Felge gelöst.
Mit der Spitzhacke wird der Reifen bei der Reparatur von der Felge gelöst.

 

Das eingeschlagene Seitenfenster wird provisorisch mit Holz verschlossen.
Das eingeschlagene Seitenfenster wird provisorisch mit Holz verschlossen.

Die Polizisten empfehlen uns, nach Barranca etwas weiter nördlich zu fahren und dort die Schäden zumindest notdürftig beheben zu lassen. Unterwegs lassen wir in einer Llantería (Reifenwerkstatt) schon einmal den platten Reifen flicken. Gekonnt wird dieser mit einer Spitzhacke von der Felge gelöst und das erkannte Loch mit einem Flicken verschlossen. In Barranca finden wir kurz darauf mit Hilfe eines von uns befragten Polizisten eine Carpenteria (Schreinerei), wo das zerstörte und jetzt offen stehende Seitenfenster mit Holz verschlossen wird. Beim Fenster im Heck ist die Situation anders. Hier ist nur die äußere Lage zersplittert, die innere ist noch intakt, so dass keine unmittelbare Maßnahme erforderlich ist. Die Schreiner befestigen außerdem die Kabinentreppe neu. Der Pistolero war darauf am Vortag intensiv herumgeturnt und hatte die Treppe halb aus der Verankerung gerissen. Möglicherweise erst ganz zum Schluss, als er bei unserer Flucht hinunterflog.
In einem örtlichen Supermarkt füllen wir unsere Vorräte auf, sind damit wieder komplett reisefähig und fahren von der Panamericana runter und hinauf in die Berge, Richtung Huaráz in der Cordillera Blanca. Auf 2.100 m beziehen wir nach Rücksprache mit der Eigentümerin einen Übernachtungsplatz auf einem Privatgrundstück. Die genannte Höhe haben wir zur Akklimatisierung sehr bewusst gewählt. Denn Huaráz, das Ziel des nächsten Tages, liegt bereits auf knapp 3.100 m. Die Nacht ist erfreulich ruhig, aber am nächsten Morgen stellen wir dann verärgert fest, dass das Reserverad wieder seine Luft verloren hat. Wir finden ein weiteres kleines rundes Loch gegenüber dem gestern geflickten, wie dieses ebenfalls seitlich in der Flanke.
Die Straße führt weiter steil bergauf, und am Ende überwinden wir schließlich einen 4.200 m-Pass. Leoni qualmt abwechselnd schwarz und weiß wie lange nicht mehr. Kurz nach Mittag sind wir in Huaráz. Bei einer Llanteria, die im Gegensatz zu der vom Vortag über moderne Ausstattung verfügt, wird das zweite Loch im Reserverad zügig verschlossen.

Im Parque Nacional Huarascán in der Cordillera Blanca
Im Parque Nacional Huarascán in der Cordillera Blanca

 

Phantastischer Campingplatz an der Laguna Orconcocha im Parque Nacional Huarascán.
Phantastischer Campingplatz an der Laguna Orconcocha im Parque Nacional Huarascán.

Nach einer Übernachtung in Huaráz, die auch der weiteren Akklimatisierung an größere Höhen dient, fahren wir über Yungay, das bei einem Erdbeben im Jahre 1970 komplett verschüttet wurde, hoch zum Parque Nacional Huascarán, ins Zentrum der Cordillera Blanca. Diese Bergkette ist lediglich 180 km lang und 20 km breit, verfügt aber über 30 Berge, die höher sind als 6.000 m. Es ist weltweit das höchste Gebirge in den Tropen. Die nicht besonders gute Piste führt steil bergauf. Einmal muss ich sogar Allrad und die kleinste Untersetzung einschalten. Aber wir kommen durch. Am Parkeingang scheint noch die Sonne, doch weiter hinten im Tal hängen dichte Wolken. Dort wollen wir hin. Unser Campingplatz am Ende der Laguna Orconcocha liegt auf 3.850 m wunderschön auf einer Wiese zwischen steilen Felswänden. Auf der Südseite geht es ohne Übergang hoch zum Gipfel des Huascarán, des mit 6.768 m höchsten Berges von Peru.

Im Hintergrund der wolkenverhangene 6.768 m hohe Huascarán
Im Hintergrund der wolkenverhangene 6.768 m hohe Huascarán

Am nächsten Morgen rüsten wir uns für eine Wanderung in Richtung Laguna 69. Ich rechne nicht damit, dass wir sehr weit kommen, auch weil mir das Wetter zu unbeständig erscheint. Es ist bewölkt, aber der Regen bleibt zum Glück zunächst aus. Wir laufen die Straße entlang zum Quasi-Trailhead der Wanderung und sind überrascht, dass bereits Heerscharen von meist jungen Touristen auf unserem Pfad unterwegs sind, die alle mit dem Bus herangekarrt wurden. Wir sind „alone with nature and 300 of our best friends“, wie der Lonely Planet an anderer Stelle einmal süffisant bemerkt hat. Es geht zunächst gemächlich, später dann relativ steil ein breites und grünes Tal mit schönen Wasserfällen hoch, und nach einiger Zeit zeigt sich hinter uns der Huascarán in voller Schönheit. Ein wirklich eindrucksvolles, tolles Bergmassiv. Die Wolken haben sich etwas verzogen, und ab und zu kommt sogar die Sonne raus. Wir fühlen uns wie vom Glück geküsst. Der Weg ist allerdings nicht nur wunderschön, sondern auch anstrengend. Die dünne Luft macht sich nachdrücklich bemerkbar. Wir sind auf immerhin schon 3.850 m gestartet und befinden uns am Endpunkt unserer Tour an einem kleinen See mit phantastischem Panorama auf beachtlichen 4.400 m. Die noch einmal 200 m höher liegende Laguna 69 schaffen wir nicht mehr. Wir sind bereits rechtschaffen müde und haben das Gefühl, dass es auch so reicht. Nach einer einstündigen Mittagspause gehen wir zurück. Der Huascarán ist inzwischen wieder wolkenverhangen, und wir sind sehr froh, als wir kurz nach 15 Uhr zurück bei Leoni sind. Kurz nach 8 Uhr waren wir gestartet und somit unter Abzug der Mittagspause ca. 6 Stunden auf den Beinen. In sehr dünner Luft und sicher nicht perfekt akklimatisiert.

Endpunkt unserer Wanderung. Die Laguna 69 liegt noch 200 m höher hinter der dunklen Moräne in Bildmitte.
Endpunkt unserer Wanderung. Die Laguna 69 liegt noch 200 m höher hinter der dunklen Moräne in Bildmitte.

Neben Leoni steht ein Pick-up mit dösendem Fahrer. Dieser spricht mich später an und erzählt, dass er Guide ist und auf zwei spanische Touristen wartet. Wir unterhalten uns eine ganze Weile auf Spanisch, bis ich ihm bedeute, dass ich noch zu tun habe. Schuhe putzen und ähnliches. Unvermittelt fängt es kurz darauf an zu regnen. Wir haben mit unserer Wanderung bei unerwartet gutem Wetter echt Schwein gehabt.
Während des Abwaschs am nächsten Morgen fährt ein Auto über die Wiese genau in unsere Richtung. Hildegard ruft völlig entnervt: „Das Auto kommt genau auf uns zu. Da sitzen vier junge Männer drin.“ Doch es sind nur Arbeiter, die nebenan auf der Baustelle eines halbfertigen Nationalpark-Gebäudes arbeiten wollen. Der Vorfall macht klar, dass der Überfall bei uns Spuren hinterlassen hat. Das unbeschwerte Reisen hat einen Knacks bekommen.
In Caraz, wieder unten im Tal auf nur noch 2.270 m, fahren wir die empfohlene Los Pinos Lodge an. Und wer fährt bei unserer Ankunft gerade aus dem Tor heraus? Der Guide vom Vortag. Er stellt sich als perfekt englisch sprechender Besitzer der Lodge heraus. Es ist geradezu unglaublich. Wir beziehen einen Platz im engen Hof der Lodge und sind begeistert von dem wirklich herrlichen Garten, der uns umgibt. Am Abend folgt eine sehr angeregte Gesprächsrunde mit dem Besitzer, der seine Englischkenntnisse am Vortag noch konsequent geheim gehalten hatte.
Weniger schön ist, dass die Wasserpumpe in der Kabine von Leoni am Spätnachmittag plötzlich unmotiviert zu laufen anfängt und gar nicht mehr von selbst abschaltet. Wir nehmen die Wasserpumpe erst einmal vom Kabinen-Stromnetz und verschieben die Fehlersuche auf den Folgetag.
Am nächsten Morgen ziehe ich alle zugänglichen Schrauben an der Wasserpumpe nach, und wir reinigen den Filter. Das hat vor einem halben Jahr in Patagonien schon einmal geholfen. Dieses Mal leider nicht. Als Nächstes lese ich die Betriebsanleitung der Wasserpumpe durch. Dort werden alle möglichen Ursachen für unser Problem angegeben. Bei der anschließenden Suche stellt Hildegard fest, dass ein Leck an der Wasserspülung der Toilette die Ursache ist. Die Pumpe interpretiert dies als Bedarf und liefert ständig Wasser nach. Wir sind erleichtert und verschieben die Behebung des Problems auf später. Ein Leck ist uns deutlich lieber als eine defekte Wasserpumpe.

Eindrucksvolle Puya Raymondii auf über 4.200 m Höhe
Eindrucksvolle Puya Raymondii auf über 4.200 m Höhe

 

Westseite der Cordillera Negra
Westseite der Cordillera Negra

Wir haben an diesem Tag noch einen weiten Weg vor uns. Wir wollen nach Trujillo und wählen den Weg über die Ruta 104, quer über die Cordillera Negra. Es geht steil, und zwar extrem steil diese parallel zur Cordillera Blanca verlaufende Bergkette hinauf. Der Weg ist schmal und schlecht. Der Asphalt ist vor allem in kritischen Passagen zerbröselt und fehlt streckenweise völlig. Wir fahren von 2.270 m in Caraz hoch zu einem Pass auf über 4.200 m. Unterwegs sehen wir zum ersten Mal und dann gleich in großen Mengen Puya Raymondii, wirklich beeindruckende Pflanzen. Zum Glück herrscht fast überhaupt kein Verkehr. Die Rückseite des Gebirges ist weniger steil, aber nicht minder spektakulär. Unterwegs stelle ich fest, dass die Scheinwerfer von Leoni nicht funktionieren. Es ist trotz eingeschalteten Abblendlichts nur das Standlicht an. Die Hupe funktioniert ebenfalls nicht, was ich allerdings schon vor ein paar Tagen bemerkt hatte. Das fehlende Abblendlicht setzt uns unter Druck und bedeutet konkret, dass wir unbedingt vor dem Dunkelwerden in Trujillo ankommen müssen. Nach 5,5 langen Stunden haben wir die Bergkette überwunden und sind endlich an der Panamericana. Die Fahrt über die Cordillera Negra ist mit Sicherheit eine der anspruchsvollsten und „heißesten“ Fahrten unserer bisherigen Reise. Die Ruta 104 ist eine Meisterleistung des Straßenbaus und absoluter Wahnsinn. Von 2.270 m geht es hoch auf 4.200 m und direkt anschließend runter auf Meereshöhe. Ab der Panamericana darf ich mich ausruhen, Hildegard übernimmt das Fahren, und wir schaffen es tatsächlich bis kurz vor 18 Uhr zu den Huanchaco Gardens in Huanchaco unweit von Trujillo direkt am Meer. Kurz darauf, um 18.15 Uhr, geht die Sonne unter. Der Ort Huanchaco ist laut unserer Gastgeberin muy tranquilo, also ungefährlich. Und so laufen wir im Dunkeln an der Strandpromenade entlang, essen in einem der vielen Restaurants zu Abend und gehen früh zu Bett.
Nach dem anstrengenden Vortag schlafen wir uns einmal so richtig aus. Doch dann müssen wir uns wieder den Problemen des Lebens stellen. Also machen wir uns an die Fehlersuche. Der Sicherungskasten in der Fahrerkabine bringt keine Erkenntnisse. Alle Sicherungen scheinen ok zu sein. Und das Leck an der Toilettenspülung ist offenbar an einem für uns absolut unzugänglichen flexiblen Schlauch. Um dort heranzukommen, müsste man die gesamte Toilette auseinander bauen – und vor allem erst einmal wissen, wie das geht. Um das Problem des Lecks bzw. der permanent laufenden Wasserpumpe zumindest provisorisch zu beheben, müssten wir nur ein vorhandenes Ventil schließen, das unmittelbar davor liegt. Aber der entsprechende Hebel lässt sich trotz all meiner Bemühungen einfach nicht in die Position „geschlossen“ bringen. Er ist vermutlich zu lange nicht bewegt worden und inzwischen komplett verkalkt. Wir müssen wohl einen Blindstopfen aufsetzen lassen, um den Weg zur Schadstelle dauerhaft zu verschließen.
Dazu brauchen wir Hilfe. Ein Bosch-Dienst in Trujillo ist im Internet leider nicht zu finden, wohl aber gibt es im Stadtteil Mochica eine Werkstatt mit Namen Resea, die uns von der Besitzerin der Huanchaco Gardens empfohlen wird. Dort ist die Fehlerursache für den Ausfall von Scheinwerfern und Hupe schnell gefunden. Im Motorraum ist ein Kabel gerissen und in der Folge eine unter der Motorhaube versteckte Sicherung durchgebrannt. Dies ist wahrscheinlich beim sogenannten „Power-Cleaning“ bei Fire Wheels in Lima passiert. Dort wurde mit einem Hochdruckreiniger nicht nur die Karosserie, sondern ziemlich hemmungslos auch der Motorraum gesäubert. Dabei ist vermutlich durch den scharfen Wasserstrahl das besagte Kabel abgerissen. Wie auch immer, jetzt funktioniert alles wieder.
Die Wasserleitung zur Toilette wird wie von uns vorgesehen stillgelegt. Da kein passender Blindstopfen verfügbar ist, lötet der Monteur das Rohr kurzerhand zu. Das Problem Wasserpumpe bzw. Leck in der Toilette ist damit erledigt. Ab sofort muss allerdings „von Hand“ abgespült werden. Eine Bezahlung lehnt der Resea-Werkstattchef nach getaner Arbeit kategorisch ab. Auch ein Trinkgeld für den Monteur darf ich nicht zahlen. Resea hat offenbar unter anderem auch eine Bosch-Vertretung, und der Chef trägt voller Stolz ein Bosch-Sweat-Shirt. Folglich habe ich lange mit ihm über meine fast 30 Bosch-Jahre gesprochen. Dies ist der Hintergrund für die kostenlose Mehrfach-Reparatur. Wir bekommen sogar noch zwei T-Shirts mit Resea-Aufdruck geschenkt, bedanken uns sehr herzlich und sind damit erst mal alle technischen Probleme los. Denn auch die beiden Ersatzfenster und ein paar weitere Ersatzteile sind inzwischen in Deutschland bestellt und sollen bis Mitte November nach Quito in Ecuador geliefert werden.

Fischer kehrt mit seinem Caballito de Totora zum Strand zurück.
Fischer kehrt mit seinem Caballito de Totora zum Strand zurück.

 

Die gefangenen Fische werden unterwegs in einer Vertiefung im hinteren Teil des Caballitos verstaut.
Die gefangenen Fische werden unterwegs in einer Vertiefung im hinteren Teil des Caballitos verstaut.

 

Zum Trocknen werden die Caballitos senkrecht aufgestellt.
Zum Trocknen werden die Caballitos senkrecht aufgestellt.

Zum Glück gibt es neben technischen Problemen auch noch andere Themen. So verfügt unser aktueller Standort Huanchaco über eine interessante Besonderheit. Hier hat sich eine jahrtausendealte Fischfangmethode erhalten, die schon auf den erwähnten berühmten Keramiken der Mochica-Kultur dargestellt ist. Totora-Ried-Bündel – das ist das gleiche Material, aus dem Thor Heyerdahl seine Ra 2 gebaut hat – werden so geflochten und zusammengesetzt, dass der Fischer auf ihnen gewissermaßen ins Meer hinaus reiten kann, die Beine im Wasser baumelnd und das Boot mit einer in Längsrichtung halbierten Bambusstange als Paddel fortbewegend. Folgerichtig werden die Boote Caballitos de Totora, Totora-Ried-Pferdchen, genannt. Am Strand sind viele dieser „Pferdchen“ aufgereiht und zum Trocknen senkrecht aufgestellt. Wir halten das Ganze zunächst für eine reine Touristen-Attraktion. Bis wir zum ersten Mal beobachten, wie ein Bootsführer patschnass aus dem ziemlich eiskalten Meer zurückkommt. Er war mit drei großen Netzen unterwegs und landet mindestens 50 große Fische an, die er am Strand entweder direkt aus den Netzen oder aus einem Hohlraum im hinteren Teil des „Pferdchens“ herausholt. Das ist eine sehr ordentliche Beute, die er zum Großteil direkt am Strand verkauft. Die eingenommenen Geldscheine kommen unter seine Baseball-Kappe. Das ist die einzige noch halbwegs trockene Stelle an seinem Körper. Er war sicher stundenlang im offenen Meer unterwegs, und in der Brandung ist er mindestens einmal voll von einer Welle erwischt worden. Es ist für uns ziemlich unfassbar, dass er nicht zumindest halb erfroren ist. Denn er war nicht wie die ihn am Strand umgebenden Surfer im Neoprenanzug unterwegs, sondern in T-Shirt und kurzer Hose.
So ganz den Traditionen entsprechend sind die Caballitos de Totora jedoch inzwischen auch nicht mehr. Wir können beobachten, dass praktisch alle einen Kern aus Styropor und zum Teil eingearbeitete mit Luft gefüllte Plastikflaschen haben.

Chan Chan, Zentrum der Chimú-Kultur
Chan Chan, Zentrum der Chimú-Kultur

 

Die Mauern in Chan Chan waren bis zu 10 m hoch.
Die Mauern in Chan Chan waren bis zu 10 m hoch.

Die Caballitos de Totora sind nicht die einzige Attraktion der Gegend um Trujillo. Rund um die Stadt liegen einige bedeutende Ausgrabungsorte. Eine davon ist Chan Chan, das Zentrum der Chimú-Kultur, mit 60.000 Einwohnern und 14 qkm überbauter Fläche die seiner Zeit größte Adobe-Stadt der Welt. Erbaut um 1200 n. Chr. und bis zur Eroberung durch die Inkas im Jahre 1470 unabhängig. Als wir am frühen Morgen ankommen, ist außer einer malenden Schulklasse noch niemand in dem weitläufigen Areal. Wir sehen uns in aller Ruhe um. Die schiere Größe des Geländes ist beeindruckend, aber sehr viel ist komplett verfallen, und viele unschöne Wellblechabdeckungen verunzieren die inzwischen wieder restaurierten Reste.
Wesentlich imposanter finden wir eine andere archäologische Stätte, die auf der gegenüber liegenden Seite von Trujillo liegt und zum unmittelbaren Vorläufer der Chimú-Kultur gehört, der schon im Zusammenhang mit dem Museo Larco in Lima erwähnten Mochica-Kultur. Die Mochica hatten ihre Blütezeit von ca. 100 n. Chr. bis 850 n. Chr., also vom Römischen Kaiserreich bis zu Karl dem Großen. Die Huaca de la Luna kann man mit Führer besichtigen, die gegenüber liegende Huaca del Sol ist dagegen nicht zugänglich. Die Ausgrabungen in der Mochica-Hauptstadt wurden erst im Jahre 1991 gestartet und sind noch voll im Gange.

Mit bunten Friesen geschmückte ehemalige Außenwand der Huaca de la Luna, die später überbaut wurde
Mit bunten Friesen geschmückte ehemalige Außenwand der Huaca de la Luna, die später überbaut wurde

 

Gottheit der Mochica auf bereits in vorigem Foto gezeigtem Fries
Gottheit der Mochica auf bereits in vorigem Foto gezeigtem Fries

Bei den Mochica drehte sich wie bei vielen präkolumbianischen Kulturen fast alles um Menschenopfer. Diese wurden auf der obersten Plattform von Pyramiden-Tempeln vorgenommen. Die Pyramiden-Hügel wurden im Laufe der Jahrhunderte zwiebelschalenmäßig mehrfach überbaut, jeweils ohne den älteren inneren Teil zu zerstören. Ein Teil der äußeren Zwiebelschalen ist bei der Huaca de la Luna abgetragen, so dass jetzt phantastische Friese sichtbar sind, die den ganzen Tempelkomplex umgeben bzw. umgaben. Gezeigt werden u.a. die Götter der Mochica und lange Reihen von Gefangenen, die zur Opferung geführt werden. Die riesige Anlage ist ungeheuer eindrucksvoll.

Zum Zeremonialplatz der Huaca de la Luna hin gerichtete Außenwand der Tempelpyramide. Hier versammelte sich das Volk, um die Menschenopfer mitzuerleben.
Zum Zeremonialplatz der Huaca de la Luna hin gerichtete Außenwand der Tempelpyramide. Hier versammelte sich das Volk, um die Menschenopfer mitzuerleben.

 

Ausschnitt aus in vorigem Foto gezeigter Fassade. Unten die Gefangenen, die zur Opferung geführt werden.
Ausschnitt aus in vorigem Foto gezeigter Fassade. Unten die Gefangenen, die zur Opferung geführt werden.

Natürlich sehen wir uns auch das historische Zentrum von Trujillo an. Diese von Francisco Pizarro selbst unmittelbar nach der Eroberung des Inkareiches gegründete Stadt verfügt über eine wunderschöne Plaza de Armas mit der in auffälligem Gelb getünchten Kathedrale. Innen ist diese offenbar frisch renoviert und bemalt und wirkt gar nicht wie schon etliche Jahrhunderte alt. Wir belassen es bei einem relativ kurzen Rundgang durch den historischen Kern und fahren per Taxi nach Huanchaco zurück.

Plaza de Armas in Trujillo mit gelb getünchter Kathedrale
Plaza de Armas in Trujillo mit gelb getünchter Kathedrale

 

Die Plaza de Armas in Trujillo ist rundherum von typischen Kolonialbauten umgeben.
Die Plaza de Armas in Trujillo ist rundherum von typischen Kolonialbauten umgeben.

Vor dem Grenzübertritt nach Ecuador wollen wir weiter im Norden noch ein paar Tage am Strand verbringen. Als Ziel haben wir Colán in der Nähe der Hafenstadt Paita festgelegt. Dieses relativ wenig bekannte Strandbad ist jedoch immerhin ziemlich exakt 500 km entfernt. Wir fahren daher schon sehr früh, kurz nach 8 Uhr, los. In den ersten Stunden schaffen wir nur einen sehr schlechten Schnitt, denn es sind extrem viele Ortschaften zu durchfahren, in aller Regel Straßendörfer mit sehr vielen der für Lateinamerika so typischen verkehrsberuhigenden Schwellen. Diese heißen in Peru umgangssprachlich Rompemuelles, frei übersetzt Blattfedernmörder, und kommen oft auch völlig unerwartet in freiem Gelände vor. Sie sind sehr effektiv in ihrer Wirkung und nicht zu unterschätzen.

Vermüllte Straße in Chiclayo
Vermüllte Straße in Chiclayo

Die durchfahrene Gegend kommt uns vor wie eine einzige Müllhalde. Alles ist voll Dreck. Abraum, Plastik, Müllsäcke. Als wir uns Chiclayo, einer großen Stadt nördlich von Trujillo, nähern, wird es immer schlimmer. Ich glaube, so etwas habe ich auf der ganzen Welt noch nie gesehen. Sogar in den Wohngebieten sind die Mittelstreifen der Straßen total vermüllt. Alle paar Meter ein aufgerissener Müllsack, Plastik- und Papierfetzen, Abraum aller Art. Es ist einfach unfassbar. Zu allem Überfluss ist die Gegend auch noch ziemlich unsicher. Trujillo beispielsweise gilt als die gefährlichste Stadt Perus. Und andere deutsche Reisende haben uns erzählt, dass sie auf der Panamericana nördlich von Trujillo am helllichten Tag auf offener Strecke eine Pinkelpause eingelegt haben. Eine vorbeikommende Polizei-Patrouille hat daraufhin angehalten und sie aufgefordert, sofort weiterzufahren. Anhalten sei in dieser Gegend viel zu gefährlich. Und das um die Mittagszeit!!

Sundowner am Strand von Colán
Sundowner am Strand von Colán

Hinter Chiclayo liegt die Desierto de Sechura und freie Strecke. Jetzt kommen wir deutlich schneller voran. Gegen 16 Uhr sind wir in Colán und finden nach einigem Suchen die angestrebte Playa Colán Lodge. Dies ist eine sehr schöne Anlage unter Palmen direkt am Strand. Der peruanische Besitzer hat 10 Jahre lang in Deutschland im Hotelfach gearbeitet und die Lodge vor 25 Jahren aufgebaut. Vorher war hier nur Sand, sagt er. Wir parken Leoni für ein paar Tage auf dem bewachten Parkplatz der Lodge und genießen bei herrlichem Wetter die Annehmlichkeiten des paradiesischen Strandlebens und das im Vergleich zu Huanchaco erstaunlich warme Meerwasser, bevor wir zur nahe gelegenen Grenze von Ecuador aufbrechen.

7 Comments

  1. Holger und Tanja mit Kilian said:

    Hallo Franz und Hildegard,

    wir waren ja ganz schön besorgt als wir die ersten Zeilen vom Bericht des Überfalls lasen.
    Zum Glück außer den Schäden an Leoni nichts Schlimmeres passiert.

    Wir wünschen Euch weiterhin Gute Reise und senden hiermit viele Grüße aus Renningen
    Eure Nachbarn

    27. Oktober 2015
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  2. Bernd said:

    Hallo Leoni-Team,
    meine letzten Kommentare sollten nicht bedeuten, dass Ihr künftige Berichte mit Kriminal- und Actiongeschichten für die Leserschaft interessanter gestalten sollt. Ich hoffe, das war eine Ausnahme.
    Aus beruflichen Gründen möchte ich natürlich die Tatbestandsmerkmale der Geschehnisse vom Strand bei Medio Mundo hinterfragen:
    -was ist mit dem Pistolenmagazin und der Munition geschehen?
    -war es denn „scharfe“ Munition?
    -wenn die Waffe durchgeladen war, befand sich auf jeden Fall noch eine Patrone im Patronenlager der Waffe und wäre u.U. trotz fehlendem Magazin noch zündfähig gewesen, sofern die Pistole keine Magazinsicherung besaß. Ich hoffe, die peruanische Polizei hat sich wenigstens für das Magazin interessiert?
    -Dass die Peruaner nicht an Blutspuren interessiert waren liegt wohl daran, dass die es mit DNA-Spuren noch nicht so sehr haben.
    -Als Beweis oder zur Täteridentifizierung rate ich, künftig mindestens einen der Täter während der Flucht zu überfahren.
    -Solltet Ihr noch im Besitz des gefüllten Magazins sein, rate ich dazu, eine passende Pistole dazu zu kaufen. Auf Leoni macht ihr einen Aufkleber mit der Aufschrift: Precaución . Arma en el coche. So solltet Ihr in Zukunft sicher vor Überfällen sein und mit der Knarre unterm Kopfkissen schläft es sich einfach viel ruhiger.
    Lasst Euch nicht einschüchtern. Ihr habt ja fast alles, was auf so einer Reise passieren kann, schon durchgemacht. (Unfall, Defekt am Auto, Vulkanausbruch, Diebstahl, Überfall). Ab jetzt seid Ihr sicher.
    Alles Gute
    Bernd
    P.S. Den Rest des Reiseberichtes kommentiere ich heute nicht, da ich ihn wegen der L ä ä ä n g e nicht bis zu Ende gelesen habe.

    1. November 2015
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    • Franz said:

      Hallo Bernd,
      wir hatten schon gedacht, Dir wäre etwas passiert, weil Dein Kommentar so spät kommt. Offenbar ist das aber doch nicht der Fall.
      Zu Deinen Fragen: Das Magazin enthielt 10 Schuss scharfe Munition und war damit voll. Ob eine elfte Patrone im Lauf war, wissen wir nicht. Das Magazin haben wir brav bei der Polizei abgeliefert.
      Viele Grüße
      Franz

      2. November 2015
      Reply
      • Bernd said:

        Hallo Franz,
        so liebe ich das. Kurz mit nur 5 Zeilen alle Fragen beantwortet.
        Gut, dann lege ich den Fall zu den Akten und hoffe, ihr bleibt in Zukunft vor solchen Dingen verschont.
        Gruß und gute Reise
        Bernd

        2. November 2015
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  3. Michael said:

    …atemberaubend sowohl die Landschaft als auch die unliebsamen Entdeckungen! Wünsche euch von nun an eine verlässliche Leoni und nur liebsame Überraschungen. Bleibt gesund!
    Michael

    1. November 2015
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  4. Dieter und Elke Kunz said:

    Hallo Ihr Beide,
    gestresste und überfallene Weltreisende
    wir haben mit großem Interesse und mulmigen Gefühl Euren neusten Bericht gelesen, puh. Was müßt Ihr Ängste gehabt haben und doch schnell richtig reagiert, indem Du Franz losfährst. Und kein Schaden an Leib und Leben, wenngleich Ihr jetzt sicher etwas wachsamer seid.
    Es kamen wohl sehr viele Dinge zusammen, die zu reparieren waren, verliert man da nicht langsam die Geduld? Schön, daß Ihr doch überall gleich Hilfe bekommt durch die Kontakte Bosch.
    ‚Wir hoffen sehr, daß jetzt eine entspannte und schöne Zeit anschließt und Ihr Zeit zum Geniessen habt. Von uns kann ich berichten, daß wir von einer Andalusienrundreise zurück sind.
    Wetter spielte noch mit, Hotels und Essen super, aber mit einer Gruppe reisen, heißt auch immer auf die Uhr schauen und evtl auf Mitreisende warten, was ja vergeudete Zeit ist. Also Devise wieder individuell reisen.Unsere Pläne für März nach Südafrika sind mit Tochter und Freund, die dann überwiegend fahren, so daß Dieter entlastet ist. Ich spiele den Guide, da wir schon mehrmals die Ecke bereist haben.Wir denken an Euch und schicken ganz liebe Grüße
    Elke und Dieter

    3. November 2015
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  5. Dieter und Elke Kunz said:

    Happy Birthday to You, Franz. Always remember: You are not only getting older but also better. Have a nice day!
    Elke und Dieter from Germany

    10. November 2015
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