Schon auf den buchstäblich allerersten Blick versucht Mexiko am Grenzübergang El Ceibo dem Ankömmling klar zu machen, dass dieser jetzt die Dritte Welt verlässt und die Erste betritt. Nachdem wir auf guatemaltekischer Seite von Migración und Aduana in ein paar Bruchbuden und vergammelten Containern abgefertigt wurden, empfängt uns Mexiko mit einer nagelneuen, imposanten und aus unserer Sicht völlig überdimensionierten Grenzanlage. Wie wir schnell merken, heißt das aber nicht, dass auch alles wohl organisiert wäre. Zunächst werden gegen eine Gebühr Leonis Räder desinfiziert. Dann laufen wir eine Zeitlang ratlos herum, bis wir die für das Abstempeln der Pässe zuständige Migración finden. Brauchbare Hinweisschilder gibt es leider nicht. Immerhin bekommen wir nach Ausfüllen der Einreisezettel zügig unsere Stempel in den Pass. Auf der anschließenden Suche nach der für die Einreise unseres Fahrzeugs zuständigen Aduana werden wir hin und her geschickt. Schließlich bekommen wir mitgeteilt, dass wir am nächsten Tag um 9 Uhr wiederkommen sollen. Wegen der vielen Arbeit am Vortag zum Ende der Osterferien wird die Arbeit von der Aduana erst am folgenden Tag wieder aufgenommen. Es ist gerade Mittagszeit, ungefähr 13 Uhr. Willkommen in Mexiko.
Die Übernachtung in der Grenzstation wird uns von den Herrschaften der Aduana nicht zugestanden. Stattdessen bekommen wir folgende tollen Vorschläge zu hören: Zurückfahren nach Guatemala. Wir sind aber doch schon in Mexiko eingereist!? Ja schon, wir könnten natürlich auch mit Bus oder Taxi zur etwa 50 km entfernten mexikanischen Stadt Tenosique fahren, dort übernachten und dann zurückkommen. Unser Fahrzeug dürften wir natürlich nicht mitnehmen.
Wir beschließen, das Thema ganz einfach auszusitzen. Das funktioniert aber leider nicht. Denn um exakt 18 Uhr klopft es an der Tür. Draußen stehen drei Uniformierte, einer mit Gewehr. Wir haben den Innenraum der Grenzanlage sofort zu verlassen und sollen uns außerhalb des Geländes auf mexikanischer Seite vor das geschlossene Tor stellen. Das ist immerhin ein kleines Zugeständnis, denn Leoni ist ja noch nicht abgefertigt. Notgedrungen fahren wir dorthin. Doch als wir am Tor ankommen, meint der dort stationierte Sicherheitsmann, eine Übernachtung an dieser Stelle sei viel zu gefährlich. Wir sollten bis zum ersten Haus einer kleinen Ansiedlung etwa einen Kilometer weiter fahren. Dort sei ein Parkplatz, auf dem wir gegen Bezahlung übernachten könnten. Also fahren wir zum Estacionamiento Gaby, zahlen dort eine sehr geringe Übernachtungsgebühr von umgerechnet einem Euro und verrammeln uns mit einem etwas mulmigen Gefühl in unserer Leoni.
Die Nacht ist erstaunlich ruhig, und wir bleiben völlig unbehelligt. Nur die Brüllaffen im unmittelbar benachbarten Dschungel brüllen sich von Zeit zu Zeit die Seele aus dem Leib. Ganz wie es ihre Art ist. Um 8.30 Uhr stehen wir vor dem noch geschlossenen Tor, um 9 Uhr werden wir wieder in das Gelände hineingelassen. Problemlos bekommen wir gegen eine Gebühr von 60 US$ eine 10 Jahre gültige Einfuhrgenehmigung für Leoni. Ein entsprechender Aufkleber kommt innen auf die Windschutzscheibe. Das Vorhandensein von Führerschein und vor allem auch mexikanischer Kfz-Versicherung wird erstaunlicherweise nicht überprüft.
Die Grenzabfertigung ist damit jedoch noch keineswegs abgeschlossen. Denn jetzt kommt die Agrarkontrolle. Früchte und Gemüse haben wir sicherheitshalber schon komplett aufgegessen, aber unerwarteterweise verlieren wir etliche Packungen mit originalverpacktem Käse, Salami und Reis sowie unsere gesamten Buttervorräte. Immerhin bekommen wir für alles eine wunderschöne Quittung. Die abschließende Drogenkontrolle des Fahrzeugs durch die Aduana findet dann praktisch gar nicht mehr statt. Wir werden durchgewunken. Die Aduana ist offenbar auch froh, uns endlich los zu sein.
Bereits nach kurzer Fahrt werden wir auf offener Strecke an einem stationären Militärposten angehalten und kontrolliert. Einen Touristen-Bonus wie in anderen lateinamerikanischen Ländern scheint es hier in Mexiko nicht zu geben. Nicht nur die Papiere, sondern auch unsere Kabine wird inspiziert. Völlig überrascht sind wir dann, als wir etwa 100 km weiter an der Grenze der Bundesstaaten Tabasco und Chiapas auf eine riesige Anlage der Aduana treffen. Also quasi bereits mitten in Mexiko. Der gesamte Verkehr aus allen Himmelsrichtungen wird hier durchgeschleust. Und erneut wird unsere Kabine durchsucht. Mittlerweile sind wir durch die ständigen Aufenthalte etwas genervt.
Unser Tagesziel ist das Hotel Maya Bell in unmittelbarer Nähe der Ruinen von Palenque. Diese wunderschöne Anlage am Rand des Urwalds hatten Hildegard und ich schon bei unserer Mexiko-Reise im Jahre 2010 besucht. Dieses Mal kommen wir ohne Hotelzimmer aus und parken stattdessen Leoni auf der großen Wiese im Garten. Der herrliche Pool nur ein paar Meter weiter dient dann während der gesamten Dauer unseres Aufenthalts regelmäßig zur Erfrischung. Tukane fliegen über unsere Köpfe, und die offenbar reichlich vertretenen Brüllaffen im Wald tun, was sie am besten können: Sie brüllen.
Die Ruinen von Palenque sind auch bei einem Wiederhol-Besuch immer noch eindrucksvoll. Wie schon im Blog-Beitrag „Honduras und Guatemala“ erwähnt gilt Palenque ja neben Copán in Honduras und Tikal in Guatemala als eine der drei wichtigsten Maya-Zentren der klassischen Zeit. Der Eintritt für die Ruinen und das ausgesprochen eindrucksvolle Museum kostet in Summe lediglich 65 Pesos p.P., etwa 3,25 Euro. Das ist erstaunlich wenig, vor allem im Vergleich zu dem, was wir an Eintrittspreisen in den Ländern Mittelamerikas bezahlt haben.
Auf der Weiterfahrt nach Villahermosa müssen wir erneut die riesige Anlage der Aduana an der Grenze von Chiapas und Tabasco passieren. Wieder wird unsere Kabine inspiziert. Und dieses Mal treibt der kontrollierende Aduanero Hildegard fast in den Wahnsinn. Jede Schublade macht der gute Mann auf, kontrolliert jeden einzelnen Schrank, lässt alle drei vorhandenen Reiseapotheken öffnen und sich jedes Medikament einzeln vorführen, etc. Dass es allerdings auch drei große Unterflurkästen gibt, die prall gefüllt sind mit Werkzeugen und Ersatzteilen, entgeht dagegen seiner Aufmerksamkeit. Na ja, irgendwann dürfen wir schließlich weiterfahren. Erstaunlicherweise treffen wir weiter im Landesinneren auf keine Kontrollstellen mehr. Der aus Süd- und Mittelamerika kommende Kokainstrom soll offenbar bereits in Grenznähe zu Guatemala gestoppt werden.
Die Großstadt Villahermosa steht wegen des Parque Museo La Venta auf unserer Agenda. Dies ist ein Freilicht-Museum mitten in der Stadt, in dem über 30 Großskulpturen der Olmeken zu bewundern sind, die alle von der Ausgrabungsstelle La Venta etwa 70 km westlich von Villahermosa stammen. Besonders eindrucksvoll sind die berühmten Kolossal-Köpfe, die wahrscheinlich bedeutende Herrscher im Kriegsornat darstellen. Man weiß allerdings nicht besonders viel über die Olmeken. Ihre Herkunft ist dabei ähnlich unklar wie ihr Verbleib. Allgemein gelten die Olmeken jedoch als Vorläufer der Maya-Kultur.
Der Eintritt zum Parque Museo La Venta ist mit 40 Pesos p.P. wieder sehr niedrig. Der dschungelartige Park ist sehr schön angelegt und bietet eine interessante Mischung von Natur und Kultur: Am Boden Nasenbären, in den Baumwipfeln Affen und am Wegrand Olmeken-Skulpturen. Einen Zoo-Bereich mit exklusiv mexikanischen Tieren gibt es auch. Noch nie sind wir so nah an Jaguare herangekommen.
Lange sind wir unschlüssig, welchen Weg wir zu unserem nächsten Ziel Oaxaca einschlagen sollen. Es gibt nach Kartenlage verschiedene Möglichkeiten, deren Vor- und Nachteile uns aber nicht bekannt sind. An einem einzigen Tag ist die Strecke jedenfalls nicht zu schaffen. Schließlich entscheiden wir uns für die Fahrt über den Isthmus von Tehuantepec nach Süden und die anschließende Bergstrecke hoch nach Oaxaca.
Die mautpflichtige Autobahn führt von Villahermosa Richtung Westen durch eine sehr grüne und feuchte Landschaft, ist bis zur Bundesstaatsgrenze Tabasco – Veracruz sehr gut ausgebaut und wird dann schlagartig schlecht. Die Verkehrsschilder sind halb abgerissen und hängen schräg herunter, die Straße löst sich in Schlaglöcher auf, alles links und rechts wirkt plötzlich vergammelt, was ein paar Kilometer vorher in Tabasco noch richtig proper aussah. Merkwürdig.
Ab dem Abzweig nach Süden Richtung Tehuantepec fahren wir über eine Landstraße, die in recht gutem Zustand ist. Zwar gibt es Schlaglöcher und in den Ortsdurchfahrten jede Menge Topes, für die Mexiko berühmt oder besser berüchtigt ist, aber in Summe wenig Grund, sich zu beschweren. Topes sind künstliche Bodenwellen, die langsames Fahren erzwingen sollen. Es gibt sie unter anderem Namen auch in den anderen lateinamerikanischen Staaten, aber nirgendwo sind sie so häufig wie in Mexiko. Man sollte sie tunlichst ernst nehmen und es nie an Aufmerksamkeit fehlen lassen. Denn nicht immer sind die Topes leicht zu erkennen. Manchmal kommen sie unangekündigt auf offener Strecke, manchmal liegen sie genau im Schatten eines Baumes.
Wir übernachten in der Nähe von Tehuantepec auf dem im Church-Campingführer Mexico erwähnten Trailer-Park Santa Teresa. Ein Trailer-Park war das hier wohl tatsächlich einmal, doch inzwischen ist es eher eine Trümmerwüste. Was noch da ist, sind wunderschöne große Mangobäume, umgeben von Wiesen, Bananen- und Zuckerrohr-Plantagen. Der Wachmann ist mit Familie im ehemaligen Baño Mujeres, der Damen-Toilette, eingezogen. Das schreibt schon Church, und das besagt eigentlich alles. Andererseits ist der Platz gar nicht so schlecht. Viele Vogelsorten umschwirren uns, auch etliche noch unbekannte sind dabei. Abends um 21 Uhr zeigt das Thermometer draußen noch über 30 Grad an. Aber es ist nicht mehr die feuchte Hitze der Karibikküste, sondern immerhin die wesentlich trockenere der Pazifikseite, die deutlich besser zu ertragen ist.
Beim Aufstehen am nächsten Morgen ist es draußen immer noch 27 Grad warm. Wir brechen zeitig auf. Die Straße in die Berge nach Oaxaca ist hervorragend ausgebaut und bringt uns zügig voran. Nach einigen Stunden Fahrt machen wir Halt an einer Mezcal-Fabrik. Mezcal ist eine mexikanische Spirituose, die aus dem Fruchtfleisch verschiedener Agavenarten hauptsächlich im Umland von Oaxaca hergestellt wird. Der bekannteste Mezcal ist der Tequila, der allerdings nur aus der Blauen Agave und nur in der Umgebung der Stadt Tequila produziert werden darf. Wie vor Jahrhunderten wird der Saft mit Hilfe eines im Kreis laufenden Pferdes und eines senkrecht stehenden Mühlsteins aus den vorher bereits weich gekochten Herzen der Agaven herausgepresst, anschließend wird vergoren, destilliert, gelagert und abgefüllt.
Ca. 40 km vor Oaxaca machen wir einen Abstecher nach Mitla. Diese Stadt diente den Zapoteken nach der Invasion der Mixteken um 1000 n. Chr. und dem Fall von Monte Albán als Herrschafts- und Verwaltungszentrum. Im Jahre 1496 eroberten die Azteken Mitla und plünderten die Stadt, also nur wenige Jahre, bevor die Spanier kamen. Eine Besonderheit von Mitla sind in die Gebäudefassaden gemeißelte Ornamente und Mosaike, die in ihrer Vollkommenheit einzigartig in Mexiko sind.
Unser Stellplatz für die nächsten Tage ist die Overlander Oasis in Santa Maria del Tule, nur 10 km von Oaxaca entfernt. Das kanadische Pärchen Leanne und Calvin hat hier vor etlichen Jahren einen beliebten Treffpunkt für Overlander geschaffen. In der ersten Nacht an dieser Stelle werde ich gegen 3.30 Uhr wach, weil Leoni fürchterlich wackelt. Den Grund erfahren wir erst etwas später: Es war ein Erdbeben der Stärke 5,4 in der Küstenregion von Oaxaca.
Das Wahrzeichen von Santa Maria del Tule ist eine riesige Mexikanische Sumpfzypresse oder Montezuma-Zypresse. Sie soll über 2000 Jahre alt sein und gilt als der oder zumindest einer der dicksten bzw. voluminösesten Bäume der Welt. Der Durchmesser beträgt laut Hinweisschild 14 m, der Umfang 58 m, das geschätzte Gewicht über 600 Tonnen. Um den Weltrekord des dicksten Baumes der Welt streitet sich der Baum von Tule mit den größten Sequoias Giganteas (Mammutbäumen) in der Sierra Nevada in Kalifornien.
Mit dem Sammel-Taxi fahren wir ins Zentrum von Oaxaca. Vielen gilt diese Stadt als die schönste Mexikos. Sie liegt auf etwa 1.550 m und hat ein sehr geschlossenes koloniales Stadtbild. Neben der Kathedrale gibt es eine Vielzahl von weiteren Kolonialkirchen. Hervorzuheben ist diesbezüglich Santo Domingo. Diese Kirche ist nicht nur ausgesprochen überbordend ausgeschmückt, das im direkt anschließenden Ex-Convento Santo Domingo untergebrachte Museum ist das zweitgrößte in Mexiko und bietet in einem tollen Ambiente aus alten kolonialen Gewölben hochinteressante Ausstellungsstücke aus der präkolumbianischen und auch aus der spanischen Epoche. Der Museumseintritt kostet wieder die schon erwähnten erstaunlich niedrigen 65 Pesos p.P. Dieser Preis taucht im Folgenden in Mexiko immer wieder auf und scheint tatsächlich so etwas wie ein Standard-Wert zu sein.
Wie in vielen mexikanischen Städten ist die zentrale Plaza neben der Kathedrale, der Zócalo, eine von großen Bäumen bestandene schattige Oase. Hier kann man entspannt sitzen und den Schuhputzern und Saftverkäufern bei ihren Aktivitäten zuschauen. Ein alter, sehr freundlicher, aber offenbar schon leicht dementer US-Amerikaner spricht mich an, fragt, woher und wie alt ich bin und stellt dann die spannende Frage: „How was it to live under Hitler?“ Ich kann diesbezüglich nicht mit eigener Erfahrung dienen und muss die Frage unbeantwortet lassen, was den alten Herrn erkennbar enttäuscht.
Oberhalb von Oaxaca, nur knappe 10 km vom Zentrum entfernt, liegt die sehr großräumig angelegte und eindrucksvolle alte Zapoteken-Stadt Monte Albán (siehe auch Übersichtsbild über diesem Beitrag). Im 5. und 6. Jahrhundert hatte Monte Albán als Hauptstadt der Zapoteken seine Blütezeit, wurde dann aber um 950 n. Chr. aufgegeben und diente nur noch als Begräbnisstätte. Nach der Invasion durch die Mixteken wurde Monte Albán von diesen übernommen. Aus dieser Zeit stammt auch das berühmte Grab Nr. 7 mit seiner einzigartigen Anhäufung kostbarer Beigaben aus Gold, Silber und Jade. Diese sehr eindrucksvollen Fundstücke sind im schon erwähnten Museo de las Culturas de Oaxaca im Ex-Convento Santo Domingo de Guzmán zu besichtigen.
Auf der Weiterfahrt von Oaxaca nach Puebla und Cholula lernen wir in der Innenstadt von Oaxaca ein neues Ampelsystem kennen. Die traditionellen Rot-Gelb-Grün-Ampeln sind durch elektronische Anzeigen ersetzt: Alto (Haltmachen) in rot und Siga (Fahren) in grün. Das ist gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber offenbar gut.
Direkt hinter Oaxaca beginnt eine Maut-Autobahn, die uns ohne jedes Hindernis zügig nach Puebla bringt. Dort fahren wir mindestens 10 km an einer noch nicht ganz fertiggestellten Hochtrasse vorbei, die einmal den kompletten Durchgangsverkehr aufnehmen soll. Ein imposantes Bauwerk. Und bevor wir hinter Puebla zu unserem Übernachtungsplatz, dem Trailer-Park Las Americas in Cholula, abbiegen, passieren wir auf der rechten Seite das riesige Volkswagen-Werk.
In Cholula haben wir uns mit unseren Freunden Wiffe und Irene von den Stuttgarter Globetrottern verabredet, die die Panamericana in umgekehrter Richtung befahren und von Alaska auf dem Weg nach Feuerland sind. Sie sind am Vortag angekommen und erwarten uns bereits. Es folgt eine ausgesprochen herzliche Begrüßung und dann ein gemütliches Beisammensein draußen neben den Autos mit Abendessen und Bier und Wein. Wir sind jetzt auf immerhin 2.200 m, und es ist deutlich kühler, als wir es aus der letzten Zeit gewohnt sind. Als Folge fange ich mir eine kräftige Erkältung ein, die ich nach ein paar Tagen an Hildegard weitergebe.
Am nächsten Morgen ist es draußen noch ganze 13,6 Grad warm. Erstmals seit Monaten ziehen wir dicke Jacken an, die wir aus den Tiefen unserer Wäschesäcke hervorwühlen. Per Bus geht es nach dem gemeinsamen Frühstück ins Zentrum von Cholula und dann die Pyramide von Cholula hoch zur Besichtigung der Kirche auf der Spitze. Diese Pyramide ist dem Volumen nach die größte bekannte Pyramide der Welt, größer als die Cheops-Pyramide in Ägypten. Das liegt an der riesigen Grundfläche von 450 m x 450 m und nicht an der Höhe von heute nur noch 66 m, die deutlich geringer ist als die der Cheops-Pyramide und auch geringer als die Höhe der Sonnenpyramide von Teotihuacán. Eigentlich ist es auch nicht eine Pyramide, sondern eine Abfolge von mehreren Pyramiden, die übereinander gebaut wurden. Mehrere Völker waren im Laufe der Jahrhunderte daran beteiligt. Die äußere und damit jüngste Pyramide stammt aus dem 8. Jahrhundert. Die Spanier bauten auf deren Spitze dann im 16. Jahrhundert die Iglesia Nuestra Señora de los Remedios, zum Einen, um ihren Herrschaftsanspruch zu dokumentieren, und zum Anderen angeblich auch, um den nur schwer ausrottbaren und althergebrachten Brauch der Menschenopfer oben auf der Pyramide zu beenden.
Als wir am Abend zurück bei unseren Autos sind, stehen zwei weitere deutsche Fahrzeuge auf dem Platz. Sie gehören zu den 16 Fahrzeugen der Seabridge-Gruppe (vgl. Blog-Beitrag „Honduras und Guatemala“). Am nächsten Tag sollen all die anderen nachkommen. Uns bleibt offenbar nichts erspart. Vorsichtshalber stelle ich Leoni schon einmal platzsparend um.
Mit dem öffentlichen Bus fahren wir am folgenden Tag nach Puebla, was eine Dreiviertelstunde dauert und ganze 7,5 Pesos kostet, knapp 40 Eurocent. Die historische Altstadt mit ihren ausgedehnten baumbestandenen Fußgängerzonen ist sehr ansprechend, ganz im Gegensatz zur eher langweiligen Stadtrundfahrt mit einem Touristenbus, zu der wir uns leider entschlossen hatten. Die meiste Zeit stehen wir in schlechter Luft vor roten Ampeln im Stau, und zu sehen gibt es auch nicht besonders viel. Besser gefällt uns das anschließende Mittagessen in einem Restaurant am Zócalo. Es gibt die Spezialität von Puebla, Mole Poblado, eine riesige Portion Hähnchenbrust in einer Soße aus bitterer Schokolade und passierten Früchten mit Reis. Sehr ungewöhnlich, aber lecker.
Als wir zu unserem Übernachtungsplatz zurückkehren, hat sich dieser völlig verändert. Die 16 Fahrzeuge der Seabridge-Gruppe sind da. Es ist grenzwertig, um nicht schlimmere Ausdrücke zu verwenden. Und diese Horde fällt seit einem halben Jahr jeden Tag auf einem anderen unschuldigen Übernachtungsplatz ein. Wir sind froh, dass wir am folgenden Morgen ohnehin weiterfahren wollen. Der Reiseleiter, ein sportlicher Typ von vielleicht 45 Jahren, kommt im Laufe des Abends bei uns vorbei. Ich erahne seine Funktion erst im Laufe des Gesprächs und frage ihn dann, ob er vielleicht der Kindergärtner der Gruppe sei, was er grinsend bejaht.
Am folgenden Morgen verabschieden wir uns herzlich von Wiffe und Irene und wünschen uns gegenseitig eine gute und sichere Reise. Dann machen wir uns auf den Weg nach San Miguel de Allende. In weitem Bogen fahren wir auf ausgezeichneten, allerdings auch mautpflichtigen Straßen nördlich an Mexico City vorbei. Die Hauptstadt von Mexiko haben wir schon vor 6 Jahren ausgiebig besucht und lassen sie jetzt im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. San Miguel de Allende ist eine von vielen kolonialen Kleinstädten in Zentral-Mexiko und ein echtes Kleinod. Die Stadt hat viel typisch mexikanisches Flair und gefällt uns sehr gut. Andererseits haben wir in den letzten anderthalb Jahren dutzende von Kolonialstädten besucht. Der Reiz, immer noch weitere Kolonialstädte zu besichtigen, schwindet langsam dahin. Wir haben auch mehr und mehr das Gefühl, dass Panamericana-Reisende, die von Nord nach Süd fahren, Mexiko in viel leuchtenderen Farben beschreiben als solche, die wie wir von Süd nach Nord unterwegs sind und lateinamerikanisches Flair schon in vielen großen Portionen genossen haben.
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Guanajuato, ebenfalls eine koloniale Kleinstadt und nur knapp 100 km von San Miguel de Allende entfernt. Guanajuato liegt in einem engen Tal, konnte sich flächenmäßig kaum ausbreiten und hat deshalb ein besonders geschlossenes Stadtbild bewahren können. Wir können uns nur zu einem kurzen Nachmittagsbesuch von unserem Übernachtungsplatz oberhalb der Stadt aus durchringen und fahren schon am nächsten Morgen weiter nach Guadalajara.
Die erneut mautpflichtige Autobahn nach Guadalajara ist hervorragend ausgebaut und erlaubt sehr zügiges Fortkommen, geht aber auch ins Geld. Wir werden regelmäßig abkassiert und lassen umgerechnet immerhin ca. 20 Euro liegen. Die eingesparte Zeit gegenüber der nicht mautpflichtigen Straße verlieren wir aber wieder, weil wir den Einstieg in den anvisierten Trailer Park San Juan nicht finden können. Als ich das Schild „Trailer Park“ zum ersten Mal sehe, sind wir noch ca. 1 km vom angesteuerten GPS-Punkt entfernt. Das Navi führt uns dann auch in die unmittelbare Nähe. Doch dann stehen wir in einer Sackgasse vor einer hohen Mauer. Der GPS-Punkt liegt direkt dahinter. Wir brauchen anschließend eine geschlagene Stunde, bis wir unseren Übernachtungsplatz endlich erreicht haben.
Dieses Problem begegnet uns leider immer wieder, so schlimm wie dieses Mal war es allerdings selten. Zurückzuführen ist dieses wirklich ärgerliche Dauerthema darauf, dass oft GPS-Punkte am individuellen Stellplatz eines Fahrzeugs ermittelt werden statt am Eingang zu einem potenziellen Übernachtungsplatz. Die individuellen Stellplätze können aber buchstäblich kilometerweit vom Eingang entfernt sein und lassen sich mit dem Navi dann oft nicht ansteuern.
Natürlich statten wir auch dem historischen Zentrum von Guadalajara einen Besuch ab. Dazu nehmen wir den öffentlichen Bus, was für eine Stunde Fahrt gerade mal 7 Pesos p.P. kostet, ca. 35 Eurocent. Die Stadt selbst finden wir dann allerdings vergleichsweise wenig interessant. Pflichtgemäß besichtigen wir die Kathedrale und die umliegenden Plazas mit einigen eindrucksvollen Gebäuden und Denkmälern, fahren dann aber schon bald mit dem Bus zu unserem Übernachtungsplatz zurück.
Für die nächsten Tage haben wir die Anlage des Hotels Paraiso Miramar etwa 20 km südlich von San Blas als Standort ausgewählt. Diese liegt unmittelbar am Meer, hat einen wunderschönen tropischen Garten, mehrere Pools und ein Restaurant. Unser Stellplatz ist von Palmen und großen Ravenalas umgeben. Das Wetter ist wie immer herrlich, nur wimmelt es leider von kleinen sechsbeinigen Monstern, die uns mit Begeisterung in die Knochen beißen. Positiv beeindruckend sind dagegen die Sonnenuntergänge. Am ersten Abend verschwindet die Sonne in den Wolken, bevor sie untergeht, beschert uns dafür aber anschließend einen leuchtend roten Himmel. An den folgenden Abenden versinkt sie dagegen bilderbuchmäßig in voller Schönheit im Meer.
Die Maut auf der Cuota nach Mazatlán kostet uns wieder satte 20 Euro. Doch das ist nicht der einzige Verlust oder Preis, den wir an diesem Tag zahlen müssen. Da unsere Obstvorräte in den letzten Tagen stark dezimiert worden sind, kauft Hildegard in einem kleinen Ort am Wegrand kiloweise Obst ein. Mangos, Bananen, Papayas, Zitronen. Und ca. eine Stunde später an der Grenze der Bundesstaaten Nayarit und Sinaloa überrascht uns dann eine der beliebten Agrarkontrollen, und bis auf die Papayas ist alles wieder weg. Wie gewonnen, so zerronnen. Der Grund für die Kontrolle ist eine Fruchtfliege, deren Ausbreitung nach Norden verhindert werden soll.
Somit sind wir jetzt in Sinaloa, der Heimat des berüchtigten Sinaloa-Kartells. Ein älterer Mexikaner hatte uns gewarnt, auf keinen Fall nachts unterwegs zu sein. Das wäre viel zu gefährlich. Es gäbe ständig Überfälle und komplette Familien würden ganz einfach „verschwinden“. Unsere Fahrt nach Mazatlán und dann durch die Stadt zum Fährhafen findet natürlich tagsüber statt und ist völlig problemlos und entspannt. Wir sind so zeitig da, dass wir sogar noch einen Platz auf dem Schiff der Bajaferries bekommen hätten, das um 16 Uhr nach La Paz auf der Baja California ablegt. Bajaferries lässt aber nicht zu, auf dem Schiff im Auto zu schlafen. Die Konkurrenz Transportación Marítima de California TMC erlaubt das hingegen, fährt aber erst am folgenden Tag. Nun ist es für uns wesentlich wichtiger, Leoni auf dem Schiff unter Kontrolle zu haben, als einen Tag früher auf der Baja California zu sein. Folglich kaufen wir Tickets für den nächsten Tag und zahlen dafür 4.520 Pesos, etwa 225 Euros. Im Vergleich zur Überfahrt von Cartagena nach Panama ist das geradezu geschenkt.
Der nächstgelegene Campingplatz ist der ca. 10 km entfernte Mar Rosa RV Park, der direkt am schönen breiten Sandstrand liegt. Als wir dort ankommen, erleben wir eine Überraschung. Dort steht nämlich bereits die komplette deutsche 16er Seabridge-Gruppe. Doch das ist noch nicht alles. Es gibt eine ähnlich große französische Seabridge-Gruppe, die parallel auf der gleichen Strecke unterwegs ist, von der wir auch schon gehört hatten, der wir aber noch nie begegnet waren. Und diese Gruppe kommt im Laufe des Nachmittags auch noch an. Noch Fragen?
Gegen Mittag des nächsten Tages lösen wir uns aus der Seabridge-Umklammerung und fahren erneut zum Fährhafen und kurz darauf an Bord unseres Schiffes, der San Jorge. Die Abfahrt erfolgt kurz vor 17 Uhr, und am Morgen des nächsten Tages kommen wir wohlbehalten im Hafen von La Paz im Bundesstaat Baja California Sur an.
Viva Mexico, Leoni-Team,
leider seid ihr, vermutlich wegen der leidlichen Erfahrungen mit dem Zoll, nicht zu den schönen Maya-Stätten Yaxchilan, Bonampak und Tonina gefahren.
Wenn man den Blog aber weiter liest, merkt man schnell, dass Ihr so schnell wie möglich Mitla erreichen wolltet. Kann ich verstehen, gibt es dort doch die größte Anzahl Mezcal-Brennereien Mexicos. Habt Ihr wenigstens die Sorte mit dem „Wurm“ genommen?
Wohl bekomms.
Bernd
Hallo Bernd,
Tonina haben wir schon 2010 bei unserer letzten Mexiko-Reise besucht. Und für Yaxchilan und Bonampak hatten wir einfach keine richtige Lust mehr. Wir haben sooooo viele archäologische Stätten angeschaut. Gerade auch Maya-Stätten, auf drei Reisen in den letzten 20 Jahren. Außerdem hatten wir etwas Zeitdruck, denn wir mussten rechtzeitig zu dem geplanten Treffen mit Wiffe und Irene in Puebla sein. Die Mezcal-Sorte mit Wurm haben wir übrigens verschmäht, genau wie die gerösteten Heuschrecken, die fast überall in Zentral-Mexiko angeboten werden.
Gruß Franz
….. herrlich. Seabridge- und Rotel-Gruppen. Die können einfach nur nerven:-(
Nächster „Halt“, deutsche unterwegs in den USA im Leihcamper – 4-rent.com.
Safe travel. Cheers.
Georg