Bei unserer Ankunft an der nicaraguanisch-honduranischen Grenze regnet es. Das haben wir unterwegs im Auto seit über zwei Monaten nicht mehr erlebt, konkret seit der kolumbianischen Zona Cafetera.
Auf nicaraguanischer Seite werden zunächst 2 x 1 US$ Steuer der Municipalidad fällig. Anschließend ist ein Formblatt der Aduana auszufüllen, in dem wir wie schon öfter frech bestätigen, keine frischen Lebensmittel an Bord zu haben. Eine Fahrzeugkontrolle findet wie erwartet auch hier nicht statt. Die Zöllner interessieren sich mehr für unsere bisherige Reise-Route. Die fällige Ausreisesteuer von umgerechnet knapp 2 US$ p.P. muss in Cordobas bezahlt werden. Dollars werden nicht akzeptiert. Das war bei der Einreise völlig anders, wo gleich alles in Dollars ausgezeichnet war.
Dann geht es hinüber auf die honduranische Seite. Ein offiziell aussehender, für mittelamerikanische Grenzen typischer „Halb-Uniformierter“ mit umhängendem Ausweis hält uns an und verlangt unsere Pässe sowie den Kfz- und den Führerschein. Erst etwas später, und damit zu spät, wird klar: Es ist ein Schlepper. An der Migración müssen wir mal wieder Einreisezettel ausfüllen. Dann werden Fingerabdrücke genommen und die Augenpartien fotografiert. Honduras hat also exakt die US-amerikanische Vorgehensweise übernommen. An Gebühren sind dafür 110 Lempiras p.P. fällig. Dollars werden wieder nicht genommen. Aber es stehen reichlich Geldwechsler herum. Bei einem von ihnen tausche ich 50 US$ gegen 1.100 Lempiras. Nach Bezahlung der genannten Einreise-Gebühr führt unser Schlepper uns zur Aduana. Hier wird mit seiner tatkräftigen Unterstützung ein langes Formular zur temporären Einfuhr von Leoni ausgefüllt. Zweimal müssen wir zwischendurch zum Kopieren von Unterlagen zu einem Kopierladen in der Nähe. Die Einfuhr von Leoni kostet letztendlich 46 US$ und wird in meinen Pass gestempelt. Und auch hier werden keine Dollars als Zahlungsmittel akzeptiert. Da ich nicht mehr genug Lempiras habe, muss ich erneut bei einem Geldwechsler tauschen. Doch dann haben wir den Bürokratismus hinter uns. Der Grenzübertritt hat insgesamt nur 1 ¼ Stunde gedauert und kam mir insgesamt deutlich weniger komplex und chaotisch vor als die Einreise nach Nicaragua. Und das ist eher nicht auf das Vorhandensein des Schleppers zurückzuführen, den wir vor der Weiterfahrt natürlich entlohnen müssen.
Durch Kiefernwälder fahren wir im Nieselregen nach Danli. Wir sind überrascht, hier auf Kiefernwälder zu treffen und glauben zunächst, es sind Pflanzungen, doch bald wird klar, dass es sich um die natürliche Vegetation handeln muss. Bis weit hinter Tegucigalpa sehen wir an Baumbewuchs eigentlich überall nur Kiefern. Dies ist völlig im Gegensatz zu den von uns schon bereisten anderen mittelamerikanischen Ländern. Bei vielen Bäumen sind die Nadeln rot verfärbt, was auf den Befall durch eine Käferart zurückzuführen ist.
In Danli angekommen versuche zuerst ich, dann Hildegard, an einem Cajero Automático mit der Visa-Karte Geld zu ziehen. Erfolglos. Beim nächsten ATM versuche ich es noch einmal. Wieder erfolglos. In der zugehörigen Bank erklärt man mir, ich müsse zum Cajero Automático der Banco Atlántida drei Cuadras weiter. Doch dieser funktioniert dann leider ebenfalls nicht. Ich lasse mich von dem vor der Bank stehenden Wachmann auf Waffen untersuchen und gehe in die Bank hinein. Der Angestellte hinter dem Bankschalter nimmt meine Visa-Karte und will von mir den PIN aufgeschrieben haben, da das Kabel des Lesegeräts zu kurz ist und nicht bis zu mir reicht. Ich weigere mich. Hinter den Bankschalter darf ich aber nicht. Das Kabel wird in der Folge ziemlich umständlich so verlängert, dass ich den PIN verdeckt ins Lesegerät eingeben kann. Die Transaktion gelingt, und somit sind wir in Honduras finanziell handlungsfähig.
Für die erste Übernachtung in Honduras haben wir die Quinta Alejandra etwas außerhalb von Danli ausgewählt. Wir sind sehr zufrieden, dass die Einreise und das erste Stück Fahrt in Honduras problemlos geklappt haben. Leoni steht dicht hinter dem Gebäude unmittelbar neben dem Swimming Pool. Sichere Übernachtungsplätze sind uns aktuell besonders wichtig. Honduras gilt als das wahrscheinlich gefährlichste Land der Welt, von Kriegsgebieten einmal abgesehen. Nirgendwo sonst ist die Mordrate pro Einwohner und die allgemeine Gewaltbereitschaft so hoch wie hier. Doch wer Mittelamerika durchqueren will, kommt an Honduras nicht vorbei. Das benachbarte El Salvador hat ähnlich schlechte Werte und würde uns bei einem Besuch zusätzlich noch einen weiteren Grenzübertritt einbringen. Wir haben uns daher entschieden, El Salvador nicht zu bereisen und Honduras zügig zu durchqueren.
Auf dem Weg nach Tegucigalpa fahren wir erneut durch Gebirge und Kiefernwälder. Geschätzt alle 10 km – und das ist keine Übertreibung – ist entweder eine Polizei- oder eine Militärkontrolle, oft auch beides in Einem. Angehalten werden wir in Honduras allerdings nie. Andere Fahrzeuge jedoch sehr wohl. Wahrscheinlich ist das wieder einmal eine Vorzugsbehandlung von Touristen. Diese kurz getakteten Kontrollen erfolgen übrigens nicht nur auf verkehrsarmen Landstraßen, sondern auch auf mehrspurigen Autobahnen. Die Spuren werden auf eine verengt und der Verkehr bis auf fast Schritttempo verlangsamt. Immer wieder, immer wieder. Der Staat zeigt damit erkennbar und wirklich unübersehbar Flagge. Wir ärgern uns nicht darüber, denn das vermittelt durchaus auch ein Gefühl der Sicherheit.
Eine Umfahrung der Hauptstadt Tegucigalpa existiert leider nicht. Wir müssen mitten hindurch und stellen uns auf eine langwierige Prozedur ein. Tatsächlich geht es ziemlich stockend den Berg hinunter in die Stadt. Doch bevor wir diese richtig erreicht haben, mutiert die Straße zu einer vierspurigen Autobahn, ohne Ampeln und ohne Querverkehr. Wir rauschen, mit Hildegard am Steuer, problemlos und abgesehen von den Kontrollstellen völlig ungestört durch Tegucigalpa. Und die Autobahn hört am Stadtausgang nicht etwa auf, sondern geht sogar noch ca. 70 km weiter. Erst dann kommen Baustellen, die uns aber nicht weiter stören. Die Straße nach San Pedro Sula wird weiter zur vierspurigen Autobahn ausgebaut.
Das Landschaftsbild ändert sich langsam. Die Kiefern verschwinden, es wird erkennbar feuchter und grüner, und es kommt Vegetation, die uns für Mittelamerika typischer erscheint. Wir erreichen den Lago de Yojoa und fahren zur Finca Las Glorias. Das ist eine ziemlich vornehme Lodge auf einem riesigen Gelände am See. Mit allem drum und dran, Pferden, Ausflugsbooten, Swimmingpool, etc. Und mit sicheren Standplätzen auf einer Wiese für Overlander wie uns. Hier bleiben wir zwei Nächte, lassen unsere Wäsche waschen, genießen die angebotenen Annehmlichkeiten und relaxen ein bisschen.
Am Abreisetag, es ist Karfreitag, fallen morgens in der Dämmerung Schüsse. Ca. 25 bis 30 Stück. Einzelfeuer. Wir bekommen nicht heraus, was es damit auf sich hat. Draußen ist bei nur noch 19 Grad alles patschnass von Tau. Die feuchte Karibik-Küste ist nah. Wir sind schon sehr früh unterwegs. Die Fahrt geht zügig voran, bis San Pedro Sula auf autobahnähnlicher Straße. Danach auf der Straße nach Copán wird es jedoch deutlich schlechter.
Ein Wohnmobil mit Hannoveraner Kennzeichen fährt bei einem Halt an uns vorbei. Ohne zu grüßen, ohne Hupe. Was ziemlich ungewöhnlich ist und mich etwas ärgert. Kurz danach steht ein Freudenstädter Wohnmobil am Straßenrand. Zwei deutsche Fahrzeuge auf der Straße an einem einzigen Tag hatten wir auf der ganzen Reise noch nicht. Ich fahre rechts ran und erfahre, dass eine geführte Seabridge-Gruppe unterwegs ist. Mit ursprünglich 18, jetzt noch 16 Fahrzeugen, von Buenos Aires in Argentinien bis zur USA-Grenze. Von denen hatten wir schon gehört, waren ihnen aber noch nicht begegnet. In der nächsten Stunde überholen wir 9 dieser Fahrzeuge, zum Teil zwei oder drei im Konvoi direkt hintereinander und eine Schlange von anderen Fahrzeugen hinter sich her ziehend. Es ist befremdlich und unerfreulich. Und diese Leute zahlen auch noch Geld dafür, dass sie an die Hand genommen und von Übernachtungsplatz zu Übernachtungsplatz durch Lateinamerika gelotst werden. Sehr viel Geld übrigens. Wir stellen uns vor, seit etlichen Monaten jeden Abend mit den gleichen 16 oder 18 Fahrzeugen auf demselben Übernachtungsplatz stehen zu müssen, und finden, dass man dafür eigentlich Schmerzensgeld bekommen müsste. Aber so viel Schmerzensgeld wie dafür nötig gibt es eigentlich gar nicht.
Das Positivste ist noch, dass der letzte der Seabridge-Gruppe, den wir überholen, ein Gladbacher Wohnmobil mit einer großen Borussen-Raute ist. Ich fahre laut hupend vorbei, weiß aber nicht, ob die Insassen die etwas kleinere Borussen-Raute im Heck von Leoni wahrgenommen haben. Auch hier gilt offenbar: Wo vorn ist, ist Gladbach. So wie ich es aus der Vergangenheit kenne, so wie es immer sein sollte und hoffentlich bald wieder ist. Beim Fußball natürlich.
Mittags checken wir in der Nähe der Ruinen von Copán am Balneario El Jaral ein. Unsere größte Sorge ist, dass anschließend 16 weitere Camper auf dem bewachten Parkplatz des Schwimmbads einfallen. Später erfahren wir, dass dies tatsächlich vorgesehen war, aber wegen des immensen Betriebs am Schwimmbad in der Osterwoche abgelehnt wurde. So können wir zwei Nächte wie gewohnt ruhig und mit Ausnahme des Sicherheitsmannes völlig allein verbringen. Denn um 17 Uhr endet jeweils der Badebetrieb, die Musikboxen werden abgestellt, und der Parkplatz leert sich. Glück gehabt.
Mit Copán haben wir die erste bedeutende Ruinenstätte im Siedlungsgebiet der Mayas erreicht. Mit Tikal in Guatemala und Palenque in Mexiko gilt Copán als eine der bedeutendsten Stadtstaaten der klassischen Maya-Zeit, die etwa von 300 n.Chr. bis 900 n.Chr. währte. Mit einem Mototaxi fahren wir die 11 km bis zum Eingang der archäologischen Anlage. Wir zahlen 15 US$ Eintritt p.P. und leisten uns einen Führer, der uns sehr kenntnisreich und in erstaunlich gutem Englisch durch die Ruinen führt. Er hat jahrelang für ein amerikanisches Archäologen-Team gearbeitet und einige der Tempel selbst mit ausgegraben.
Schon nach ein paar Schritten stolpern wir geradezu über rote Aras, die im Gebiet des archäologischen Parks brüten und auch gefüttert werden. Dieses wunderschöne und imposante Tier ist der heilige Vogel der Mayas und auch der Nationalvogel von Honduras. Man versucht seit ein paar Jahren, die Aras wieder im Tal von Copán anzusiedeln. Zuerst hatte man vier Vögel ausgesetzt und sich dann gewundert, warum diese keine Nester bauen und brüten. Bis klar wurde, dass alle vier Exemplare Männchen waren. Vom Menschen können männliche und weibliche Aras praktisch nicht auseinandergehalten werden. Nur die Vögel selbst können das, ziemlich gut sogar. Als auch ein paar Weibchen ausgesetzt wurden, funktionierte das Brutgeschäft plötzlich.
Die Gesamtanlage von Copán ist ziemlich umfangreich, obwohl der vorbeifließende Rio Copán bei einer Änderung des Flussbetts im Laufe der Jahrhunderte einen großen Teil weggerissen hat. Copán ist eindrucksvoll und die wahrscheinlich am besten erforschte aller Maya-Städte. Trotzdem ist hier noch längst nicht alles ausgegraben. Vor allem die Steinmetzarbeiten sind außergewöhnlich. Das liegt an dem verwendeten Andesit-Stein, der sich sehr gut bearbeiten lässt und haltbarer ist als der anderswo verwendete Kalkstein.
Die Hieroglyphen-Treppe erzählt die politische Geschichte Copáns über 200 Jahre von 545 bis 745 n.Chr. Leider haben amerikanische Forscher in den 1890er Jahren beim Wiederaufbau der Treppe die Bausteine völlig falsch zusammengesetzt. Nur die unteren 15 Stufen sind richtig angeordnet, da sie intakt aufgefunden wurden. Die Geschichte der oberen 49 Stufen konnte bisher nicht identifiziert werden, da die Hieroglyphen kreuz und quer liegen und ziemlich beliebig angeordnet sind.
Menschenopfer gab es in Copán auch. Im Gegensatz zu anderen Maya-Städten wurden diese jedoch durch Enthauptung durchgeführt.
Nach Besichtigung der Ruinenanlage (s. auch Foto über diesem Beitrag) kaufen wir Eintrittskarten für das Museum. Dort sind viele Originale von wunderbaren Steinmetzarbeiten zu sehen, die im Freigelände durch Kopien ersetzt sind. Das zentrale Element ist die Nachbildung des Templo Rosalila. Der Original-Tempel wurde erst 1992 tief im Innern der Pyramide 16 entdeckt. Er war so behutsam überbaut worden, dass bis zur Freilegung die Struktur erhalten geblieben ist. Er besticht durch sein buntes Stuckdekor, bei dem die rote Farbe dominiert.
Von Copán sind es nur wenige Kilometer bis zur Grenze von Guatemala. Es ist Ostersonntag, und der Grenzübertritt auf beiden Seiten erfreulicherweise ganz easy, entspannt und freundlich. Nach genau einer Stunde sind wir durch. Die Honduraner erheben keine Ausreisegebühren. Auf der guatemaltekischen Seite müssen wir dagegen 160 Quetzales, knapp 20 Euro, auf einer Bank in der Nähe einzahlen, die trotz des hohen Feiertags auch tatsächlich geöffnet hat.
Was uns hinter der Grenze sofort stark und unangenehm auffällt, ist die extreme Verschmutzung der Straßenränder. Wir sind diesbezüglich nicht gerade verwöhnt, aber was hier abgeht, ist geradezu grotesk. Fährt man hinter einem Bus her, fliegt ständig irgendwelcher Müll aus den Fenstern. Es ist fast so schlimm wie in Nord-Peru, wo die Stadt Chiclayo unsere persönliche Verschmutzungshitliste anführt. Als wir in einem Cajeró Automático Geld ziehen wollen, können wir nicht fassen, wie verdreckt dieser ist (s. Foto). Immerhin bekommen wir hier aber Geld. In Honduras war uns das trotz sauberer Cajeros Automáticos wie beschrieben ja nicht gelungen.
Unser erstes Ziel in Guatemala ist die auf ca. 1.500 m Höhe liegende Stadt Antigua Guatemala, kurz Antigua. Bis zu einem fürchterlichen Erdbeben im Jahr 1773 war Antigua die Hauptstadt des spanischen Mittelamerikas, genauer des Generalkapitanats Guatemala, das die fünf Provinzen Costa Rica, Nicaragua, El Salvador, Honduras und Guatemala umfasste. Die Stadt war angefüllt mit Kirchen, Klöstern und Palästen und stand in der Bedeutung Mexiko-Stadt und Lima nicht nach. Nach dem Erdbeben war es damit jedoch vorbei. Die Hauptstadt wurde woanders wieder aufgebaut, als Nueva Guatemala de la Asunción, das heutige Ciudad Guatemala. Doch Antigua hat sich viel von der Atmosphäre der alten Zeit erhalten, auch wenn viele Kirchen nicht wiederaufgebaut wurden und weiterhin in Trümmern liegen. Im Jahre 1979 wurde die Stadt von der UNESCO zum Erbe der Menschheit erklärt. Antigua ist heute eines der Haupt-Touristenziele in Guatemala.
Unser Stellplatz liegt am Stadtrand auf dem Gelände der Touristen-Polizei. Das kommt uns sehr entgegen, denn auch Guatemala hat kein besonders gutes Renommé, was die allgemeine Sicherheit angeht. Das Stadtzentrum und auch ein großer Supermarkt befinden sich in unmittelbarer Nähe und sind problemlos zu Fuß erreichbar. Auffällig ist die hohe Polizei-Präsenz in der Stadt. Buchstäblich an jeder Straßenecke steht Polizei, was jedoch eigentlich nicht negativ auffällt. Das Ambiente der Stadt ist sehr nett und ansprechend. Und Touristen laufen auch sehr reichlich herum. Nach einem ausführlichen Rundgang lassen wir den Tag auf der sehr schönen Plaza ausklingen.
Bei der Weiterfahrt zum Atitlán-See haben wir für kurze Zeit einmal wieder die Panamericana unter den Rädern. Es herrscht viel Verkehr und geht nur sehr zäh weiter. Vor allem die Ortsdurchfahrten sind mühsam. Plakate und Schilder mit Werbung ohne Ende verstellen den Blick auf das Wesentliche. Nachdem wir die Panamericana nach links in Richtung Atitlán-See verlassen haben, kommen spannende Ortsdurchfahrten, die zum Teil so eng sind, dass wir kaum hindurch passen. Der erste Blick vom Straßenrand auf den 500 m unter uns liegenden See beinhaltet eine ziemliche Ernüchterung. Die Sicht ist so schlecht, dass man fast nichts sieht. Und das in einer der anerkannt schönsten Landschaften der Welt. Wir checken in Panajachel auf einer Wiese des Hotels Tzanjuyú direkt am Seeufer ein und hoffen, dass die Sicht am nächsten Tag besser wird. Doch leider wird daraus nichts. Keiner der drei großen klassisch kegelförmigen Vulkane am gegenüber liegenden Ufer ist auch nur ansatzweise sichtbar. Etwas enttäuscht fahren wir nach einem mehr oder weniger verschenkten Tag weiter zu unserem nächsten großen Ziel Tikal im Norden Guatemalas.
Tikal ist vom Atitlán-See ziemlich weit entfernt. Wir planen daher zwei Zwischenübernachtungen ein. Am ersten Tag wollen wir bis Cobán kommen. Das ist eine größere Stadt im Kaffeeanbaugebiet mitten in Guatemala, nicht zu verwechseln mit Copán in Honduras. Laut einer guatemaltekischen Straßenkarte ist das letzte Stück vor Cobán Piste. Das meint unser Navigationssystem OsmAnd auch, weigert sich allerdings konsequent, uns den laut Karte kürzesten und auf unserer deutschen Mittelamerika-Karte rot als Fernstraße gekennzeichneten Weg dorthin zu führen. OsmAnd will uns stattdessen zurückfahren lassen nach Guatemala-Stadt und dann in einem riesigen Bogen nach Cobán. Wir entscheiden uns dagegen und nehmen die kurze Route über Chichicastenango und Santa Cruz del Quiché.
Die Strecke ist sehr gebirgig. Es geht ständig steil rauf und wieder runter. Oft ist der erste Gang angesagt. Die spannendste Situation entsteht, als wir in einer sehr steilen Passage von einem überladenen Klein-Omnibus überholt werden. Der muss unmittelbar nach dem Überholmanöver stark bremsen, weil noch ein wesentlich langsamerer Laster vorausfährt. Der Bus kommt zum Stehen, kann nicht mehr anfahren und rutscht zurück, uns entgegen. Ich halte erst einmal an. Dumm ist, dass ich danach selbst auch nicht mehr anfahren kann. Es ist einfach zu steil. Ich schalte Allrad und die kleinste Untersetzung ein. Dadurch klappt das Anfahren wieder, denn die Freilaufnaben sind dieses Mal, anders als damals in Brasilien, zugeschaltet, und ich kann so einen Zusammenstoß vermeiden.
Der Zustand der Straße ist sehr unterschiedlich, mal gut, mal schlecht. Ca. 40 km vor Cobán wird sie dann extrem schlecht. Das bleibt etwa 30 km so und ist sehr anstrengend. Doch irgendwann haben wir es überstanden und fahren zur Übernachtung wie geplant zum sehr nett im Wald gelegenen Eco Centro Holanda kurz vor Cobán.
Mit der folgenden Tagesetappe zuerst nach Osten zur Grenze von Belize und dann weiter in nördlicher Richtung nach Poptún hat OsmAnd kein Problem. Die deutsche Mittelamerika-Karte zeigt eine durchgehend rote Fernstraße, die einheimische Karte große Teile Naturstraße. Na ja, wir werden sehen. Zunächst geht es östlich von Cobán durch sehr schöne Landschaft mit viel Kaffeeanbau. Hinter dem Abzweig nach Lanquín hört der bis dahin gut befahrbare, aber mit vielen Schlaglöchern versehene Asphalt plötzlich auf. Etwas später gibt es sogar ein Schild, das die weitere Durchfahrt nur zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt. Wir ignorieren es und kommen bald an einem großen Fahrzeugpark von Baumaschinen vorbei, die allerdings alle nur herumstehen, obwohl in einigen Leute drin sitzen. Wir haben bisher und auch später in Guatemala keinerlei Bemühen entdeckt, den zum Teil fürchterlichen Zustand der Straßen zu verbessern. Die herumstehenden Baumaschinen waren die mit Abstand intensivste „Aktivität“.
Der Straßenzustand verschlechtert sich zunehmend. Die Straße wird einspurig und wirkt in weiten Teilen wie ein Bachbett im Gebirge. Nicht einmal als Feldweg würde diese rot gekennzeichnete „Fernstraße“ in Deutschland noch durchgehen. Es ist einfach nicht zu glauben. Bei zum Glück extrem seltenem Gegenverkehr ist die Passage jeweils nur mit Mühe zu bewerkstelligen. Eine Besonderheit, die uns bisher noch nicht begegnet ist, sind über den Fahrweg gespannte Seile. Einheimische geben vor, die Piste zu reparieren und verlangen Geld dafür. Wegelagerei von zugegebenermaßen mittellosen Landleuten. Wir wollen Streit vermeiden und zahlen drei Mal symbolisch maximal 2 Quetzales, knapp 25 Eurocent. Nach zwei Stunden ist die Quälerei auf dieser schaurigen Piste dann ganz plötzlich vorbei. Wir sind unten in der Ebene angekommen, und eine nagelneue Asphaltstraße liegt vor uns. Wir schweben gen Osten. Zweimal kommt zwar noch Fin de Asfalto, Ende des Asphalts, aber beide Male sind es nur kurze Unterbrechungen vor noch unfertigen Brücken.
Ein paar hundert Meter vor der Belize-Grenze geht es im Knick scharf nach Norden in den Petén. Kurz vor Erreichen der für die nächste Übernachtung vorgesehenen Finca Ixobel müssen wir durch eine Fruchtkontrolle. Unser Kühlschrank wird untersucht und der Inhalt für unbedenklich befunden. Der anschließende Aufenthalt auf der Finca ist dann sehr angenehm. Erstmals seit längerer Zeit haben wir wieder einmal Zugang zum Internet.
Am nächsten Tag passieren wir kurz nach 15 Uhr den Eingang zum Nationalpark Tikal. Die Uhrzeit haben wir bewusst gewählt, denn so fallen für den laufenden Tag keine Eintrittsgebühren mehr an. Wir zahlen lediglich für den folgenden Tag, und zwar 150 Quetzales p.P., gut 17 Euro. Die Gebühren für die Übernachtung unmittelbar am Besucherzentrum betragen dann weitere 100 Quetzales.
Um 5.00 Uhr am nächsten Morgen holt uns der Handy-Wecker aus dem Schlaf, und kurz nach 6.00 Uhr sind wir zu Fuß unterwegs im Nationalpark. Wir haben Proviant dabei und sehen uns das weitläufige Gelände ausgiebig an. Zuerst sind wir fast allein. Im Laufe der Zeit kommen dann immer mehr Touristen, häufig als geführte Gruppen. Leider ist die Sonne den ganzen Tag so gut wie nicht zu sehen. Nur am frühen Morgen und gegen Mittag kommt sie mal ganz kurz durch.
Tikal liegt mitten im fast undurchdringlichen Dschungel und ist die mit Abstand eindrucksvollste aller Maya-Ruinenstädte. Das steht für mich unzweifelhaft fest. Im Laufe der Jahre habe ich eine ganze Reihe von ihnen besucht. Viele Bauwerke hier sind identifiziert, aber noch nicht ausgegraben, andere auf einer Seite ausgegraben und restauriert, auf der anderen aber noch komplett vom Dschungel überwuchert. Letzte sind besonders eindrucksvoll, wenn man sich ihnen von der nicht restaurierten Seite nähert und dann von der restaurierten komplett überrascht wird. Zwei der Tempel darf man besteigen, die Nummern II und IV. Das tun wir natürlich auch, Nummer II sogar zweimal. Bei der zweiten Besteigung gegen Mittag ist die Beleuchtung des gegenüber liegenden Templo I, des Jaguar-Tempels, deutlich besser als beim ersten Mal am frühen Morgen. Folglich gelingen jetzt auch deutlich bessere Fotos.
Nach knapp 7 Stunden sind wir wieder am Ausgang und besichtigen schon leicht ermattet noch das Museo Litico. Leider ist dieses aber sehr schlecht beleuchtet. Zudem sind die durchaus interessanten Ausstellungsstücke schlecht präsentiert. Die Verantwortlichen sollten sich einmal das perfekt aufgebaute Museum in Copán, Honduras, ansehen (s.o.).
Eine weitere Übernachtung auf dem Campingplatz von Tikal hätte zur Folge, dass wir für den Folgetag erneut Parkeintritt bezahlen müssten. Wir verlassen daher nach dem Museumsbesuch den Nationalpark und fahren ca. 35 km zurück zum Hotel-Restaurant El Muelle am Petén-Itza-See, wo wir übernachten und das gesparte Eintrittsgeld von immerhin 2 x 150 Quetzales lieber in ein hervorragendes Abendessen investieren.
Die Übernachtung hier ist unsere letzte in Guatemala. Am nächsten Morgen fahren wir Richtung Westen zur mexikanischen Grenze bei El Ceibo, zu unserer Überraschung die erste halbe Stunde bei leichtem Regen. Wir haben am Vortag bei unserem Tikal-Besuch mit dem Wetter offenbar Glück gehabt. Am relativ neuen Grenzübergang bei El Ceibo verlassen wir Guatemala und damit nach anderthalb Jahren auch Süd- und Mittelamerika. Mit Mexiko wartet das erste nordamerikanische Land auf uns.
Hallo Leoni-Team,
ich habe gerade, ob Eures Berichtes und der Bilder, Honduras aus meiner „must go“ Liste gestrichen. Kiefernwälder und Müllhalden kann ich auch in Südeuropa anschauen.
Das mit dem Anfahren am Berg, das üben wir nochmal, gell Franz!
Ansonsten ward Ihr ja ziemlich schnell durch Guatemala gedonnert.
Viva Mexico. Versäumt auf keinen Fall Yaxchilan, Bonampak und Tonina, gleich wenn Ihr über die Grenze kommt.
Gruß
Bernd
P.S.: Der Popo speit gerade Asche und der Gipfel ist gesperrt.
Hallo Bernd,
das mit den Müllhalden bezog sich auf Guatemala, nicht auf Honduras. Und mit dem Anfahren am Berg gibt es eigentlich keine Probleme. Manchmal brauchen wir dafür halt Allrad. Und das haben wir.
Gruß Franz
Hallo Franz,
mit großem Interesse verschlinge ich Deine Berichte. Jetzt kommt ihr langsam in die uns bekannte Gegend und da bin ich besonders gespannt auf die Fortsetzung.
Gute Fahrt und bleibt gesund!
Michael