Schon seit langem schlage ich mich mit dem Gedanken herum, mir einmal die berühmten Schlösser an der Loire näher anzusehen. Im Juni 2025 ist es dann so weit. Der bewährte Camper Leoni wird gepackt, und es geht von meinem Wohnort Renningen bei Stuttgart los in Richtung Frankreich.
An den vielen französischen Mautstellen fahre ich jeweils in einer mit „t“ gekennzeichneten Spur nach kurzem Halt problemlos durch. Die schon im Vorjahr beim ADAC erworbene und erfolgreich eingesetzte Mautbox XXL für Camper > 3,5 t hilft enorm. Es piept kurz, die Schranke öffnet sich, und die Abrechnung erfolgt am Monatsende per Lastschrift.

Nach zwei Fahrtagen bin ich im Zielgebiet. In Saint-Dyé-sur-Loire ganz in der Nähe des Châteaus Chambord richte ich mich bereits am frühen Nachmittag direkt am Ufer der Loire auf einer sehr schönen und von der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellten Wiese häuslich ein. Ich sitze in der Sonne, lese in meinen Reiseführern und schaue entspannt hinaus auf den Fluss. So lässt es sich erst einmal aushalten. Doch gegen 18.00 Uhr zieht dann ein Gewitter auf, das ich zunächst nicht ernst nehme. Was ein großer Fehler ist.
Denn jetzt folgt quasi der Weltuntergang. Es regnet mit unfassbarer Gewalt, begleitet von einem geradezu irren Sturm. Ich habe schon einiges erlebt, aber so etwas noch nicht. Die Äste aus dem sehr massiven Baum neben bzw. über mir knallen beängstigend herunter auf die arme Leoni. Als es endlich aufhört zu regnen, gehe ich nach draußen, sichte die Lage und mache ein paar Beweis-Fotos. In alle Richtungen sieht es ziemlich wüst aus. Riesen-Äste sind aus den umstehenden Bäumen herausgerissen. Leoni und ich haben offenbar ziemliches Glück gehabt. Denn direkte Schäden kann ich keine feststellen.
Andere hatten offenbar noch viel mehr Glück als ich. Nur etwa 10 bis 15 Meter von Leoni entfernt ist ein wirklich dicker Baum umgestürzt – zum Glück direkt in den Fluss. Wäre er in die andere Richtung gefallen, hätte er das große Wohnmobil meines unmittelbaren Nachbarn ganz sicher schwer beschädigt.
Bei einem Erkundungsgang stelle ich fest, dass in einiger Entfernung weitere dicke Bäume von den Naturgewalten entwurzelt und umgerissen worden sind. Für den Rest der Nacht suche ich für Leoni einen sichereren Platz.



Mit dem Château Chambord habe ich mir als erstes Besuchsobjekt gleich das Filetstück der Loire-Schlösser herausgepickt. Chambord wird als das beeindruckendste und prächtigste Schloss angesehen. Der Bau geht auf Franz I. zurück und wurde 1519 begonnen. Chambord diente dem König nicht nur als Jagdschloss, sondern auch zur Demonstration seiner Macht. In Summe ist dieses prächtige Château ein Renaissance-Juwel mit stark italienischem Einfluss.



Das absolute Highlight des Schlosses ist die doppelläufige Wendeltreppe im Zentrum des Bergfrieds, die sich um einen gemeinsamen Mittelkern windet. Sie ist so aufgebaut, dass zwei Personen gleichzeitig auf- oder absteigen können, ohne sich zu begegnen. Vermutlich hat Leonardo da Vinci, der die letzten drei Jahre seines Lebens in Frankreich verbrachte (1516 – 1519), an der Planung der Treppe entscheidend mitgewirkt.

Der auch heute noch außerordentlich wildreiche Schlosspark von Chambord ist von einer 32 km langen Mauer umgeben. Ich bekomme zwar keinen der vielen hier lebenden Hirsche zu sehen, aber immerhin ein Wildschwein, das vor mir über eine Lichtung trabt.
Über eine Stunde verbringe ich vor und nach Sonnenuntergang ungestört auf meinem Campingstuhl an der Nordseite des Schlosses, um das faszinierende Farbenspiel der angestrahlten Fassade zu genießen.


Das Château de Beauregard öffnet erst um 10.30 Uhr, und ich muss fast eine halbe Stunde vor dem geschlossenen Tor warten. Beauregard ist wesentlich unscheinbarer als Chambord, verfügt aber über eine weltweit einzigartige Sammlung von 327 Porträts bedeutender Persönlichkeiten aus der europäischen Geschichte des 14. bis zum 17. Jahrhundert (konkret: von 1328 bis 1643). Dargestellt sind Könige, Königinnen, Minister, Feldherren, Päpste, Entdecker und Künstler – nicht nur aus Frankreich, sondern aus vielen europäischen Ländern.



Das Château de Blois liegt zentral in der Stadt und ist ein einzigartiges Spiegelbild französischer Architektur und Geschichte über mehrere Jahrhunderte. Ein bemerkenswertes Ensemble bilden seine vier Gebäudeflügel aus jeweils unterschiedlichen Jahrhunderten. Als bevorzugte Residenz von sieben Königen und zehn Königinnen, besonders zur Renaissancezeit, lebten hier berühmte Herrscher wie Ludwig XII., Franz I., Katharina von Medici und Heinrich III.





Das Schloss Chaumont-sur-Loire weiter flussabwärts wurde ursprünglich im 10. Jahrhundert als Festung errichtet. Trotz späterer Umgestaltungen hat Chaumont seinen Charakter als mittelalterliche Festung bewahrt, insbesondere durch seine Türme und Wehranlagen. Es ist eines der wenigen Schlösser, die direkt an der Loire liegen und bietet einen beeindruckenden Blick über den Fluss. Eine berühmte Bewohnerin war Katharina von Medici, die Chaumont-sur-Loire später mit Diane de Poitiers gegen das Schloss Chenonceau tauschte.


Das Château de Amboise wiederum thront majestätisch auf einem Felsvorsprung über der Loire, an einem sehr exponierten Ort, der schon für Kelten und Römer von großer Bedeutung war. Amboise war eine der wichtigsten königlichen Residenzen in der Frührenaissance.
Das wohl bekannteste und berührendste Merkmal von Amboise ist die Begräbnisstätte von Leonardo da Vinci in der Saint-Hubert-Kapelle auf dem Schlossberg. Auf Einladung von Franz I., der ihn sehr bewunderte, verbrachte der große italienische Universalgelehrte in Amboise die letzten drei Jahre seines Lebens (1516-1519).





Das Château de Chenonceau ist eines der bekanntesten und meistbesuchten Schlösser im Loiretal. Es wird auch als „Schloss der Damen“ bezeichnet, da seine Geschichte maßgeblich von einer Reihe außergewöhnlicher Frauen geprägt wurde. Hervorzuheben sind hier Katharina von Medici und Diane de Poitiers, die eine die Ehefrau und die andere die Mätresse von Heinrich II. Nach dessen Tod zwang Katharina von Medici ihre Rivalin, das Chateau de Chenonceau zu verlassen und gegen das unbedeutendere Chateau de Chaumont einzutauschen.


Das markanteste Merkmal des Schlosses ist seine doppelstöckige Galerie, die auf massiven Bögen über den Fluss Cher gebaut ist. Diese Konstruktion verleiht dem Schloss eine unverwechselbare Eleganz und macht es zu einem der architektonisch einzigartigsten Schlösser Frankreichs. Das Schloss ist von prächtigen Gärten umgeben, die den Einfluss von Diane de Poitiers und Katharina von Medici widerspiegeln. Je einer der Gärten ist nach den beiden Damen benannt.


Etwa zwei Kilometer flussaufwärts vom Château de Chenonceau ruhe ich mich zwei Nächte von den vielen Schlossbesichtigungen aus und gehe regelmäßig im keine 20 m von Leoni entfernten Cher schwimmen. Die gut spürbare Strömung erfordert dabei kräftige Schwimmbewegungen.

Mein nach dieser kurzen Pause anstehender Besuch in Tours geht dann irgendwie voll daneben. Parkplatzmangel heißt das Stichwort. Als ich endlich einen Platz gefunden habe, weigert sich der Parkautomat beharrlich, Geld von mir anzunehmen. Auch die Einschaltung von Passanten hilft nicht weiter. Ich entscheide mich weiterzufahren. Denn so schön kann Tours ja eigentlich gar nicht sein, oder?
Das Château de Villandry nur wenige Kilometer weiter westlich ist weder von außen noch von innen sonderlich auffällig. Doch man sollte es auf keinen Fall verpassen. Denn die Gärten, die das Schloss umgeben, sind außergewöhnlich, ja überwältigend. Der Anblick ist geradezu unfassbar. Einen so tollen Garten habe ich noch nirgendwo auf der Welt gesehen. 10 Gärtner und 2 Lehrlinge halten ihn das gesamte Jahr über in Schuss. Mit großem Erfolg.





Das Château d’Azay-le-Rideau ist ein weiteres wahres Juwel unter den Loire-Schlössern und besticht durch seine Eleganz, seine einzigartige Lage auf einer Insel in der Indre und seine makellose Renaissance-Architektur, die sich harmonisch im Wasser spiegelt. Es wird oft unter den Top 10 der schönsten Schlösser der Loire gelistet und wurde von Honoré de Balzac als „diamant taillé à facettes“ (facettenreicher Diamant) beschrieben.


Das nächste von mir angefahrene Ziel, das Château d’Ussé, hat im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Schlössern nur zwei statt drei Sterne, gefällt mir aber ausgesprochen gut. Ich hätte drei Sterne gegeben. Es fängt sehr angenehm damit an, dass es keinen Parkplatz-Stress gibt und das Schloss nicht so überlaufen ist.
Ursprünglich im 15. Jahrhundert als Festung erbaut, wurde es über die Jahrhunderte immer weiter ausgebaut und umgestaltet. Man findet hier heute eine Mischung aus mittelalterlichen und gotischen Elementen kombiniert mit den eleganteren Formen der Renaissance.
Inspiriert von einem Besuch auf dem Château d’Ussé hat Charles Perrault, Schriftsteller und hoher Beamter, im Jahr 1697 die Geschichte La Belle au Bois Dormant geschrieben, die er auf dem Schloss spielen ließ. Das wird den meisten Lesern wahrscheinlich noch nicht so viel sagen. Aber die Gebrüder Grimm nahmen das Thema viele Jahre später auf, und 1812 wurde schließlich das „urdeutsche“ Märchen Dornröschen veröffentlicht. Auch andere bekannte Märchen gehen auf Charles Perrault zurück: Rotkäppchen, Aschenputtel, der Gestiefelte Kater und viele mehr.




Nach so vielen Schlössern besuche ich als Nächstes zur Abwechslung ein ehemaliges geistliches und kirchliches Baudenkmal, die Abbaye Royale de Fontevraud. Dies ist die größte und eine der beeindruckendsten und historisch bedeutsamsten Abteien Frankreichs und Europas. Baubeginn war im Jahr 1101.
Das Besondere an Fontevraud ist, dass es ein Doppelkloster war, das sowohl Mönche als auch Nonnen beherbergte. Dieser Umstand war natürlich hochgradig ungewöhnlich und wurde vielfach als Skandal gewertet. Zu allem Überfluss oblag die Leitung des gesamten Ordens fast 700 Jahre lang, bis zur Französischen Revolution, auch noch einer Äbtissin.



Im Hochmittelalter vor dem Hundertjährigen Krieg war die Abbaye Royale de Fontevraud auch die Grablege der englischen Könige der Dynastie der Plantagenêts. Richard Löwenherz liegt hier, allerdings ohne sein Löwenherz und ohne seine Eingeweide. Seine Grabfigur befindet sich neben der seiner Schwägerin, Isabella von Angoulême, der zweiten Frau seines Bruders Johann Ohneland. Dahinter liegen seine Eltern, Heinrich II. von England und Eleonore von Aquitanien, die wohl einflussreichste Frau des gesamten Mittelalters.
Neben der Abteikirche mit ihrem langen Kirchenschiff und den königlichen Grabfiguren sind der Kreuzgang und das auffällige Küchengebäude besonders erwähnenswert. Letzteres ist ein einzigartiges und architektonisch sehr ungewöhnliches Gebäude aus dem 12. Jahrhundert mit zahlreichen Kaminen und einer markanten oktogonalen Form.


Das Château de Saumur ist ein beeindruckendes und weithin sichtbares Schloss im Loiretal, das majestätisch auf einem Hügel über der Stadt Saumur thront. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins 10. Jahrhundert zurück, und seine heutige Silhouette erhielt es weitgehend im 15. Jahrhundert.



Ein echtes Kontrastprogramm hat Saumur auch noch zu bieten, nämlich das Musée des Blindés, eines der größten Panzermuseen der Welt. Es ist mit 800 gepanzerten Fahrzeugen aus aller Welt deutlich größer als das durchaus auch bereits eindrucksvolle Panzermuseum in Munster in Niedersachsen. Gezeigt wird praktisch alles, was an Panzern seit 1917 gebaut wurde.

Mit Saumur habe ich den am weitesten entfernten Punkt meiner Reise zu den Loire-Schlössern erreicht. Auf dem jetzt anstehenden Heimweg fahre ich noch das etwas abseits südöstlich von Orléans gelegene Château de Sully-sur-Loire an. Dies ist ein beeindruckendes Wasserschloss, das sich durch seine markante mittelalterliche Festungsarchitektur auszeichnet.



Zu den bekannten Persönlichkeiten, die das Schloss im Laufe der Jahrhunderte besuchten, gehören Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orléans, die Könige Ludwig XI., Ludwig XII., Franz I., aber auch beispielsweise der Philosoph Voltaire.
Insgesamt sind die Loire-Schlösser ein herausragendes Kulturerbe und gehören zu den faszinierendsten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Ihre Vielfalt, ihre architektonische Schönheit und ihre reiche Geschichte machen sie zu einem einzigartigen Reiseziel. Sie sind definitiv einen Besuch wert und bieten für jeden Geschmack etwas – von der märchenhaften Pracht bis zur ernsten historischen Stätte.
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