Antarktis-Tour Teil 1 – Die Falkland-Inseln

Schon fast ein Jahr vor dem Start unserer Weltreise haben wir unsere Antarktis-Tour gebucht. Denn der Startpunkt für 90% aller Antarktisreisen weltweit ist Ushuaia auf Feuerland, und diese südlichste Stadt der Welt steht als Beginn oder auch Ende der Panamericana ohnehin fest auf dem Programm aller Langzeitreisenden in Südamerika, und somit natürlich auch auf unserem. Und wenn man schon mal in Ushuaia ist, kann man ja auch mal schnell die Antarktis besuchen. Fragt sich nur, welche Tour man buchen soll. Die teure 9-tägige Tour zur Antarktischen Halbinsel und zurück oder die noch sehr viel teurere 19-tägige Tour Ushuaia – Falkland-Inseln – Süd-Georgien – Antarktische Halbinsel – Ushuaia? Nach längerem Zögern entscheiden wir uns für die längere Variante. Nach dem Motto „Wenn schon, denn schon“. Uns tröstet, dass das viele Geld ja nicht weg ist. Das haben jetzt nur andere.

Die Route unserer Antarktis-Tour
Die Route unserer Antarktis-Tour

Unsere Leoni geben wir für die Zeit, in der wir mit dem Schiff unterwegs sind, in die Obhut einer lokalen Schifffahrtsagentur. Dazu müssen wir den Schlüssel für die Fahrerkabine abgeben, was wir gar nicht gerne tun, und hoffen sehr, dass wir Leoni unversehrt zurückbekommen.

MV Plancius im Hafen von Ushuaia
MV Plancius im Hafen von Ushuaia
Im Beagle-Kanal. Rechts das chilenische, links das argentinische Ufer
Im Beagle-Kanal. Rechts das chilenische, links das argentinische Ufer

Unser Schiff, die unter holländischer Flagge fahrende MV Plancius, kann etwas mehr als 100 Passagiere beherbergen und ist damit ein vergleichsweise kleines Schiff. Das ist wichtig, da in der Antarktis gemäß internationalen Vereinbarungen nur maximal 100 Passagiere gleichzeitig an Land gehen dürfen. Als wir am Abfahrtstag mittags im Hafen von Ushuaia ankommen, liegt die Plancius bereits am Landungssteg. Nachmittags um 16 Uhr startet dann das Boarding. Wir beziehen auf Deck 3 unsere kleine, aber sehr nette Kabine mit Bullauge und privatem Bad und gehen dann mit allen anderen Passagieren zu einem ersten Briefing in die Lounge. Kurz nach 18 Uhr stechen wir in See. Bald darauf folgt bereits ein Probe-Alarm. Mit Schwimmweste ausgerüstet geht´s zur Musterstation. Das ist die Lounge auf Deck 5. Hier werden alle Passagiere namentlich aufgerufen und nach Lage der jeweiligen Kabine auf die beiden Schiffsseiten verteilt. Kurz darauf ertönt das Signal „Abandon ship“. Wir werden zu den Rettungsbooten geleitet und aufgefordert, im Ernstfall besser ausgerüstet, vor allem sehr warm angezogen zu erscheinen. Das gesamte Procedere läuft sehr routiniert und professionell ab und gibt uns gleich von Anfang an ein hohes Gefühl an Sicherheit.
Nächster Tagesordnungspunkt ist ein Begrüßungscocktail mit dem russischen Kapitän, und direkt anschließend folgt das Abendessen. Alle Passagiere passen in den geräumigen Speisesaal hinein, so dass nicht in zwei Schichten gegessen werden muss. Das Bedienpersonal besteht wie etwa die Hälfte der 47 Mann Besatzung aus Filipinos. Die restliche Mannschaft kommt aus aller Herren Länder. Überraschend ist für uns die Zusammensetzung der Passagiere. Wir hatten mit einem Durchschnittsalter von ungefähr 74,7 Jahren gerechnet. Doch ganz im Gegenteil sind jede Menge junge und „mittelalte“ Passagiere an Bord, was zum Teil sicher daran liegt, dass allein 30 Passagiere zum Tauchen mit uns in die Antarktis fahren. Und Taucher sind halt im Durchschnitt eher etwas jünger. Die Taucher träumen von spannenden Unterwasserbegegnungen mit Pinguinen und vielleicht sogar Seeleoparden, vor denen sie allerdings sehr viel Respekt haben. Hildegard und ich sind zwar auch begeisterte Taucher, aber wir bevorzugen warmes Wasser und werden durch den riesigen Aufwand mit Trockentauchanzügen, etc. eher abgeschreckt. Sehr viele Holländer sind an Bord, auch sehr viele Deutsche, Schweizer und Österreicher, dazu ein paar Chinesen, Engländer, Australier, Italiener, etc. Erstaunlich ist, dass die sonst in Südamerika bisher immer sehr präsenten Franzosen komplett fehlen. Gegen Mitternacht verlassen wir den vergleichsweise ruhigen, geschützten Beagle-Kanal und sind bald auf der schon recht stürmischen offenen See, was man sehr deutlich am Wellengang und noch unmittelbarer an den Schiffbewegungen merkt.

Sturmvogel, treuer Begleiter auf unserem Weg zu den Falklands
Sturmvogel, treuer Begleiter auf unserem Weg zu den Falklands
Die Falkland-Inseln mit Carcass und Saunders Islands nördlich von West Falkland
Die Falkland-Inseln mit Carcass und Saunders Islands nördlich von West Falkland

Am übernächsten Morgen haben wir unser erstes Ziel, die Falkland-Inseln, erreicht. Wir stehen kurz nach 6 Uhr auf, als wir gerade durch den schmalen Kanal Wooley Gut fahren. Hildegard ist ganz begeistert, als ein paar Pinguine direkt vor unserem Bullauge vorbeischwimmen. Es ist herrliches Wetter, die Sonne scheint, und nur ganz entfernt liegt eine Dunstwolke vor der Inselkette. Eigentlich unglaublich nach dem doch sehr stürmischen Vortag. Aber die Wettervorhersage stimmte, wir haben sie nur nicht geglaubt.
Vor Carcass Island im Norden von West Falkland wird der Anker geworfen, und schon kurz nach dem Frühstück geht es in die Zodiacs, die erprobten Allround-Schlauchboote, mit denen wir in nächster Zeit alle Landgänge machen werden. Vorher wurden wasserdichte Jacken und Hosen sowie Schwimmwesten angelegt, Kameras und andere Wertgegenstände wasserdicht verstaut und die Gummistiefel in einer Wanne desinfiziert. Diese Prozedur ist vor und nach jedem Landgang obligatorisch, um keine Samen und Sporen von einem Ort zum anderen zu transportieren und ganz sicher auch, um das Schiff sauber zu halten.

Tausende Pinguine am Strand (Carcass-Island)
Tausende Pinguine am Strand (Carcass-Island)
Magellan-Pinguine
Magellan-Pinguine
Pinguine, wohin man auch schaut
Pinguine, wohin man auch schaut

Wir werden am hinteren Ende einer weiten Bucht abgesetzt. Alles steht voller Esels- und Magellan-Pinguine. Dazwischen Caracaras, Kelp- und andere Gänse sowie viele kleine Vögel, alle ganz erstaunlich wenig scheu. Carcass Island ist eine rattenfreie Insel, daher gibt es hier eine Vielzahl an Exemplaren auch von kleinen Vogelarten. Auf einigen anderen Inseln hat die Rattenplage die Vogelwelt dagegen drastisch reduziert. Wir wandern bei herrlichem Sonnenschein die Bucht entlang bis zur Farm der McGills, denen die Insel gehört. Hier gibt es Berge von Gebäck sowie kalte und warme Getränke. Anschließend geht es nach einem tollen Vormittag per Zodiac zurück zur Plancius.
Während unser Schiff nach Saunders Island weiterfährt, nehmen wir im Speisesaal das Mittagessen ein. Leider bewölkt sich der Himmel zusehends, und als wir mit den Zodiacs an einer „The neck“ genannten Stelle auf Saunders Island anlegen, ist das gute Foto-Licht des Vormittags bedauerlicherweise weg. Aber dafür ist das Panorama, das sich uns bietet, einfach unglaublich. Auch hier steht alles voller Pinguine. Dieses Mal sind es zunächst Eselspinguine, und zwar in unfassbaren Mengen.

Eselspinguine
Eselspinguine
Noch mehr Eselspinguine (Saunders Island)
Noch mehr Eselspinguine (Saunders Island)

Wir laufen ein paar hundert Meter weiter und sehen zum ersten Mal frei lebende Königspinguine, wenn auch nicht sehr viele, nur etwa 25 ausgewachsene Exemplare plus ein paar Küken. Es sind herrliche Tiere, knapp einen Meter groß und damit deutlich größer als die ebenfalls schon sehr stattlichen Eselspinguine, die auf ca. 80 cm kommen.

Königspinguine
Königspinguine

Unser Weg führt schräg einen Hügel hoch. Unterwegs sieht es aus, als ob es geschneit hätte. Die Pinguine sind in der Mauser, und alles liegt voller Federn. Oben im Berg, hoch über dem Meer, stoßen wir dann auf Unmengen von Felsenpinguinen (Rockhoppers). Diese sind im Vergleich zu den anderen Pinguinen sehr klein. Sie haben gelbe Federn über den Augen und sehen sehr putzig aus. Nach einer ausgiebigen Fotopause klettern wir noch ein paar Meter weiter den Berg hoch und stehen unvermittelt vor einer großen Brutkolonie von Schwarzbrauen-Albatrossen. Jede Menge mausgraue Jungvögel sitzen zwischen den Elterntieren. Der Anblick ist einfach nur toll.

Felsenpinguine
Felsenpinguine
Brutkolonie Schwarzbrauen-Albatrosse
Brutkolonie Schwarzbrauen-Albatrosse

Nachdem wir uns satt gesehen haben, gehen wir runter an den Strand und erleben, wie hunderte Rockhopper auf einmal aus dem Meer zurückkehren, quasi im geschlossenen Sprung an Land kommen und sofort den rettenden Felsen hochklettern. Auch das ist absolut faszinierend.

Felsenpinguine kurz vor der Rückkehr ans Ufer
Felsenpinguine kurz vor der Rückkehr ans Ufer
Felsenpinguine „im geschlossenen Sprung“ ans rettende Ufer
Felsenpinguine „im geschlossenen Sprung“ ans rettende Ufer
Geschafft. Der heimatliche Felsen ist erreicht.
Geschafft. Der heimatliche Felsen ist erreicht.

Wir sind vom heutigen Tag absolut begeistert. Ich habe über 600 Fotos geschossen, so viele, wie wahrscheinlich noch nie in meinem Leben an einem einzigen Tag. Dass Falkland so viel Wildlife zu bieten hat, hätte ich nie für möglich gehalten. Da können alle von uns bisher besuchten durchaus tollen Plätze an der argentinischen Atlantikküste nicht mithalten. Mein Fazit: Falkland ist ein sehr ernst zu nehmendes und faszinierendes eigenes Reiseziel.
Außer ihrer fantastischen Natur haben die Falklands auch eine bemerkenswerte politische Komponente. Großbritannien, Frankreich und Spanien bemühten sich über die Jahrhunderte, ihre Machtansprüche auf den Inseln durchzusetzen, und Argentinien als Nachfolgestaat Spaniens versuchte 1982 die aus seiner Sicht seit 1833 illegal von Großbritannien besetzten, in ganz Südamerika Malvinas genannten Inseln militärisch zu erobern. Der Versuch scheiterte, hinterließ auf beiden Seiten hunderte Tote und eine ganze Reihe von den Argentiniern angelegte und nie geräumte Minenfelder.
Die bewegte Historie der Falklands wird bei unserem Besuch der Hauptstadt Stanley überdeutlich. Wobei der Begriff „Stadt“ sehr übertrieben erscheint, hat Stanley doch gerade mal 2.000 Einwohner, etwa 2/3 der Gesamtpopulation der Inseln. Überall stehen Denkmäler, nicht nur zur Befreiung von den Argentiniern, sondern zum Beispiel auch zur Seeschlacht von Falkland im Ersten Weltkrieg, als gleich vier deutsche Kriegsschiffe unter dem Kommando von Admiral Graf von Spee von einer überlegenen britischen Seestreitmacht versenkt wurden. Bei diesem Denkmal finden wir einen relativ frischen Kranz der deutschen „Bundesministerin der Verteidigung“. In Summe ist Stanley nicht übermäßig interessant, aber für uns Antarktisfahrer durchaus auch nicht ungefährlich, denn die Leute hier fahren alle auf der falschen Seite der Straße.
Spannend ist auch die Rückfahrt zur im Hafen von Stanley liegenden Plancius mit den Zodiacs. Das Wetter ist schon den ganzen Morgen über ungemütlich, mit Nieselregen und ziemlich heftigem Wind. Dieser wird immer stärker, und als wir kurz vor Mittag zurück zum Schiff fahren, ist das fast wie eine Achterbahnfahrt. Und zwar mit eingebauter Dusche. Aber wir haben unsere wasserdichten Sachen an, und somit macht uns das nichts aus.

Stürmische Zodiac-Überfahrt im Hafen von Stanley
Stürmische Zodiac-Überfahrt im Hafen von Stanley
Ein paar kräftige Duschen sind dabei unvermeidlich.
Ein paar kräftige Duschen sind dabei unvermeidlich.

Vom Schiff aus mache ich, jetzt wieder bei Sonnenschein, ein paar Aufnahmen von einem der zurückkehrenden Zodiacs. Das Wasser ist stark aufgewühlt, und die Transfers sind laut Expeditionsleitung an der Grenze des gerade noch Machbaren. Doch das ist gar nichts gegen das, was nach dem Mittagessen passiert. Wir verlassen den Hafen mit seinen durchaus schon beachtlichen Wellen und stechen in die offene See. Und sofort geht es los. Riesenwellen von mindestens sieben Meter Höhe hat der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von 45 – 49 Knoten inzwischen erzeugt, und durch diese müssen wir jetzt durch auf unserer Fahrt Richtung Südgeorgien. Das Schiff schwankt gewaltig und hat zeitweise extreme Schräglage, meistens zur Backbordseite, wo sich unsere Kabine befindet. Der Blick aus dem Bullauge ist wahrhaft furchterregend, und der Gang zu einem Vortrag in der Lounge zwei Decks höher wird zum Abenteuer. Zum Glück haben wir beide bisher kein Problem mit Seekrankheit. Ein bisschen schummrig ist uns schon manchmal, aber insgesamt scheinen meine Seabands und/oder die Tabletten, die ich alle acht Stunden einnehme, zu funktionieren. Hildegard nimmt nur Superpep-Reisekaugummi und kommt damit gut klar. Mal sehen, wie sich das Ganze weiter entwickelt.
Nach dem Abendessen gehen wir noch auf ein Glas Wein in die Bar und dann zu Bett. Das Schiff schaukelt unglaublich. Man kann wirklich glauben, dass es im nächsten Moment umkippt. Sogar flach im Bett liegend werfen uns die Naturgewalten hin und her. Im Laufe der Nacht wird es dann zum Glück langsam besser. Am Morgen scheint die Sonne, der Wind ist abgeflaut, aber die Wellen sind noch beachtlich hoch, wenn auch nicht mehr ganz so hoch wie am Abend zuvor. Wir sind mit Rückenwind gut voran gekommen, fahren weiterhin fast exakt nach Osten und freuen uns auf unser nächstes Ziel, auf Süd-Georgien.

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