Parque Nacional Torres del Paine – und durch Schraube hervorgerufene Planänderung

Die vorläufig letzte Nacht in Argentinien verbringen wir gemeinsam mit Jens und Bärbel auf dem Campingplatz in Calafate. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns und fahren los. Auf der berühmten Ruta Cuarenta (RN 40) geht es bei herrlichem Wetter zügig nach Süden. In Esperanza tanken wir Leoni noch einmal voll und kaufen ein paar Esssachen in einem urigen „Wild-West“-Laden: Brot und ein paar Büchsen mit Obst und Gemüse. Wir wissen, dass die Einfuhr von frischem Obst und sonstigen Lebensmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft nach Chile verboten ist, und haben auch entsprechend disponiert. Allerdings fürchten wir, in den nächsten Tagen zu sehr darben zu müssen, falls wir hinter der Grenze auf dem Weg zu unserem Ziel, dem Nationalpark Torres del Paine, nirgendwo mehr frische Lebensmittel kaufen können. Kurz vor dem Grenzübertritt essen wir zur Mittagszeit die vorbereiteten Butterbrote sowie die letzten Tomaten und den letzten Apfel.

Grenzübertritt nach Chile
Grenzübertritt nach Chile

In der chilenischen Grenzstation kreuzen wir an, dass wir „kritische“ Lebensmittel an Bord haben. Das ist die einzig sichere Variante. Reisebekannte von uns mussten wegen zwei vergessener Pflaumen, die dann gefunden wurden, vor Gericht und bekamen wegen Meineids eine saftige Geldstrafe. Der zuständige chilenische Offizielle kommt mit zu Leoni, lässt sich von Hildegard alles zeigen und entscheidet für uns überraschend, dass wir alles behalten dürfen, auch das Brot und ein noch verschlossenes Paket Schmierkäse. In einem Geschäft direkt neben dem Zoll tauschen wir 300 Euro zum Kurs von 670 chilenischen Pesos pro Euro. Das sind zwar 30 – 40 Pesos weniger als der im Internet angegebene Kurs, aber wir sind froh, dass wir jetzt über chilenisches Geld verfügen und nicht zuerst einen riesigen Umweg nach Puerto Natales machen müssen. Sogar einen kleinen Tante-Emma-Laden gibt es im Grenzort Cerro Castillo. Hier bekommen wir unerwarteter- und erfreulicherweise außer Tomaten praktisch alles, was uns noch fehlt. Kartoffeln, Zwiebel, Eier, Salami, sogar ein paar Äpfel und Apfelsinen.
Über eine größtenteils sehr gute Piste und vorbei an herrlicher Landschaft geht es dann zum Nationalpark Torres del Paine. Wir zahlen den Ausländerpreis von 18.000 Pesos (ca. 25 Euro) pro Person und fahren weiter zum wunderschön am Fuß der Berge gelegenen Campingplatz Pehoe. Dort kommen wir nach einem sehr langen und auch anstrengenden Tag gegen 18.30 h an. Beim Aussteigen aus Leoni vor der Rezeption fällt Hildegard ein zischendes Geräusch auf. Die Ursache ist schnell gefunden. Wir haben uns eine Schraube ins rechte Hinterrad gefahren. Ganz schnell, bevor der Reifen zu viel Luft verliert, beziehen wir einen möglichst geraden, grasbewachsenen, also zum Radwechsel gut geeigneten Platz, und ich setze noch den Wagenheber mit Holzklotz unter die Hinterachse, um ein Absinken bis auf die Felge zu vermeiden, was gerade noch gelingt. Vorher habe ich die drei anderen Räder mit dicken Steinen blockiert. Wir sind beide von dem langen Fahrtag ziemlich müde und wollen den Radwechsel erst am nächsten Morgen angehen. An der Rezeption gibt es Internet, und ich erfahre, dass Borussia am Abend 1:0 gegen Freiburg gewonnen hat. Das ist immerhin ein Lichtblick. Die herrlichen Cuervos del Paine, die direkt vor uns im schönsten Abendlicht liegen, können wir gar nicht so richtig wertschätzen. Wir haben jetzt andere Dinge im Kopf, nämlich Radwechsel und Reifenreparatur. Hildegard kocht noch ein leckeres Süppchen, damit wir heute auch mal etwas Warmes in den Bauch bekommen, wir trinken noch ein Glas Wein und gehen zu Bett.

Cuernos del Paine (rechts im Bild) kurz nach Sonnenaufgang, aus der Dachluke heraus fotografiert
Cuernos del Paine (rechts im Bild) kurz nach Sonnenaufgang, aus der Dachluke heraus fotografiert

Um 6.20 h am nächsten Morgen schellt der Handy-Wecker. Wir wollen den für 6.31 h erwarteten Sonnenaufgang mitbekommen. Schließlich sind wir nicht nur zum Radwechseln hier. Das Licht und die gesamte Atmosphäre sind außerordentlich schön. Im Gegensatz zum Vortag ist es leicht bewölkt, und der Anblick der Berge ändert sich ständig. Wir bleiben im Bett, und ich mache mehrfach Aufnahmen durch die offene Dachluke. Die Außentemperatur wird uns mit immerhin 4 Grad (über Null) angezeigt, aber auf dem Dach ist Raureif. Das hatten wir noch nicht, das ist mal etwas Neues.

Der Übertäter, eine abgebrochene Schraube
Der Übertäter, eine abgebrochene Schraube
Hochkurbeln  des Wagenhebers
Hochkurbeln des Wagenhebers

Der Radwechsel klappt dann erstaunlich gut. Ich bin sehr erleichtert, denn ich hatte mir schon einige Sorgen gemacht. Geübt hatte ich den Radwechsel vorher nämlich nicht. Es ist für mich und Leoni also eine Premiere. Der Wagenheber trägt das Auto schon seit dem Vorabend, d.h. die Felge war zu keiner Zeit auf der Erde und der Reifen somit nicht zusätzlich belastet bzw. gequetscht. Leoni hatte die ganze Nacht auf dem Wagenheber und nicht auf dem defekten Rad gestanden. Das Einzige, was bei der Aktion schief geht, ist das anschließende Befestigen der rot-weißen Warntafel auf dem inzwischen hinten an Leoni angebrachten defekten Rad. Ich drehe dabei nämlich das Oberteil des Befestigungselements ab. Ich muss wohl noch zu viel Kraft gehabt haben. Hier steht demnächst eine Schweißaktion an. Wir sind trotz dieses „Kollateralschadens“ froh und glücklich, dass Leoni wieder auf vier gesunden Beinen steht, stellen aber auch fest, dass die Reifen durch die vielen Pistenfahrten deutlich gelitten haben. Mit dem bordeigenen Kompressor passe ich noch den Luftdruck an, und damit ist die Arbeit getan.

Das nagelneue Reserverad wird in Position gebracht …
Das nagelneue Reserverad wird in Position gebracht …
… und mit dem Drehmomentschlüssel auf 200 Nm festgezogen
… und mit dem Drehmomentschlüssel auf 200 Nm festgezogen
Die Cuernos del Paine sind inzwischen wolkenumhüllt
Die Cuernos del Paine sind inzwischen wolkenumhüllt

Hildegard kocht zur Feier des Tages ein vergleichsweise aufwändiges und sehr leckeres Mittagessen, und wir beschließen, unseren bisherigen Plan zu ändern und schon am nächsten Tag Richtung Puerto Natales zu fahren, um dort den Reifen flicken zu lassen und somit unser Risiko zu verringern. Denn wir haben nur ein Reserverad dabei, und das ist jetzt funktionsunfähig. Nächste Woche wollen wir von Ushuaia aus Richtung Antarktis in See stechen. Bis dahin müssen wir noch ein paar hundert Kilometer fahren, und das idealerweise mit einem intakten Reserverad. Ein zweiter Reifenschaden oder auch zum Wochenende geschlossene Gomerias (Reifenreparaturwerkstätten) würden uns in größere Schwierigkeiten bringen. Das Schiff wartet nämlich nicht.
Die Torres del Paine wollen wir nach der Rückkehr aus der Antarktis erneut angehen, und dann hoffentlich mit einer mehrtägigen Wanderung. Die hätten wir jetzt ohnehin nicht zustande gebracht, da Hildegard seit Kurzem beim Gehen etwas gehandicapt ist. Ihr ist eine volle Bierdose aus dem Kühlschrank auf den nackten linken Mittelzeh gefallen. Dieser ist in der Folge dunkelblau angelaufen und tut ihr kräftig weh.

Meine zwei Frauen, Hildegard und Leoni, vor dem Torres-del-Paine-Massiv
Meine zwei Frauen, Hildegard und Leoni, vor dem Torres-del-Paine-Massiv

Beim Herausfahren aus dem Park haben wir etliche Gelegenheiten für interessante Fotostopps. Auffällig ist die hohe Dichte von Guanakos und Ñandus im östlichen Teil des Nationalparks. Diese sind erstaunlich wenig scheu und lassen sich aus nächster Nähe fotografieren. In aller Ruhe direkt neben der Straße fressende Guanakos und Ñandus haben wir vorher überhaupt noch nicht gesehen. Mir gelingt sogar ein Foto von zwei kämpfenden Guanakos. Unsere Anwesenheit scheint die Beiden gar nicht zu interessieren.

In aller Ruhe neben der Straße grasende Guanakos
In aller Ruhe neben der Straße grasende Guanakos
Kämpfende Guanakos
Kämpfende Guanakos
Rechts im Bergmassiv sind auf diesem Bild auch die eigentlichen Torres del Paine zu erkennen
Rechts im Bergmassiv sind auf diesem Bild auch die eigentlichen Torres del Paine zu erkennen

Ohne Probleme fahren wir nach Puerto Natales, wo wir zu Mittag essen und uns mit Geld und Lebensmitteln eindecken. Da die Zeit anschließend schon etwas fortgeschritten ist, beschließen wir, trotz unbrauchbaren Reserverads bis Punta Arenas weiterzufahren. Diese südlichste Großstadt auf dem amerikanischen Festland verfügt über alle Versorgungsmöglichkeiten. Hier sollten wir folglich unser Reifenproblem am nächsten Tag leicht lösen können. So hoffen wir jedenfalls. Nach weiteren gut drei Stunden Fahrt kommen wir am frühen Abend in Punta Arenas an und beziehen einen Übernachtungsplatz in einer Sackgasse am Rand eines Wohngebiets direkt am Zaun zur Zona Franca. Diesen Platz hatten uns Jens und Bärbel empfohlen.
Wir verbringen eine ruhige, ungestörte Nacht. Nach Dusche und Frühstück fahren wir in die Stadt zum Visitor Center. Hier bekommen wir eine Stadtkarte sowie die Information, wo Gomerias zu finden sind. Die zweite von uns angefahrene Werkstatt nimmt sich unserer Sache an. Die Schadensursache, eine kurze abgebrochene Schraube, wird entfernt und der Reifen auf einer dafür vorgesehenen Maschine von der Felge getrennt. Innen ist erstaunlicherweise keine Beschädigung zu erkennen. Das ist wohl der Grund dafür, dass die Luft so vergleichsweise langsam entwichen ist. Von innen wird ein „Pflaster aufvulkanisiert“, der Reifen wieder auf der Felge montiert und das komplette Rad hinten an Leoni befestigt. Das war´s. Den Einbau eines Schlauches hält der Monteur für überflüssig, da die Beschädigung sehr gering ist. Die von uns zu begleichende Rechnung beläuft sich auf ganze 2.000 chilenische Pesos, umgerechnet etwa 3 Euro. Kaum zu glauben.

Reifenreparatur in Punta Arenas
Reifenreparatur in Punta Arenas

Meine Frage, ob er auch das Befestigungselement für die Warntafel wieder zusammenschweißen kann, verneint er. Er hat kein Schweißgerät. Es folgt eine Irrfahrt von Pontius zu Pilatus kreuz und quer durch Punta Arenas. So lernen wir fast alle Werkstätten der Stadt kennen, und eine davon, eine dermaßen absolute Bruchbude, wie ich selten eine gesehen habe, schweißt das Befestigungselement wieder zusammen, wenn auch krumm und schief. Somit sind unsere technischen Probleme erst mal gelöst. Die Zeit wird zeigen, ob das Ganze auch hält.

2 Comments

  1. Elke und Dieter Kunz said:

    Liebe Weltreisende,
    wie nah liegen doch Freud‘ und Leid zusammen!
    Danke für den neuesten Bericht, sowie für die davor. Wir lesen immer mit Spannung und reisen in Gedanken mit. Haben uns eine Karte markiert, wo Ihr gerade seid Ein platter Reifen und ein verstauchter Zeh-na sowas. Das entschädigt doch dann hundertfach für die tollen und eindrucksvollen Ausblicke. Die nächste Etappe scheint ja grandios zu werden. In K. ist nun der Vorentscheid zum Grand Prix gefallen, Marc Venten will Bürgermeister werden.Ob das nun gut ist, sei dahingestellt. Man erzählt, daß Gasthof Vennen verkauft werden soll und die Traube in Kleinenbroich schließen wird, auch nicht so spektakulär. Huppertz Paul aus Neersbroich verstarb. Vom Wetter her scheint uns der Winter verlassen zu wollen, heute Sonnenschein .Weiterhin gute Fahrt und besonders für Hildegard gute Besserung für den Zeh!!
    Liebe Grüße die Kunzis

    12. Februar 2015
    Reply
  2. Elke und Dieter Kunz said:

    Alaaf und Helau aus dem närrischen Rheinland ans andere Ende der Welt rufen Euch die Kiesköpp aus Korschenbroich zu.

    16. Februar 2015
    Reply

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